Duisburg. . Im Inneren des Hebeturmes in Duisburg-Homberg war früher ein Aufzug für Eisenbahnwaggons. Gegen feste Brücken hatte das Militär einst Bedenken. Das Ruhrorter Gegenstück wurde 1971 abgerissen.
Den Namen muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Ruhrort-Crefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahngesellschaft war es, die 1854 bis 1856 am Homberger Rheinufer einen Turm errichtete, dessen Zweck heute nicht mehr recht ablesbar ist. Damals gehörte er zu einer Trajektanstalt, ein Begriff, der das Verständnis auch nicht erleichtert.
Doch versetzen wir uns in eine Zeit, als es noch keine Rheinbrücken gab, weil sie technisch sehr anspruchsvoll waren. Und vor allem auch nicht erwünscht. Denn bis weit ins 19. Jahrhundert hinein galt Militärs der Rhein als bestes Bollwerk gegen den Feind im Westen und jede Brücke mithin als gefährliches Einfallstor. Die Wirtschaft hingegen hatte andere Vorstellungen als die Generalität. An der Ruhr brummte der Bergbau, das schwarze Gold befeuerte Industrie und Eisenbahnwesen. Rechtsrheinisch war die Versorgung mit Kohle kein Problem, links des Stroms dagegen schon.
Womit der Gedanke nahe lag, die Schlagadern der Industrialisierung, die Eisenbahnen auf beiden Ufern, miteinander zu verbinden. Erste Idee: eine Fähre. An beiden Ufern, in Homberg wie in Ruhrort, wurde die heute noch bestehenden Eisenbahnbassins ausgebaggert. Über Rampen wurden die Waggons zur Fähre rangiert. 1855 wurden über 30 000 Waggon übergesetzt. Wie viele davon durch Kettenbruch und Trossenriss ins Wasser rollten, ist nicht überliefert. Und schon bald genügte auch die Leistungsfähigkeit nicht mehr.
Konkurrenz durch eine weitere Trajektverbindung
Womit die zweite Idee Gestalt annahm, die Trajektanstalt. Dazu wurden an beiden Eisenbahnhäfen Türme gebaut mit einem hydraulischen Innenleben, quasi einem Aufzug für Waggons. Die wurden vom Gleisniveau aufs Schiffsniveau gehievt oder umgekehrt. Ein Höhenunterschied von 8,50 Meter konnte überwunden werden – wichtig beim stark schwankenden Wasserstand des launischen Stroms. In besten Jahren wurden mehr als 100.000 Waggons „trajektiert“.
Bald erwuchs ein paar hundert Meter rheinauf Konkurrenz durch eine weitere Trajektverbindung bei Hochfeld – und dann geschah fast Revolutionäres im preußisch-geprägten Deutschland: Das Militär dachte neu nach. Und kam zu dem Ergebnis, dass der Bau von Rheinbrücken nicht zwangsläufig zum Untergang des Vaterlandes führen musste.
1874 war die Hochfelder Rheinbrücke fertig, weitere Stromquerungen folgten, die Trajektanstalt war bald von gestern. Der Ruhrorter Hebeturm wurde 1971 wegen angeblicher Baufälligkeit trotz Bürgerprotest abgerissen. Im Homberger Turm lebt und arbeitet heute der Künstler Willi Kissmer.