Duisburg. Duisburger Chemiker und Direktor des Nano-Energie-Technik-Zentrums erhält den Leibniz-Preis. 2,5 Mio Euro Fördergeld sollen Hochleistungsforscher von Verwaltungsaufgaben entlasten. Schulz träumt davon, eine alternativen, weniger schädlichen Kraftstoff zu entwickeln.

Er fährt mit der Bahn zum Campus, trägt Jeans, T-Shirt, einen Rucksack und sieht aus wie ein typischer Student. „Es stört mich überhaupt nicht, unterschätzt zu werden“, sagt Christof Schulz, „Starallüren sind immer verdächtig und durchschaubar.“ Dabei hätte der Professor jeden Grund zum großen Auftritt: Ihm wird der wichtigste und mit 2,5 Millionen Euro höchst dotierte deutsche Forschungspreis verliehen. Aber kann der Star-Tüftler auch Laien erklären, was es mit seiner berühmten Nanopartikelsyntheseanlage auf sich hat?

Er kann es, und nicht nur das. Schließlich geht er ständig mit der etwas undankbaren Situation um, dass seine Arbeit fürs bloße Auge unsichtbar und deshalb besonders erklärungsbedürftig ist. Schulz’ ist Dompteur der winzigsten Winzlinge in der Teilchenwelt. Als Direktor des Nano-Energie-Technik-Zentrums (NETZ) sind die kleinsten Einheiten der Dinge seine Expertise. So klein sind sie, dass man sie sich kaum vorstellen kann: „Ein Nanometer verhält sich zu einer Orange wie ein Fußball zur Erde“, sagt Schulz. Das Besondere: Im Nanobereich verändert die Welt ihre Eigenschaften. „Eisen etwa ist im Nanobereich nicht hart und stabil, sondern so reaktiv, dass es sich selbst entzündet“, sagt der Forscher, „Gold wird in der Nanodimension ist auf einmal rot.“

Rußpartikel bei Verbrennungsprozessen in Motoren

Christof Schulz hat überhaupt erst die lasertechnischen Messverfahren entwickelt, die heute genau entschlüsseln, wie sich zum Beispiel unerwünschte Stickstoff- und Rußpartikel bei Verbrennungsprozessen in Motoren verhalten. Zu der Frage hat der Chemiker in Heidelberg promoviert und schon da die Nähe zur Praxis gesucht: Nur an der Schnittstelle zur Industrie, zum Beispiel in den Labors von Daimler, kann Grundlagenforschung auch angewandt werden.

Diesen Kurs setzt der 46-Jährige auch mit seinem Netz-Zentrum auf dem Campus Duisburg vor: In dem 2013 eröffneten Bau mit seinen Labors und Produktionsstätten kann das 50-köpfige Team rund um Schulz Nanomaterialien selbst synthetisieren und bis zum fertigen Bauteil maßschneidern. Aus Siliziumpartikeln werden so Batteriespeicher. Da beginnt für Schulz die Herausforderung: „Wie bekommen wir in Batterien zwei, drei Mal mehr Energiemenge? Macht es die Energiegewinnung effizienter, wenn wir dunkles Silizium auf Photovoltaik-Zellen auftragen?“ In seinen Labors kann er die Fragen vor Ort bis zum Ende der Prozesskette testen.

Einen alternativen Brennstoff entwickeln

In den Winzlingen sieht Schulz die großen Antworten. Er träumt davon, mit seiner Forschung einen alternativen Brennstoff zu entwickeln und anwendungsbereit zu machen, der Kohle und Erdöl ersetzen könnte. Und er ist sich ziemlich sicher, dass sich ein Material finden lässt, dass Windkraft zu Kraftstoff umbaut und so lange speichert, bis sie tatsächlich gebraucht wird. „Batterien reichen nicht“, sagt Schulz, „wir müssen dazu eine chemische Form finden.“ Am liebsten wäre ihm freilich, dass diese Aha-Effekte in seinem Duisburger Labor passieren.

Die 2,5 Millionen Euro Preisgeld, die in Anerkennung von Schulz’ akademischer Leistungen fließen, helfen auf dem langen Weg dorthin nur kurz. „Es klingt nach einer hohen Summe“, sagt der Forscher, „aber deckt unser Budget nur für ein halbes Jahr.“ Zum Vergleich: Für das 2013 eröffnete Netz-Gebäude musste der Direktor satte 43 Millionen Euro einwerben. Trotzdem ist der gebürtige Karlsruher dankbar für die Finanzspritze. Müsste er das Preisgeld bei Förderern einwerben, würden viele Stunden fürs Schreiben von Anträgen draufgehen – Zeit, die er doch lieber in die Sache investiert.

Ein willkommenes Qualitätssiegel

„Wichtiger ist es, dass der Leibniz-Preis unsere Sichtbarkeit und Reputation steigert“, sagt Schulz, „mit dem Preis hat man in der akademischen Welt einfach weniger Gegenwind.“ Auch für eine relativ neue Universität wie Duisburg-Essen sei der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ein willkommenes Qualitätssiegel von international vergleichbarem Rang – schließlich stehen ältere Unis oft nur deshalb in besserem Ruf, weil sie viele Dekaden mehr Zeit hatten, derlei Lorbeeren zu sammeln.

Längst sind die Doktoranden- und Lehrstuhljobs am Netz-Zentrum auch bei Forschern aus dem Ausland höchst begehrt. Mancher Deutsche ist gar von renommierten Elite-Unis aus den USA zum Arbeiten in Schulz’ Wirkungskreis gezogen. Der gebürtige Karlsruher, der ebenfalls schon Arbeitsphasen in Kalifornien absolviert hat, kennt beide Systeme. Und steht selbstbewusst hinter dem Forschungsstandort Deutschland: „Eine gut ausgestattete Professur steht der an US-Unis in nichts nach. Hierzulande funktioniert zudem der Austausch zwischen Industrie und Forschung viel besser als anderswo.“ Wenn Workaholic Schulz („Ich wäre verloren, wenn die Supermärkte nicht bis 22 Uhr geöffnet hätten.“) nicht gerade Meisterleistungen im Reich der kleinsten Teilchen hinterher spürt, fotografiert und wandert er. Er spielt Klavier und Flöte – auch das übrigens so gut, dass er sich nach der Schule überlegt hatte, professionell Musik zu machen.

2,5 Millionen Euro dotierter Leibniz-Preis

Einen Smoking für öffentliche Auftritte würde er als Musiker wahrscheinlich längst besitzen. So aber wird der Chemiker den mit 2,5 Millionen Euro dotierten Leibniz-Preis am 12. März in Berlin in einem ganz normalen Anzug entgegennehmen. „Smoking passt nur zur Nobelpreis-Verleihung“, so Schulz kategorisch. Klingt ganz nach einem neuen Ziel.