Duisburg. .
In der Fahrschule von Andrea Bahr erwischt man die Chefin gerne mal beim Brötchenschmieren. Gleich hat der Führerschein-Intensivkurs seine frühmorgendlichen Theorie-Stunde abgeschlossen. Dann wird gegessen. Nicht im Stehen oder in einem kargen Unterrichtsraum, sondern in einer der vielen gemütlichen Ecken des Fahrschulhauses. Denn die Fahrschule im Eckhaus an der Düsseldorfer Landstraße verfügt über eine geräumige Terrasse, einen großen Garten und ein Speisezimmer in der ersten Etage.
Andrea Bahr, die auch im Fahrlehrerprüfungsausschuss in Köln tätig ist, spricht dann gerne von einer „Wohlfühl-Atmosphäre“, die in ihrem Hause spürbar sein soll. Und davon, dass die alteingesessenen Vorstellungen von Fahrschulen längst nicht mehr zeitgemäß seien. Die Huckingerin versucht deshalb ihre Fahrschule auch für diejenigen zu öffnen, die bereits im Besitz eines Führerschein sind. Und spricht damit Frauen an, die Probleme und Ängste bei der Fahrt im Auto haben. So wurde die Idee der „Frauenfahrschule“ geboren.
Sie wollen Duisburgs erste Frauenfahrschule eröffnen?
Andrea Bahr: Der Begriff „Frauenfahrschule“ ist eigentlich nicht ganz richtig. Ich möchte nicht, dass künftig nur noch Frauen in meinen Kursen sind. Vielmehr handelt es sich dabei um ein zusätzliches Kursprogramm. Ein Konzept, das Frauen Situationen während des Autofahrens erleichtern soll. „Von Frau zu Frau“ trifft es also viel besser.
Und was wollen Sie den Fahrerinnen beibringen?
Bahr: Es gibt eine großen Anzahl von Frauen, die zwar ihren Führerschein gemacht haben, dann aber über Jahre nicht mehr am Steuer eines Pkws gesessen haben. Gerade bei den älteren Generationen war es doch so: Der Mann fuhr, die Frau saß auf dem Beifahrersitz. Wenn nun aber der Ehepartner, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr fahren kann, möchte ich diesen Frauen helfen, wieder sicher mit dem Auto unterwegs zu sein.
Richtet sich Ihr Angebot also nur an ältere Wiedereinsteiger?
Bahr: Nein. Auch jungen Frauen möchte ich helfen. Es vergeht eigentlich keine Woche, in der ich nicht darauf angesprochen werde, bei einem Problem zu helfen. Erst vor kurzem kam eine 25-jährige Frau zu mir, die traute sich einfach nicht auf eine Autobahn aufzufahren. Ich habe dann eine Proberunde mit ihre gemacht und versucht, ihr Problem zu erkennen. Als Fahrlehrerin habe ich verschiedenste Register, die ich in solchen Fällen ziehen kann. Vom Psychologen bis zu der richtigen Fachliteratur. Ich möchte diese Einzelfälle nun als Anlass nehmen, ein regelmäßiges Kursangebot anzubieten.
Wie viel Ihrer Arbeit machen solche Fahrhilfen bereits aus?
Bahr: Noch ist es ein geringer Teil. Die Frauen fragen bei mir nach und ich mache dann ein Übungsstunde mit ihnen. Vielen ist wahrscheinlich gar nicht klar, dass sie mit solchen Problemen jederzeit zu einem Fahrlehrer kommen können. Die Kurse sollen das noch einmal unterstreichen.
Was sollen das für Kurse sein?
Bahr: Ich denke dabei etwa an Angstseminare, über Kurse, die Frauen das technische Know-How noch einmal vermitteln sollen. Aber auch über Übungsstunden, die das richtige Verhalten bei einer Autopanne aufzeigen. Dabei sind das alles Kurse, die bestimmt auch viele Männer noch einmal machen könnten. Denn auch, wenn man seinen Führerschein hat, ist es niemals verkehrt noch etwas dazu zu lernen. Nirgends steht geschrieben, dass man nicht noch besser in etwas werden darf.
Was meinen Sie genau damit?
Bahr: Wenn ich Menschen erzähle, was ich beruflich mache, dann denken viele an ihre Fahrschulprüfung. Das ist aber ihre letzte Erinnerung an die Fahrschule. Ich sage mittlerweile absichtlich nicht mehr, dass ich Fahrlehrerin bin, sondern Leiterin eines Fahrschulhauses. Fahrschulen müssen weg von der Vorstellung, dass sie nur für den Führerschein oder die Punkteabbaukurse zuständig sind. Das bleibt auch überhaupt nicht aus, alleine schon, wenn man den demografischen Wandeln berücksichtigt und sich klar macht, dass dadurch immer weniger Menschen einen Führerschein machen werden.
Dennoch zielt ihre Idee besonders auf Frauen ab. Wie kamen Sie darauf?
Bahr: Ein Kollege von mir hat das Konzept „Von Frau zu Frau“ in seiner Münchener Fahrschule etabliert. Dort kommen die unterschiedlichsten Fahrerinnen zusammen und belegen das Kursprogramm. Darüber hinaus gibt es ein wöchentliches Treffen, in dem zunächst rein über Autothemen, später aber auch über viele andere Dinge gesprochen wurde. Genau so etwas möchte ich auch anbieten. Denn schon jetzt ist ein großer Teil meiner Fahrschüler und Aufbaukursteilnehmer weiblich.
Noch einmal zurück zu den Kursen: Wie genau wollen Sie den Frauen helfen?
Bahr: Das kommt immer auf den Fall an: Aber jeder von uns hat sein „inneres Kind“, etwas, das uns beschäftigt und somit ein Problem, was gelöst werden kann. Eine junge Fahrschülerin von mir war zum Beispiel immer eine total fröhliche Frau. Bis zum Moment ihrer Fahrprüfung. Ich habe sie dann zu einer Heilpraktikerin geschickt, die hat eine Hypnosetherapie mit ihr gemacht. Und meist geht es schon viel einfacher, denn bei vielen fehlt einfach nur das richtige Selbstwertgefühl.
Wieso das?
Bahr: Ich habe manchmal das Gefühl, dass in Deutschland immer alles zu negativ gesehen wird. Wenn ich Fahrschüler nach der Stunde frage, wie er sie fand, zählen sie nur negative Dinge auf. Auch als Fahrlehrer kann man nur meckern, aber diese „Backpfeifen“ sind Quatsch. Vielmehr müssen wir trainieren, die positiven Dinge zu finden und zu verstärken.
Das wiederum klingt nicht nach einem reinen Frauenproblem.
Bahr: Ist es auch nicht. Von daher: Auch alle Männer sind herzlich eingeladen ihre Fahrkünste zu verbessern.