Duisburg. . Der ehemalige israelische Botschafter trat in Duisburg auf, um aus seinem Debütroman „Süß und ehrenvoll“ zu lesen. Viel lieber plauderte er jedoch über Randgeschichten, Persönliches und die Frage, warum er die Deutschen irgendwann doch mochte.

Vorsichtig nimmt er Platz im Wohnzimmer der Stadt, dem kleinen Saal in der „Säule“, der so intim ist, dass jeder Gast auf Tuchfühlung erlebbar ist. Mit einer Lesung aus seinem Debütroman wird der ehemalige israelische Botschafter Avi Primor angekündigt. Der aber reckt sich nur auf dem cremefarbenen Ohrensessel und sagt: „Nö.“ Scharfsinnig und lebensklug wie er ist, hat Primor etwas noch Interessanteres im Gepäck – nämlich die Randgeschichten hinter seinem Roman, die Anekdoten, auch die schlimmen, ohne die „Süß und ehrenvoll“ nie hätte zu Papier gebracht werden können.

Behutsam gelenkt durch Schauspielchef Michael Steindl berichtet Primor vom anfänglichen Selbstzweifel, etwas anderes zu schreiben als die pointiert-furchtlosen Sachbücher, für die er bekannt ist. „Auch beim Thema Erster Weltkrieg war ich zunächst skeptisch“, erinnert er sich, „alles was mit dem Ersten Weltkrieg zu tun hat, wird ja eigentlich vom zweiten überschattet.“

Erstlingswerk auf hebräisch verfasst

Doch als Avi Primor ausgerechnet in Jerusalem auf Tausende Briefe der deutschen Feldpost stößt, braucht er nicht lange, um das Gerüst für eine Erzählung zu zimmern. „Im Leo-Baeck-Institut lagerten ungezählte Akten, die Anfang der dreißiger Jahre eingewanderte Juden aus Deutschland mitgebracht haben“, so der Autor über den Fund, „ihre Kinder wussten mit den verstaubten Papieren nichts anzufangen und hatten sie abgegeben.“ Für Primor ein unglaublicher Schatz. Hier konnte er etwa lernen, dass Juden so enthusiastisch für Deutschland oder Frankreich in den Krieg zogen, weil sie sich Anerkennung erhofften. Ein Wunsch, der sich freilich nie erfüllte. Stimmung und Schinderei in den Schützengräben, konserviert durch die Feldpost, hat Primor in die Hauptfiguren – zwei zunächst verfeindete, jüdische Soldaten – einfließen lassen. Die Absurdität des Krieges, ihr Ringen um Zugehörigkeit, aber auch die erste Liebe sind Hauptthemen von „Süß und ehrenvoll“. Verfasst hat der Autor sein Erstlingswerk, wie er verrät, handschriftlich und auf hebräisch.

Debütroman erzählt von zwei Juden im Krieg

Avi Primor war von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Deutschland. Seine Mutter ging 1932 von Frankfurt nach Tel Aviv, ihre gesamte Familie wurde während des Holocausts ermordet. Primor leitet heute einen trilateralen Studiengang für israelische, palästinensische und jordanische Studenten in Israel. „Süß und ehrenvoll“ ist sein Debüt-Roman.

In „Süß und ehrenvoll“
trifft der Bürgersohn und deutsche Soldat Ludwig auf den Bäckerssohn und französischen Soldaten Louis. Inmitten der Grauen des Ersten Weltkriegs werden die beiden jüdischen Protagonisten einander zum Schicksal werden. Primor hat den Roman auf der Grundlage zahlreicher historischer Dokumente geschrieben.

Zum Schluss gewährt er dem vollen Wohnzimmer einen Blick in seine eigene Lebensgeschichte, berichtet, wie er vom Vermeider alles Deutschen zum Freund wurde, wie sehr ihn die 68-er, die ihre Eltern für die Nazi-Herrschaft zur Rechenschaft gezogen haben, mit Deutschland versöhnt haben: „Es war das Ende der Verdrängung, danach konnte man miteinander reden.“ Heute freue er sich, dass Israel und Deutschland ein freundschaftliches Verhältnis hätten, eines, „das auch Kritik verträgt“.