Duisburg. Dreieinhalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe von Duisburg hat die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen des Unglücks abgeschlossen. Gegen zehn Personen wird Anklage erhoben. Veranstalter Schaller und Ex-OB Sauerland sollen als Zeugen in dem Mammutverfahren aussagen. Unsere Chronik zur Begründung der Anklage.
Exakt 1298 Tage nach der Loveparade-Katastrophe hat die Staatsanwaltschaft Duisburg am Dienstag offiziell ihre Ermittlungen abgeschlossen und Anklage beim Landgericht Duisburg erhoben. Von den ursprünglich 17 Beschuldigten – einer ist inzwischen verstorben – soll nur noch zehn der Prozess gemacht werden. Die Duisburger Staatsanwaltschaft hat für Mittwochvormittag eigens in die 800 Besucher fassende Rheinhausenhalle eingeladen, um ihre Anklageschrift in einer Pressekonferenz zu präsentieren. Lesen Sie hier die Ereignisse des Vormittags in unserer Chronik:
12.30 Uhr: In einer zusätzlichen Pressekonferenz zur Anklageerhebung hat Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link weitere Konsequenzen für die sechs Mitarbeiter der Stadtverwaltung angekündigt. Gegen die Beschuldigten sei ein Disziplinarverfahren eröffnet worden, das aber bis zur Entscheidung des Gerichts ausgesetzt wird. Ansonsten werde es vorerst keine weiteren Schritte geben. Dieses Vorgehen sei mit der Kommunalaufsicht abgestimmt.
11.04 Uhr: Die Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft ist nun beendet. Die Diskussionen gehen aber weiter.
11.01 Uhr: Horst Bien unterstreicht noch einmal, dass es Aufgabe der Staatsanwaltschaft sei, strafrechtliche Schuld und nicht politische oder moralische Verantwortung festzustellen. Der kommende Prozess könne aber auch zu einer Klärung in gesellschaftlicher Hinsicht führen.
Loveparade Duisburg - Wer angeklagt ist und wer nicht
Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat gegen vier Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent und sechs Bedienstete der Stadt Duisburg Anklage erhoben. Tatvorwurf: fahrlässige Tötung, fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Körperverletzung im Amt.
Angeklagt sind:
- Vier Mitarbeiter von Lopavent: Gesamtleiter, Produktionsleiter, Sicherheits-Verantwortlicher und technischer Leiter der Loveparade 2010
- Drei Bedienstete des städtischen Bauamtes
- Drei städtische Bedienstete in leitender Funktion: Der für das Prüfungsteam zuständige Abteilungsleiter, die Amtsleitern Baurecht und Baudezernent Jürgen Dressler
Nicht angeklagt sind:
- Gegen Ordnungsdezernent Wolfgang Rabe, leitende Mitarbeiter des Ordnungsamtes, den Polizeiführer Kuno S. und den von Lopavent eingesetzte Crowd-Manager ist das Verfahren eingestellt worden
- Ex-OB Adolf Sauerland und Veranstalter Rainer Schaller gehörten schon früh nicht mehr zu den Beschuldigten
10.59 Uhr: Rund 445.000 Personen waren laut Staatsanwaltschaft zum Unglückszeitpunkt auf dem Gelände und in den Zu- und Abgangsbereichen. "Die Planung war, dass die Menschen in Bewegung bleiben", so Oberstaatsanwalt Bien. Dass das nicht passiert ist, habe den Kollaps mit ausgelöst.
10.56 Uhr: Rainer Schaller und EX-OB Adolf Sauerland sollen als Zeugen vor Gericht aussagen. Sie sind zwei von insgesamt 149 Zeugen, die die Staatsanwaltschaft benennt.
Viele offene Fragen
10.54 Uhr: Weshalb wurden die Ermittlungen gegen Wolfgang Rabe eingestellt? Eine Frage, die sich viele Menschen im Raum stellen: Auch als Koordinator habe er nicht die Verantwortung für alle Planungsaspekte der Loveparade gehabt, so Oberstaatsanwalt Bien. Die Ämter für die der Ordnungsdezernent Verantwortung hatte, seien nicht für die baurechtliche Genehmigung verantwortlich gewesen.
10.50 Uhr: Gegen Professor Schreckenberg, den die Stadt Duisburg befragt hat, wurde ebenfalls nicht ermittelt. Er war nicht beauftragt, eine Machbarkeitsstudie für die gesamte Loveparade zu erstellen und habe demnach auch nie einen kompletten Überblick über die Veranstaltung gehabt. Schreckenberg wurde nur zu Einzelaspekten befragt.
10.49 Uhr: Dies gelte genauso für Duisburgs damaligen OB Adolf Sauerland.
10.47 Uhr: Lopavent-Geschäftsführer Schaller ist nicht unter den Beschuldigten, weil er Planung und Durchführung auf seine Fachleute übertragen hat. Er hatte aus Sicht der Staatsanwaltschaft demnach keinen Einfluss auf die Planungen genommen und auch keinen Hinweis auf Plannungsmängel.
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10.45 Uhr: Inwiefern haben die Warnungen von Polizei und Feuerwehr eine Rolle gespielt? Bei einem Seminar im März mit dem ehemaligen Chef der Dortmunder Feuerwehr haben Bedienstete der Stadt bereits davor gewarnt, die Loveparade durchzuführen. Eine Antwort auf die Frage gibt Bien nicht, "da würden wir zu tief in die Beweisführung einsteigen".
10.41 Uhr: Insbesondere die Maßnahmen der Polizei seien nach Feststellungen des Massenforscher Keith Stills weder für sich genommen noch insgesamt ursächlich für den tragischen Ausgang der Loveparade.
Welche Rolle spielte der politische Druck wirklich?
10.40 Uhr: Wenn die Kommunikation nicht zusammengebrochen wäre, wäre die Katastrophe dann verhinderbar gewesen?, fragt ein weiterer Journalist. Dazu Bien: "Ein wesentlicher Grund für die Katastrophe sind Planungsfehler." Bei der Loveparade seien einfache wissenschaftliche Erkenntnisse außer Acht gelassen worden. Deshalb ist die Polizei bei der juristischen Betrachtung der Staatsanwaltschaft auch außen vor.
10.34 Uhr: Welche Rolle spielte der politische Druck, will ein Kollege wissen: Schon in seinem ersten Statement sagte Bien: "Wir haben nicht nach politischer oder moralischer Verantwortung gesucht." Die Staatsanwaltschaft nahm eine strafrechtliche Bewertung vor. In wieweit Druck aufgebaut wurde, sei schwierig zu klären und zu bewerten. Die konkrete Planung sei auf die zuständigen Fachämter übertragen worden. Dort hatte laut Bien "jeder seine Hausaufgaben zu machen".
10.32 Uhr: Wir befinden uns derzeit in einem Zwischenverfahren, beantwortet Schwarz die Frage nach dem weiteren Procedere. Das Landgericht muss nun prüfen, ob es die Klage zulässt. Wie lang die Strafkammer für die Vorbereitung der Entscheidung benötigt, ist derzeit nicht zu beantworten, so Michael Schwarz.
10.31 Uhr: Wie sieht das mögliche Strafmaß aus, fragt ein Journalist: Es drohen maximal fünf Jahre Freiheitsstrafe für den Vorwurf der fahrlässigen Tötung.
Anklage im Loveparade-Verfahren
10.29 Uhr: Nach den Ausführungen beginnt nun die Fragerunde.
10.27 Uhr: Derzeit gibt es 27 Anträge auf Zulassung zur Nebenklage von Hinterbliebenen und Verletzten der Loveparade. Zudem sind 48 sogenannte Adhäsionsverfahren anhängig, bei denen es um vermögensrechtliche Ansprüche geht.
Loveparade-Anklageschrift umfasst 556 Seiten
10.25 Uhr: Gemäß Strafprozessordnung wurden beispielhaft 18 Fälle von Körperverletzung ausgewählt, um das Verfahren nicht unnötig in die Länge zu ziehen.
10.25 Uhr: Die Anklageschrift umfasst 556 Seiten, ergänzt Pressestaatsanwalt Michael Schwarz. Er zählt auf, welches Material die Ermittler alle untersucht haben.
10.21 Uhr: Darüber hinaus bestehe kein Grund, Ermittlungen gegen weitere Personen einzuleiten. Die betreffe insbesondere den damaligen OB Adolf Sauerland und Lopavent-Geschäftsführer Schaller.
10.20 Uhr: Ihre Mitwirkung war für die tödliche Menschenverdichtung nicht ursächlich, so Bien weiter. Sie hätten auch keinen Einblick in Planungsunterlagen gehabt.
10.19 Uhr: Wegen fehlenden Tatverdachts wurden die Ermittlungen gegen den Ordnungsdezernenten Wolfgang Rabe, leitende Mitarbeiter des Ordnungsamtes und des Bezirksamtes Mitte, den Polizeiführer und den Crowd-Manager eingestellt.
10.15 Uhr: Angeklagt sind drei städtische Mitarbeiter in leitender Funktion. Der für das Prüfungsteam zuständige Abteilungsleiter, die Amtsleiter Baurecht und Baudezernent Jürgen Dressler. Sie sollen das Prüfungsteam nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt haben, sonst wären die schwerwiegenden Planungsfehler erkannt und die Veranstaltung nicht genehmigt worden.
Schwerwiegende Planungsfehler
10.13 Uhr: Den städtischen Bediensteten des Amtes für Baurecht wird vorgeworfen, die Genehmigung für die Loveparade erteilt zu haben. Die Justiz sieht also schwerwiegende Planungsfehler. Die Loveparade sei so nicht genehmigungsfähig gewesen.
10.12 Uhr: Bei den vier Mitarbeitern der Lopavent handelt es sich um den Gesamtleiter, den Produktionsleiter, den Verantwortlichen für die Sicherheit sowie den technischen Leiter. Das von den Lopavent-Mitarbeitern geplante Zu- und Abgangssytsme auf der östlichen Rampe war nicht geeignet, die Besucher sicher auf das Veranstaltungsgelände zu führen. Zudem verengten zusätzlich aufgestellte Zäune die Rampe um mehrere Meter. Von gut 18 auf 11 Meter. "Deshalb musste es im Verlauf der Veranstaltung zwangsläufig zu lebensgefährlichen Situationen kommen." Selbst wenn die Zäune nicht da gewesen wären, wäre es gefährlich geworden, so die Erkenntnis der Ermittler.
10.11 Uhr: Angeklagt werden sechs Mitarbeiter der Stadtverwaltung Duisburg und vier der Lopavent. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung.
Chronik einer Katastrophe
10.08 Uhr: Eine persönliche Anmerkung von Horst Bien: "Am 24. Juli 2010 ist etwas geschehen, was nicht hätte geschehen dürfen. 21 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Den Opfern, Hinterbliebenden gehört unsere Anteilnahme und die Tragödie hat tiefe Spuren hinterlassen."
Wie konnte es zur Katastrophe kommen?
Hinter allem steht die Frage: Wie konnte es dazu kommen? "Wir mussten strafrechtlich aufklären und haben nicht nach politischer Verantwortung gesucht." Die Staatsanwaltschaft hätte lieber schneller Ergebnisse präsentiert, angesichts der Größe und Komplexität waren aber umfangreiche Ermittlungen erforderlich.
10.06 Uhr: Einzelheiten zu Beweismitteln wird es nicht geben. Die Pressekonferenz sei nicht dafür da, eine Beweisführung vorweg zu nehmen.
10.05 Uhr: Ganz kurz zum Ablauf: Horst Bien gibt zunächst eine Erklärung über die Verfahrensergebnisse ab. Dann wird Schwarz ergänzend zum Verfahren einige Details nennen. Danach sind Fragen zugelassen. Er bemerkt aber: Es ist ein laufendes Strafverfahren, es gilt weiterhin die Unschuldsvermutung für die Beschuldigten.
10.03 Uhr: Michael Schwarz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt die Journalisten. Nach ersten Tonproblemen beginnt er noch einmal von vorn. Er sagt, die Staatsanwaltschaft sei erfreut über das große Interesse der Öffentlichkeit an dem Loveparade-Verfahren.
Riesiger Aktenberg
10.02 Uhr: Alle drei Staatsanwälte sitzen an ihrem Platz. Gleich geht es wohl los.
9.59 Uhr: Die Fotografen positionieren sich direkt am Pult, an dem die Behörde gleich ihre Ergebnisse präsentiert. Noch sitzt hier aber niemand.
9.58 Uhr: Ein riesiger Aktenberg: Die Verfahrensakten umfassen 76 Bände mit mehr als 37.000 Seiten sowie 623 Sonderbände und Beweismittelordner. Würde man diese übereinander stapeln, wären es 50 Meter Höhe. Mit den Ermittlungen waren bis zu 96 Polizeibeamte, fünf Dezernenten und ein Abteilungsleiter der Staatsanwaltschaft befasst.
9.55 Uhr: Dreieinhalb Jahre haben die Ermittlungen, deren Ergebnisse gleich vorgestellt werden, gedauert. Die Ermittlungen zur Loveparade-Katastrophe sind eines der größten Todesermittlungsverfahren in der deutschen Justizgeschichte.
9.51 Uhr: Stellung nehmen zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft werden gleich Horst Bien, er ist Leiter der Staatsanwaltschaft Duisburg, Oberstaatsanwalt Michael Schwarz und Staatsanwältin Anna Christiana Weiler.
9.47 Uhr: Das Podium ist noch leer, die Kamera-Teams bauen ihre Technik im Saal auf. Hinter den schreibenden Journalisten steht eine Phalanx Kameras, momentan acht an der Zahl. Derzeit sind aber "nur" rund 50 Journalisten im Saal. Die Staatsanwaltschaft hatte die Pressekonferenz in die Rheinhausen-Halle verlegt, da sie mit bis zu 200 Berichterstattern rechnet.
9.45 Uhr: Willkommen beim Liveticker zur Pressekonferenz der Duisburger Staatsanwaltschaft.
Loveparade-Verfahren - Das geschieht bis zum Prozessauftakt
Gut dreieinhalb Jahre ist es her, dass bei der Massenpanik auf der Loveparade in Duisburg 21 Menschen um Leben kamen und Hunderte verletzt wurden. Nachdem die Staatsanwaltschaft Duisburg am 10. Februar ihre Ermittlungen abgeschlossen und Anklage erhoben hat, ist jetzt das Landgericht Duisburg Herr des weiteren Verfahrens.
Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts ist die 5. große Strafkammer unter Leitung des Vorsitzenden Richters Joachim Schwartz für das Verfahren zuständig. Im nunmehr beginnenden Zwischenverfahren wird die Anklageschrift zunächst den Beschuldigten und ihren Verteidigern zugestellt. Ist dies erfolgt, wird das Gericht Näheres zu den Beschuldigten und dem Inhalt der Anklage mitteilen.
Strafkammer prüft Zulassung der Klage
Im sogenannten Zwischenverfahren erhalten die zehn Beschuldigten dann Gelegenheit, sich zu den von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfen zu äußern. Schließlich prüft die Kammer, ob die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wird. Diese Prüfung wird angesichts des Umfangs an Akten vermutlich nicht in wenigen Monaten abzuschließen sein, erklärt Landgerichtssprecher Bernhard Kuchler. Sollte die Kammer das Hauptverfahren eröffnen, wird der Vorsitzende Entscheidungen über die Termine und den organisatorischen Ablauf der Hauptverhandlung treffen.
Der Vorsitzende Richter Joachim Schwartz
Joachim Schwartz ist Vorsitzender Richter am Landgericht Duisburg. Der erfahrene Vorsitzende wurde in Düsseldorf geboren und ist heute 58 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Der diplomierte Verwaltungswirt trat nach Studium der Rechtswissenschaft in Köln 1991 in den richterlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Jahre 1994 wurde Joachim Schwartz zum Richter am Landgericht Duisburg ernannt, im Jahre 2001 zum Vorsitzenden Richter am Landgericht Duisburg. Seit 1995 nimmt er Aufgaben im Strafrecht wahr. Nach seiner Ernennung zum Vorsitzenden Richter am Landge-richt führte er zunächst gut sieben Jahre eine kleine Strafkammer. Seit September 2008 ist er Vorsitzender einer großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg, die zugleich Schwurgericht ist.
Auf ein breites öffentliches Interesse stieß 2010 der „Rocker-Prozess“ gegen Timur A. vor dem Duisburger Schwurgericht unter der Leitung von Joachim Schwartz. Das Schwurgericht verurteilte den damaligen Angeklagten, ein Mitglied der Rockergruppe Hells Angels, wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren. Er hatte ein Mitglied der rivalisierenden Rockergruppe Bandidos auf offener Straße erschossen.
Aufgrund der hohen Zahl Verfahrensbeteiligter wird die Verhandlung sehr wahrscheinlich nicht im Landgerichts Duisburg durchgeführt werden. Selbst der größte Schwurgerichtssaal im zweiten Stock des historischen Justizgebäudes ist zu klein, um allen Prozessbeteiligten Platz zu bieten.
Da die Mercatorhalle direkt gegenüber des Gerichts wegen Brandschutzmängeln geschlossen ist, ist das Gericht seit längerem auf der Suche nach einem entsprechenden Saal/einer Halle für das lange Verfahren. Auch die Messe Düsseldorf ist im Gespräch. Sobald ein alternativer Ort für die Durchführung einer Hauptverhandlung feststeht, wird das Landgericht diesen mitteilen, so Kuchler.