Duisburg. Die Eschen in Duisburg haben es nicht leicht: Ein eingeschleppter Parasit, “Falscher Stengelbecherling“, befällt die Laubbäume und lässt sie früher oder später sterben. Da es kein Gegenmittel dagegen gibt, hofft man, dass befallene Triebe eine Resistenz gegen den Angreifer entwickeln.
Wieder einmal ist es der unbedachte Mensch, der einem Stück Natur den Gar ausmacht: Ungewollt und unbemerkt hat sich eine Pilzart aus dem Baltikum über die hiesigen Waldbestände ausgebreitet. Besonders schmackhaft für den Parasiten: die Esche. Eingeschleppt durch befallene Containerpflanzen, nahm der „Falsche Stengelbecherling“ seinen Weg über die Grünabfälle und landete schließlich im Stadtwald. Viele Eschentriebe sind bereits befallen und sterben ab. Denn die Pflanze kommt mit dem eingeführten Parasiten nicht zurecht. Und einfach wieder loswerden kann man den Pilz nicht. Stefan Jeschke, Förster im Bezirk Mitte/Nıord: „Die Sporen sind winzig klein und verbreiten sich rasendschnell durch die Luft. Da gibt es kein Mittel gegen.“ Sind es bislang meist jüngere Bäume die befallen sind, wird es auch bei den ausgewachsenen Eschen nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie ebenfalls befallen sind.
Nur wenige Meter vom Forsthaus Aktienberg im Duisburger Wald weist Stefan Jeschke auf einen verdorrten Zweig, in seiner Mitte ist er gelblich verfärbt: „Hier hat sich der Pilz bereits in den Blattstiel eingenistet.“ Für den Esche heißt das, dass sie früher oder später ganz absterben wird.
25 Hektar Waldfläche in den Duisburger Wäldern
Das gleiche gilt für fast 25 Hektar Waldfläche in den Duisburger Wäldern, die mit dem bis zu 40 Meter hohen Laubbäumen bepflanzt sind. Zwar nur zwei Prozent des Baumbestandes, handelt es sich dennoch um eine stolze Zahl von circa 25.000 Eschen. „Wir sprechen hier von einer existenzbedrohenden Krankheit“, klagt Jeschke, und einer unsichtbaren noch dazu. Denn der „Falschen Stengelbecherling“ ist mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Lediglich die toten Triebe verraten die Anwesenheit des Schädlings.
Eingeführt wurde der Schädling, wie fast immer, durch den Menschen: auf Pflanzen aus dem Baltikum. „Die Leute machen sich keine Gedanken, was sie da in die heimische Natur bringen“, schüttelt Jeschke den Kopf. Der „falsche Stengelbecherling“ verdrängte dabei eine für die Eschen ungefährliche Pilzart. Den „Echten Stengelbecherling“. „Dieser war schon in den Siebzieger Jahren weit verbreitet. Die Bäume konnten trotzdem überleben“, berichtet der 48-jährige Förster. Zunächst dachte man, dieser Pilz sei mutiert, führt Jeschke weiter aus, doch dann wurde klar, dass es sich um einen Neophyt handelte, eine fremde Pflanze, die in der heimischen Flora Fuß fasste.
Dabei war die Esche sowas wie der Hoffnungsträger für das Duisburger Forstamt. Anders als die heimische Buche nämlich, die mit 25 Prozent der Waldfläche die größte Baumart stellt, verträgt dieser Baum die wegen der Klimaerwärmung steigenden Temperaturen: „Die Buche benötigt ein kühles atlantisches Klima, bei Temperaturen von 38 Grad Celsius im Sommer geht sie ein“, erklärt Jeschke. Die Rettung sollte die Esche sein, und so pflanzte das Forstamt seit 1997 sukzessive Triebe an.
Bei Rundgang erste Pilzschäden bemerkt
Bis Jeschke 2009 bei einem Rundgang plötzlich erste Pilzschäden bemerkte. Eine kurze Internetrecherche und ihm war klar, womit er es zu tun hatte. „Seit 2007 war das Problem des Pilzes bekannt. Nun hatte es Duisburg erreicht.“ Kürzlich eingepflanzte Setzlinge aus einer Baumschule waren ebenfalls betroffen. Der Förster musste die kranken Bäume umgehend vernichten, damit sich der Befall nicht noch weiter ausbreitete. Doch er hatte Pech: Als er die jungen Bäume nämlich in einem großen Feuer anzündete, rief das Polizeibeamte und das Ordnungsamt der Stadt Mülheim auf den Plan: „Die wussten überhaupt nichts mit dem Problem anzufangen und verbaten mir, weitere Baumtriebe zu verbrennen“, erinnert sich Jeschke.
Heute ist das Problem stadt- beziehungsweise waldbekannt. Nicht nur in Duisburg, wo Jeschke auch von befallenen Trieben im Bereich der Sechs-Seen-Platte bis nach Süden in Kaiserswerth weiß, sondern in ganz Europa wütet der „Falsche Stengelbecherling“.
Ein Heilmittel indes gibt es nicht. Lediglich die Hoffnung, dass von den vielen befallenen Trieben einige eine Resistenz gegen den Schädling ausbilden. „Es heißt Abwarten, sollte es genug gesunde Bäume geben, können wir auch wieder mit der Zucht versuchen.“