Duisburg. Am 14. Oktober 1944 griffen hunderte alliierte Bomber die Stadt an. Der damals 16-jähirge Flakhelfer Manfred Kleinrahm erinnert sich an die Schrecken der verheerenden Kriegsnacht.
„Achtung! Achtung Primadonna meldet: Starker Kampfverband mit Jagdschutz, als Lancaster erkannt, von Otto-Dora-6 nach Otto–Emil-5-, Caruso-Ost, Hanni 7000, Orkan 450, um 34 einzelne feindliche Jäger, Mustangs , kreisen über Nordpol-Otto-3.” Luftalarm im Duisburger Norden am 14. Oktober 1944. Nicht der erste, für Flakhelfer Manfred Kleinrahm und seine 39 Kameraden in der vierten Batterie „Anton” in Hiesfeld. Mit Sicherheit aber der Schlimmste.
Es war 8.45 Uhr, als die „Operation Hurricane” britischer Luftkampfverbände Duisburg traf. Es war der verheerendste Luftangriff auf eine deutsche Stadt im Zweiten Weltkrieg, sieht man von den Bombardierungen Dresdens und Hamburgs ab: In drei Angriffswellen innerhalb von 20 Stunden warfen insgesamt 2068 englische Bomber, Typ Lancaster und Typ Halifax, zwei- und viermotorige Maschinen, rund 9000 Tonnen Bomben auf die gesamte Stadt und ihren Hafen ab, vor allem auf den Duisburger Norden.
In ganz Duisburg waren am 14. und 15. Oktober 1944 mindestens 2876 Tote zu beklagen, die meisten von ihnen Zivilisten, auch viele Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene, denen die Nazis den Schutz in Luftschutzbunkern verwehrten.
Erste Angriffswelle
„Die erste Welle kam um neun Uhr morgens. Sie dauerte 30 Minuten. Es war der erste Tagesangriff der Engländer überhaupt im gesamten Krieg”, erinnert sich Manfred Kleinrahm, damals 16, heute 81. „Bis dahin hatten sie immer nur nachts ihre Luftminen und Brandbomben abgeworfen. Einige Bomben fielen auch rund um unsere Flakstellung herum. Unsere Batterie schoss mit 24 Flakgeschützen zurück, mit mehreren tausend Granaten. An diesem Morgen holten wir zwei Lancaster-Bomber vom Himmel.”
Doch mit dem, was dann geschah, hatte keiner der 15- bis 16jährigen Luftwaffenhelfer in ihren dunkelblauen Uniformen gerechnet, auch nicht Manfred Kleinrahm, bis Kriegsende Kanonier seines Geschützes „Emil”: „Einer der Bomber stürzte direkt in ein Wohnhaus an der Sterkrader Straße in der Nähe. Unter diesem Haus war ein Luftschutzkeller. Als wir den Schutt vor dem Eingang weggeräumt hatten, sahen wir das Entsetzliche: In dem Luftschutzkeller saßen 23 tote Menschen, verdörrt und verschrumpelt, noch auf den Bunkerbänken.”
Für ein paar Stunden nach Hause
Wenig später traf Kleinrahm auf seine Mutter, die nach der ersten Angriffswelle aus Sorge um ihrem Sohn vom Wohnort der Familie in Röttgersbach nach Hiesfeld geradelt war. „Sie war ruß- und blutverschmiert.” Auf die Bäckerei nebenan an der Markgrafenstraße war eine Bombe gefallen. Die Explosion zerstörte die Backstube und einen Stall. Kleinrahm kehrte für ein paar Stunden nach Hause zurück, half, aufzuräumen. Am Nachmittag bezog der Luftwaffenhelfer wieder seine Stellung in der Hiesfelder Batterie.
„Die zweite Welle kam um 24 Uhr, ganz ohne Vorwarnung”, berichtet Kleinrahm, der wie seine Schulkameraden von der Tannenberg-Oberschule an der Warbruckstraße in Marxloh seit Januar 1944 in Hiesfeld im Einsatz war.
Funknetzt und Sirenen waren zerstört worden
Diesmal gab es keinen Luftalarm, denn Funknetz und Luftsirenen waren beim Angriff am Morgen zerstört worden. „Außerdem hatten wir keine Granaten mehr.” Der Nachschub von den Munitionslagern in Neumühl und Meiderich stockte, in der Batterie in Hiesfeld stapelten sie nur noch die leeren, die leergeschossenen Kartuschen. „Eine Flak schoss noch ein paar Granaten ab, aber nur, um zu zeigen, dass wir noch da sind.”
Die Luft dröhnte von den Motoren hunderter britischer Bomber in 4000 Metern Höhe, der Himmel war bei ihren Anflügen vollkommen neblig von ihren Kondensstreifen. „Dann warfen sie die Bomben ab. Das sah aus wie brennender Christbaumschmuck. So haben wir das damals genannt”, erzählt Kleinrahm. Die Detonationen im Duisburger Norden waren bis nach Hiesfeld zu hören. An der Flak sahen sie: Vor allem in Hamborn krachte und brannte es...