Duisburg. Von Pipi-Problemen bis zu Spezialaufträgen von Professoren: Am Infoschalterder Universitätsbücherei helfen Humor und Detektiv-Talent. Historische Schätze schlummern im Keller

So gastfreundlich und großzügig geht es wohl an keiner anderen Pforte der Stadt zu: Über zwei Millionen Mal im Jahr surrt die Glastür zur Unibibliothek auf und zu, ohne effektheischendes Gebimmel, ohne goldene Türknäufe, mit denen sich Wissenspaläste anderswo schmücken. Täuschen lassen darf man sich von dem sachlichen Ambiente jedoch nicht: Im Keller schlummert mancher Schatz, und den Schlüssel hierfür hütet Sigurd Praetorius.

Am Empfang kennt man sie alle: Die Erstsemestler, die das Klo inmitten von 19.000 Quadratmeter Büchern nicht finden, die Professoren mit den dezidierten Fragen, denen ein papierenes Meisterwerk auf ewig verborgen bliebe, würde sich nicht der nette Mensch am Infoschalter ihres Suchauftrages annehmen. Ein Job, der alles andere als staubtrocken ist, wie Praetorius und Mitarbeiter Klaus Rosenkranz amüsiert erzählen: „Eine Buchanfrage erreichte uns per Post, adressiert an den ,Sehr geehrten Herr Gerhard Mercator’.“ Der ursprüngliche Namenspate der Uni ist freilich schon seit 1594 tot. Beantwortet wurde der Suchauftrag dann trotzdem.

Das Reich der großen Gedanken steht fast immer und fast allen offen

An der Pforte der Unibibliothek weiß man natürlich den Liedbeginn „Macht auf die Tür“ durch das folgende „hoch und weit“ zu ergänzen: Es könnte nämlich das Arbeitsmotto der Mitarbeiter sein.

Der Bücherpalast steht auch jenen offen, die keine Studenten sind. 9300 Bürger stöberten 2011 durch die Regale, über 3000 wissbegierige Schüler kommen jährlich hinzu. An 348 Tagen ist das Reich der Gedanken geöffnet, wochentags für Nachteulen bis 22 Uhr.

Auf zehn Etagen erstreckt sich das Reich des Wissens, gepresst zwischen fünf Millionen Buchdeckel. Bis auf wenige Ausnahmen, und darauf ist man in der Uni-Bücherei besonders stolz, sind alle Werke für Studenten frei zugänglich. Nur die kostbaren Prachtschinken sind im Keller unter Verschluss - sie müssen bestellt und dürfen nur im Lesesaal durchblättert werden.

Wenig Platz für Sentimentalität

Sigurd Praetorius angelt sich den mit Kette gut gesicherten Schlüssel für das Raritäten-Archiv, Zimmer -205a, aus der Hosentasche und schreitet voran. Wo im Erdgeschoss längst die digitale Revolution übernommen hat, schlägt Besuchern hier im Bibliothekskeller der altmodische Muff der analogen Ära entgegen.

Vorsichtig holt der Direktor ein kunstvoll in Leder gebundenes, mit goldener Schrift gegerbtes Werk aus den Regalen hervor. „Anfangsgründe der metallurgischen Chimie“ liest er den Titel vor, gedruckt 1750. Ein Universallexikon aus der Zeit vor Wikipedia steht daneben: 1652 wurde es in Paris gedruckt, bevor Gelehrte es nach Duisburg brachten. Praetorius’ persönlicher Favorit: ein dünner Band mit uralten, amerikanischen Zirkuspostern - dank guter Lagerung unvergilbt und selbstredend ohne Eselsohren.

Von 1750: Studium, ganz analog.
Von 1750: Studium, ganz analog. © WAZ FotoPool

Ansonsten ist für Sentimentalität an der Pforte zum Wissen wenig Platz: Seine Arbeit beschreibt der Bibliotheksdirektor als „Managementjob wie jeden anderen auch.“ Kollege Rosenkranz, tagtäglich umgeben von Tonnen und Tonnen bedrucktem Papier, entspannt sich nach Feierabend trotzdem trotzdem gern – mit Papier. „Harte Fakten“ sind sein Steckenpferd, nach Schichtende an der Informationstheke stöbert er am liebsten durch Biografien und Literaturgeschichte. Aber erst dann. Denn: „Lesen im Dienst, das wäre hier tödlich.“