Der Umzug der Landesarchivs hat begonnen. Seit vergangener Woche werden an den bisherigen Standorten in Düsseldorf und in Brühl die Kisten gepackt und diese per Lkw zum neuen Standort an der Schifferstraße im Duisburger Innenhafen verfrachtet.
Die Voraussetzungen
Ein Umzug ist stets die beste Gelegenheit, um auszumisten und sich von überflüssigem Krempel zu trennen. Zudem geht unterwegs so manches Teil verloren oder kaputt. Wenn aber ein Archiv sein Domizil wechselt, gelten andere Spielregeln: Hier soll und darf kein einziges Exemplar der Millionen Blätter, Akten und Urkunden verloren gehen. „Es ist einer der größten Umzüge in der Geschichte des deutschen Archivwesens. Die Vorbereitungen darauf laufen seit 2008. Auf uns wartet eine logistische Herausforderung von riesigen Ausmaßen“, erklärt Dr. Frank Bischoff, Leiter des Landesarchivs.
Die Vorbereitungen
Düsseldorf, Ortsteil Golzheim. Hier an der Mauerstraße ist einer von insgesamt sechs Standorten, in denen bisher der Landesarchivbestand der Abteilung Rheinland untergebracht war – drei davon in Düsseldorf, drei in Brühl. Dieses fast unendliche Meer aus Material soll nun zentral am neuen Standort in Duisburg eingelagert werden. Um bei dieser Masse nicht die Orientierung zu verlieren, bedurfte es vorm Umzug einer exakten Planung.
So wurde auf ellenlangen Listen festgelegt, welcher Archivbestand künftig an welcher Stelle in Duisburg seinen Platz einnehmen wird. Auf einem Aufkleber, der deutlich sichtbar an jeder der Holzkisten prangt, ist mit einer Ziffernfolge das Gebäude, die Etage, das Magazin und sogar das genaue Regal festgelegt, wo das Material einsortiert werden soll.
Der Transport
Jede vollgepackte Holzkiste wird vor dem Abtransport noch mit Klarsichtfolie umwickelt, so dass nichts herausrutschen kann oder verschmutzt wird. Auf Rollbrettern schieben die 20 Mitarbeiter der ausgewählten Spedition die wertvolle Fracht zur Rampe des Gebäudes, vor der ein Lkw mit offener Ladeklappe parkt. Neben den Holzkisten kommen auch so genannte Klimakisten zum Einsatz. „Die sind für Luftbilder und unsere 70.000 Urkunden“, erklärt Günter Drögeler, Abteilungsleiter Zentrale Dienste im Landesarchiv. Auf die besonders alten und sehr wertvollen Archivalien – so genannte Zimelien – wird natürlich besonders geachtet.
Die Schätze
Die originale Heiratsurkunde von Heinrich VIII. mit Anna von Kleve aus dem 16. Jahrhundert? Gehört zum Landesarchivbestand! Die beurkundete Steuerbefreiung der Abtei Kornelimünster bei Aachen aus dem 9. Jahrhundert? Ebenfalls! Gedruckte, einmalige Schätze wie diese sind es, die von den 80 Archivaren im Alltag nur mit Baumwollhandschuhen angefasst werden dürfen. Ein Umzug stellt gerade für diese Uralt-Dokumente immer eine extreme Beanspruchung dar.
Der Abschied
Eine Veränderung ist für manche Menschen grundsätzlich mit negativen Gefühlen verbunden. „Und als wir von den Umzugsplänen hörten, war die Skepsis in der Belegschaft zunächst sehr groß“, gibt Günter Drögeler zu.
Zum einen würde mit dem Umzug nach Duisburg die Nähe zu den NRW-Ministerien und der Staatskanzlei in Düsseldorf verloren gehen, die alle regelmäßig archivwürdiges Material nachliefern. „Fast alle Mitarbeiter hatten sich zudem privat in der Nähe ihres Arbeitsplatzes in Düsseldorf oder Brühl eingerichtet. Auf sie wartet nun ein längerer Anfahrtsweg – oder sogar ein Umzug“, weiß Drögeler.
Die Vorfreude
Die anfängliche Skepsis ist längst einer Vorfreude auf die neue Heimat gewichen. „Ich habe dieses Gebäude hier mit wachsen gesehen“, so Drögeler. „Und wir sind sehr zufrieden, was hier entstanden ist.“ Landesarchiv-Leiter Bischoff ergänzt: „Das Gebäude ist architektonisch sowie von der Innenausstattung her bemerkenswert. Alles hier ist heller, luftiger, freundlicher.“ Das sehen auch die Mitarbeiter so. Als sie erstmals ihre neuen Büros gezeigt bekamen, sei gleich eine Aufbruchstimmung zu spüren gewesen. „Hier zieht ein guter Geist mit ein“, ist sich Drögeler sicher. Das sei die beste Voraussetzung für einen perfekten Neustart.
Das Auspacken
Zehn bis zwölf Lkw erreichen pro Tag die Schifferstraße, wo an einem Rolltor die Auspacktruppe wartet. Die Holzkisten werden mit Rollbrettern zu den beiden Aufzügen gefahren, die sich im Bauch des markanten, kupferroten Archivturms befinden. Unser erster Halt: siebte Etage. Insgesamt gibt es 19. In den unteren werden aus Statikgründen die schwereren Materialien archiviert.
Landesarchiv Duisburg
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Je weiter es in Richtung Dach (auf 70 Metern Höhe) geht, je leichter sollte auch die Beschaffenheit der Archivalien sein. Hier sorgt eine Belüftungsanlage (keine Klimaanlage!) für konstant 18 Grad Temperatur und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit – ideale Bedingungen für Archivalienlagerung. „Es gibt aber auch noch das Ein-Grad-Magazin, das unter den wellenförmigen Gebäudeteil gebaut wurde“, sagt Drögeler. Dort finden Tonbänder, Filme, aber auch besagte Archiv-Schätze ihre niedrig temperierte Unterkunft.
Das Fazit
„Das alles ist eine ganz schöne Strapaze“, sagt Tanja Priebe, Archivarin und eine der Umzugskoordinatorinnen. „Aber so ein Archivumzug kommt nur alle 40 Jahre einmal vor. Es ist spannend und toll, dass selbst einmal miterlebt zu haben.“
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