Duisburg. Der Kopenhagener Zoo hat am vergangenen Sonntag einen jungen Giraffenbullen getötet, öffentlich zerlegt und anschließend an Raubtiere verfüttert. Diese Vorgehensweise löste weltweite Proteste und Anwürfe aus. Achim Winkler, Zoo-Chef in Duisburg, kann beide Seiten verstehen.
Nach der Tötung des anderthalb Jahre alten Giraffenbullen Marius im Kopenhagener Zoo am vergangenen Sonntag sowie der öffentlichen Zerlegung des Kadavers und anschließenden Verfütterung an Raubtiere, schlugen weltweit die Wellen der Empörung hoch. Und sie haben sich noch lange nicht gelegt. Zoodirektor Bengt Holst wird mit Mails und SMS bombardiert, erhält gar Morddrohungen. Dennoch verteidigt er das Vorgehen und begründet es mit der Vermeidung von Inzucht, sowie der fehlenden Alternative, den Giraffenbullen in einem anderen Zoo unterzubringen.
Auch der Zoo Duisburg züchtet seit etlichen Jahren erfolgreich Netzgiraffen, ist wie Kopenhagen eingebunden in das Europäische Erhaltungszuchtprogramm, das streng über die genetische Vielfalt der Populationen in den Zoos Europas wacht. „Aber trotz allen Managements kann es dazu kommen, dass statt eines begehrten Weibchens ein Kerl geboren wird. Das kann man nicht beeinflussen“, erklärt Achim Winkler, der Duisburger Zoo-Chef. „Wenn der Bulle geschlechtsreif wird, muss er weg. Ansonsten gibt es fürchterliche Kämpfe mit seinem Erzeuger, der keinesfalls zulassen wird, dass der Sohn die eigene Mutter deckt.“
Das Platzangebot in den europäischen Zoos sei naturgemäß begrenzt. Wenn dann ein Zoo keinen anderen finde, der Bedarf an einem Bullen hat, wohin solle man dann mit dem Tier, zeigt Winkler Verständnis für das Kopenhagener Vorgehen. „Giraffen an einen Zoo zu geben, der bis dahin diese Tiere nicht gehalten hat, ist Blödsinn. Das ist eine schwierige, anspruchsvolle Haltung. Und man kann nicht mal eben für eine Giraffe ein Gehege bauen“, spricht Winkler aus langjähriger Erfahrung.
Auswildern ist keine Lösung
Auswildern sei auch keine Alternative. „Die Population im Freiland ist nicht bedroht. Zudem kostet es Unsummen, das geht in die Zighunderttausend Euro bis hin zu Millionenbeträgen, die das verschlingt. Es ist ja nicht damit getan, die Giraffe aus dem Käfig zu holen und sie ihrem Schicksal in freier Wildbahn zu überlassen.“ Das wäre, so Winkler, in einem solchen Fall auch schnell besiegelt, durch Löwen oder andere Raubtiere.
„Der Zoo Kopenhagen hat keinen anderen Ausweg gefunden“, resümiert der Duisburger Zoo-Chef. „Was dann folgte war keine öffentliche Schlachtung, sondern eine öffentliche Zerlegung.“ Und mit dieser sei, entgegen anderslautender Berichte, kein Zoobesucher unvorbereitet konfrontiert worden. „Die Dänen und andere Skandinavier sind da weiter als wir. Sie sehen das eher nüchtern und akzeptieren den in dieser krassen Offenheit gezeigten Kreislauf von Fressen und Gefressenwerden. Solche Zerlegungen werden gezielt angeboten. Das muss sich niemand ansehen, der das nicht will.“
Emotionale Reaktion
So etwas sei in Deutschland kaum denkbar. „Bei uns und - wie die heftigen Reaktionen zeigen, die alle nicht aus Dänemark kamen - ist dieses Thema auch in anderen europäischen Ländern sehr emotional besetzt. Zumal, wenn es um ein edles Tier wie eine Giraffe geht, die zudem noch durch einen Namen personalisiert ist. Wäre ein Schwein getötet, zerlegt und verfüttert worden, hätte sich vermutlich kaum jemand darüber aufgeregt.“
Dem Löwen sei es aber egal, ob er ein Rind oder eine Giraffe vorgesetzt bekomme. „Wir füttern unsere Raubtiere auch mit Rinder- oder Pferdefleisch. Aber hierzulande wollen wir ja gar nicht wissen, wie das Fleisch auf den Teller kommt.“ Und ebenso wollten hiesige Zoo-Besucher auch nicht wissen, was an Eintagsküken, Mäusen, Ratten oder Fischen tagtäglich am Kaiserberg verfüttert wird.
Schafe und Ziegen verfüttert
„Wenn bei uns Schafe oder Ziegen sterben, die keine Krankheiten hatten, werfen wir das Fleisch natürlich nicht weg, sondern verfüttern es auch an unsere Raubtiere“, sagt Winkler und betont: „Man kann beide Seiten verstehen, die nüchterne wie die emotionale.“
Das Problem, für eine Netzgiraffe eine neue Bleibe suchen zu müssen und keine zu finden, habe es in Duisburg noch nicht gegeben. Und Winkler befürchtet auch nicht, dass ein solches auf ihn zukommt, wenn der kleine Giraffenbulle geschlechtsreif wird, der im März vergangenen Jahres am Kaiserberg geboren wurde: „Er wird in einen anderen Zoo umsiedeln können.“