Duisburg.
Ist Gerechtigkeit käuflich? Diese Frage stellte Friedrich Dürrenmatt mit seiner gallenbitteren Komödie „Der Besuch der Alten Dame“, die als makabrer Schauspiel-Stoff auch in einer ehemals sozialistischen Kleinstadt im deutschen Osten spielen könnte. Beim Theatertreffen der „Duisburger Akzente“ zu Gast war die Inszenierung von Armin Petras mit dem Schauspiel Stuttgart in einer Koproduktion mit dem Staatsschauspiel Dresden und dem Maxim Gorki Theater Berlin.
Erzählt wird die Geschichte der steinreichen und pelzbehangenen Clara (Astrid Meyerfeld). Sie kehrt nach 30 Jahren als Weltstar in ihr verarmtes Städtchen im Osten der Nachwendezeit zurück, das ihr einen großen Empfang bereitet. Sie könnte den Bürgern, die sie einst davonjagten und die heute stolz auf sie sind, wieder neuen Reichtum bringen, doch dieser hat einen hohen Preis. Der längst resignierte Kaufmann Alfred Ill (Andreas Leupold), der sie damals als 17-Jährige schwängerte, verließ und als Liebhaberin eines Klassenfeindes denunzierte, soll für eine Milliarde, verteilt auf alle, sterben. Der schmierige Bürgermeister (Wolfgang Michalek) und die Bewohner sagen nein, doch die Versuchung ist groß. Die Moral beginnt zu bröckeln…
Clara, der man damals ihr Kind zur Strafe auch noch wegnahm, wird von Astrid Meyerfeld als eiskalter Racheengel dargestellt. Im Kostüm ihres geschmeidigen und gefährlichen Leoparden steckt katzenhaft und lüstern Berit Jentzsch, die mit dem Temperament eines Raubtiers die karge Bühne verunsichert.
Höchst originelle und bisweilen schräge Inszenierung
Es sind vielleicht 20 steile Stufen, auf denen die Wende-Verlierer zwischen Abstieg und Aufstieg schwanken. Im filmischen Hintergrund fährt am Bahnhof der Zug ein und dann steht auch schon Clara auf den Stufen, erzählt ihre Geschichte und nennt ihre blutige Bedingung für ihre Milliarden-Stiftung.
Armin Petras lässt seine karikaturenhaften Figuren auf den Stufen zappeln, toben und schreien. Die Verhältnisse in der Nachwendezeit sind unübersichtlich. Der Bürgermeister, den Wolfgang Michalek als wunderbar schrägen Vogel spielt, klettert dann auf einmal ins Publikum und sucht den direkten Kontakt. Ein Gag, auf den man sicherlich verzichten könnte.
Petras macht aus Dürrenmatts Geschichte eine lärmende Groteske und einen wüsten und turbulenten Zirkus der Narren. Zuletzt gibt das Ensemble in Frack und Abendkleid dem Mord an Alfred Ill noch staatspolitische Ansprache und Form. Viel Beifall für eine höchst originelle und bisweilen schräge Inszenierung und für beachtliche Schauspielkunst.