Bochum. In der Fahrschule das letzte Mal einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht? Die Angst, am Unfallort als Helfer etwas Falsches zu tun, ist bei vielen Menschen groß. Doch: Nichts ist schlimmer, als nichts zu machen. Ein Mediziner zeigt die wichtigsten Handgriffe.

Ärzte fordern, dass in regelmäßigen Abständen jeder sein Erste-Hilfe-Wissen auffrischen sollte. „Auch online gibt es mittlerweile gute Portale, die sehr plastisch das Wissen vermitteln“, rät Jan Florian Heuer, Chefarzt der Anästhesiologie am Augusta Krankenhaus Bochum. Heuer ist Experte in Sachen Notfallmedizin: Jahrelang flog und fuhr er erst als Rettungsassistent und später als Notarzt in Göttingen mit den Rettungskräften mit.

1. Die ersten Maßnahmen

Reaktionskontrolle – Um Hilfe rufen – Atemwege freimachen – Notruf: Die Person ansprechen, ein wenig rütteln oder kneifen. Reagiert sie nicht: Personen im Umkreis herbeirufen und deutlich sagen, dass sie kurz warten sollen. Eine zweite Person ist immer sinnvoll, damit einer den Notruf 112 absetzen kann – und danach bei der eventuellen Reanimation hilft. Zu zweit ist sie nämlich effektiver. Den Kopf des Bewusstlosen nach hinten überstrecken, um die Atemwege freizumachen. Den Notruf 112 absetzen – oder vorher schon von anderen rufen lassen.

Atemkontrolle: Dann überprüft man die Atmung – und für Geübte, den Puls. „Am einfachsten ist es aber, das Ohr an den Mund der Person zu halten und den Brustkorb zu beobachten“, sagt Jan Florian Heuer. Dabei ist es wichtig, nicht länger als zehn Sekunden zu hören/fühlen, ob der Betroffene normal atmet. Nach einem Kreislaufstillstand ist es möglich, dass die Person noch vereinzelte, langsame Atemzüge macht. Bei Zweifeln, was noch „normal“ ist, gilt: So handeln, als sei die Atmung nicht normal.

Atmung ist da: Wenn eine Atmung da ist, Patienten in die stabile Seitenlage bringen: Dazu den Arm nach außen in den rechten Winkel nach oben legen. Den anderen Arm vor der Brust kreuzen und den Handrücken an die Wange legen. Das von einem entfernte Bein hochziehen, dort greifen und auf die Seite den Betroffenen zu sich rollen. Wichtig: Den Kopf überstrecken und den Mund öffnen, damit bei Erbrechen, die Atemwege frei bleiben und die Zunge bei eintretender Bewusstlosigkeit nicht nach hinten rutscht.

2. Wiederbelebung

Fremdkörper im Mund? Wenn bei der Person keine Atmung vorhanden ist, wird sofort mit der Wiederbelebung (Reanimation) begonnen und überprüft, ob sichtbar Erbrochenes oder ein Fremdkörper im Mund ist. Wenn ja: mit den Fingern herausnehmen.

Dann geht es mit der Reanimation los: Im Erste-Hilfe-Kurs lernte man früher noch die Rippen abzuzählen: „Das kostet den Laien wertvolle Zeit und schreckt ab, weil er denkt, dass er sonst etwas falsch macht.“ Einfacher sei es, in der Mitte des Brustkorbes, untere Hälfte des Brustbeins anzusetzen. Einen Handballen auf den Brustkorb legen, die andere Hand darüberlegen und mit durchgesteckten Armen und „vollem“ Körpereinsatz 30 Mal drücken – mindestens fünf Zentimeter tief. Nach jedem Stoß den Brustkorb entlasten – aber ohne die Hände ganz vom Brustkorb zu heben.

Danach folgt die Beatmung immer zwei Mal. „Mund-zu-Mund ist sinnvoller als Mund-zu-Nase“, so Jan Florian Heuer. Dazu die Nase zuhalten, sonst kommt die Luft nicht in der Lunge an. Zu stark Pusten sollte man nicht, nur so viel, dass sich der Brustkorb ruhig hebt und senkt. Dafür den Brustkorb immer im Blick haben. Falls die Hemmschwelle zu groß ist, weil der Betroffene am Mund blutverschmiert ist oder sich erbrochen hat, kann man auch eine reine Herzdruckmassage machen – oder besser die Mund-zu-Nase-Beatmung durchführen.

Auch wenn der Patient wieder atmet und einen Rhythmus hat, trotzdem die Herzdruckmassage noch etwa zwei Minuten weiterführen.Atmet die Person wieder selbstständig und bleibt stabil, sollte man sie in die stabile Seitenlage bringen (Beschreibung oben).

3. Richtig helfen

Unfall mit Motorradfahrer: „Der Helm muss ab“, sagt Jan Florian Heuer. Sonst droht Erstickungsgefahr. Am besten zu zweit abnehmen, um den Hals möglichst stabil zu halten.

Im Auto eingeklemmt: Rautekgriff – Arme unter die Achseln durchschieben einen Unterarm der Person greifen und im rechten Winkel vor die Brust legen. Den Arm mit beiden Händen umklammern, Unfallopfer auf einen Oberschenkel ziehen und wegschleppen.

Fremdkörper in der Luftröhre: „Den Heimlich-Griff (Griff von hinten um den Brustkorb) empfehle ich nicht so sehr, weil er relativ kompliziert ist und es zu Verletzungen der Speiseröhre kommen kann“, sagt Heuer. Besser wäre es, die Person mit dem Oberkörper nach vorne zu beugen und vier bis fünf Mal kräftig zwischen die Schulterblätter zu klopfen.

Verbrennungen: Bei großflächigen Verbrennungen mache es keinen Sinn, so Heuer, lange Zeit (20 Minuten) zu kühlen. Vor allem, wenn Zeit verstrichen ist. „Die Gefahr der Unterkühlung ist zu groß – vor allem für Kinder.“

Menschen unter Alkohol- oder Drogeneinfluss: „Ich habe in meiner Laufbahn oft erlebt, dass stark Alkoholisierte zum Ausnüchtern ohne weitere Beobachtung ,abgelegt‘ werden“, erzählt Heuer. „Tragisch, wenn nur wegen der falschen Lagerung Menschen zum Pflegefall werden oder sterben, weil Schutzreflexe unter Drogen und Alkohol ausgeschaltet sind.“ Deswegen gilt: Kopf überstrecken, in die stabile Seitenlage bringen und bei starker Beeinträchtigung unbedingt die 112 wählen.

Bei Blutungen: Den Körperteil mit der Verletzung hoch lagern und abbinden – oder mit dem Finger abdrücken, damit die Blutung gestillt wird. Um einen Schock zu vermeiden, den Betroffenen hinlegen.

4. Weitere Tipps

Es gibt Beatmungstücher (ab ca. 2 Euro, praktisch: am Schlüsselbund) im Handel (z.B.: www.erstehilfe-shop.com, www.medicounter.de) – damit umgeht man hygienische Bedenken.

Bei der Herzdruckmassage auf einen harten Untergrund achten. Auf einer Matratze, die nachgibt, kommt nicht genügend Druck auf dem Brustkorb an.

Das Lied „Staying Alive“ von den Bee Gees hat im Refrain genau den Takt von Druckmassage und Beatmung (100 Mal Kompression pro Minute).

Wenn es knackt, also eine Rippe bricht, „was bei älteren Menschen schnell passiert“, so Heuer, weitermachen! Dem Rettungsdienst Bescheid sagen, dann wird im Krankenhaus geröntgt.

Ist ein externer Defibrillator (Schockgeber) in der Nähe – holen lassen. Eine schnelle Defibrillation erhöht die Überlebenschance bei gestörter Herzfrequenz.

Ausrüstung, die in jede Tasche passt: Einmalhandschuhe (ruhig größer kaufen, weil man sie dann schneller überstreifen kann), Beatmungsröhrchen mit Ventil und Sekretfilter, Händedesinfektionsmittel.