Duisburg. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs und Steuerhinterziehung gegen die Duisburgerin Marion Valland. Nun packt auch ihr langjähriger und gechasster Geschäftsführer der Kita “Im Nimmerland“ aus.

Er wolle sich mit Redakteuren treffen und „reinen Tisch machen“, sagte Michael R. (Name der Redaktion bekannt), ehemaliger Geschäftsführer der Marxloher Kinder-Großtagespflege Im Nimmerland e.V., im Vorgespräch am Telefon. Seit einem Monat sei er nicht mehr Geschäftsführer des Tagesmütter-Zusammenschlusses. Die Vorstandsvorsitzende Marion Valland habe ihn wegen „ehrabschneidender Äußerungen“, die er bestreite, fristlos entlassen.

Beim persönlichen Treffen im Duisburger ­Innenhafen packt der grau melierte Mann Jahrgang ‘55, der glatt als Endvierziger durchgehen würde, dann aus. Gerade ist der ehemalige Kinderkrippen-Leiter in seinem Nimmerland-Dienstwagen, einem schicken Audi-Geländewagen, vorgefahren. Neupreis rund 50.000 Euro. Frau Valland, sagt er, fährt das selbe Modell: „Nur in Weiß.“

"Na ja, das war halt so"

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Michael R. bestätigt in weiten Teilen, was die WAZ Ende März 2013 bereits berichtet hatte. Damals meldete diese Zeitung, dass Staatsanwaltschaft Duisburg und das Finanzamt für Steuerstrafsachen in Essen gegen Marion Valland unter anderem wegen Steuerhinterziehung, Abgabenbetruges und Betruges ermitteln. Auslöser waren Anschuldigungen ehemaliger Tagesmütter, die damals sowohl Marion Valland als auch Michael R. selbst schwer belasteten. Und R. erhebt weitere Vorwürfe.

Als er im Gespräch darauf hingewiesen wird, dass er sich im Verlauf des Treffens ständig auch selbst belastet, blickt Michael R. verständnislos, fast hilfesuchend um sich. Er zuckt mit den Schultern: „Na ja, das war halt so. Was soll ich da jetzt noch groß zu sagen?“

Tagesmütter durften nur 1000 Euro brutto behalten

Zuvor hatte er im Gespräch zugegeben, dass schwer vermittelbare Frauen, die im Marxloher Nimmerland in einer Jobcenter-Maßnahme vom Staat mit einem 75-prozentigen Zuschuss gefördert wurden, zusätzlich auch als Tagesmütter vom Duisburger Jugendamt entlohnt wurden. Obwohl sie sich damit strafbar machten. Der ehemalige Nimmerland-Geschäftsführer nickt: „Das war für mich nie ein Gegenstand nachzufragen. Das war doch offiziell. Oder?“

Blick in Abgründe - ein Kommentar von Christian Balke

Unfassbar, wie inkompetent, unqualifiziert und naiv viele der „Hauptdarsteller“ in der Nimmerland-Affäre in ihrem Handeln wirken.

Schlimm, der Blick in die Abgründe der teilprivatisierten Kindertagespflege: Gekränkte Eitelkeiten, Nobelkarossen als Kita-Dienstwagen, Mobbing, Eifersucht, Betrugsvorwürfe, Lügen, Geldscheinbündel in alten Socken und Hausdurchsuchungen. Alles dort, wo kleine Kinder sich doch geborgen und sicher fühlen sollen. Erschreckend ist die Tatsache, dass keiner der Beteiligten und Beschuldigten, diejenigen, um die es eigentlich gehen sollte, auch nur mit einem Wort erwähnt: Die Kinder.

Sie stehen als Randerscheinung, als Mittel zum Zweck, im Schatten dieser Geschichte. Deren Ende wird die Justiz vermutlich herbei führen. Ein Ende, an dem es keine Sieger geben wird.

Obwohl: Vielleicht gewinnen am Ende doch die Kinder und kommen zu lieben Menschen an einen Ort, wo nur sie und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen.

Außerdem erzählt er, dass diese Frauen aus der teils erheblichen Gesamtsumme aus Jobcenter-Gehalt und Tagesmutter-Honorar (zwischen 3000 und 5000 Euro brutto) nur einen Bruchteil behalten durften, monatlich 1000 Euro. Brutto. Außerdem, sagt R., habe Valland seit Jahren den städtischen Mietzuschuss für die Nimmerland-Gebäude nicht auf das Vereinskonto, sondern auf ihr Privatkonto überweisen lassen.

Woher er das wisse? „Ich war doch ihr Geschäftsführer“, sagt er. Ohne erkennbares ­Schuldbewusstsein. Dass Polizei und Staatsanwaltschaft mit ihm bislang nicht gesprochen hätten, sagt R., verwundere ihn. Kurz nach dem Gespräch im Innenhafen kündigten Polizei und Finanzbehörde bei Michael R. jedoch Gesprächsbedarf an.

Den sieht Marion Valland derzeit nicht. Ihr Anwalt sagte der Redaktion auf Nachfrage, dass man sich wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens gegen Valland zu den Vorwürfen nicht äußern werde.

Jugendamt fordert Beweise - Behörde sieht keinen Grund für Beanstandungen 

Seiner Meinung nach, sagt Michael R. während des Gesprächs im Innenhafen, werde das Jugendamt der Stadt Marion Valland bald schon ebenfalls verklagen. Die habe sich gegenüber dem Amt als Kinderkrankenschwester ausgegeben: „Dabei besitzt sie die Qualifikation gar nicht.“ So habe Valland für die von ihr betreuten Kinder seit Jahren höhere Stundensätze abrechnen können: „Da hat sie die Stadt mindestens um 20.000 oder 25.000 Euro betrogen.“ Derzeit scheint dies nicht geplant zu sein.

Beanstandungen durch das Jugendamt, schreibt die Stadt auf Anfrage, gibt es am Nimmerland und seiner Leiterin nach wie vor keine. Auch dann nicht, wenn der ehemalige Geschäftsführer Michael R. behauptet, Marion Valland lasse die Kinder, die ihr laut Betreuungsvertrag persönlich anvertraut sind, seit langer Zeit und regelmäßig durch andere Tagesmütter betreuen: Regelmäßige Kontrollen des Jugendamtes belegten das Gegenteil, schreibt die Stadt.

Ein vorgelegtes Dokument ist wahrscheinlich eine Fälschung

Sollte er Gegenteiliges beweisen können habe R. als Geschäftsführer die Pflicht gehabt, dies anzuzeigen. Was, wie die Stadt schreibt, auch für den Vorwurf gelte, Marion Valland sei keine ausgebildete Kinderkrankenschwester. „Die Kopie der beglaubigten Urkunde zur Führung der Berufsbezeichnung Kinderkrankenschwester liegt dem Jugendamt vor“, schreibt die Stadt.

Eine Kopie des genannten Dokuments hatte Michael R. beim Gespräch der Redaktion übergeben. Die ließ diese Kopie dem Augenschein nach prüfen von Experten, die hier namentlich nicht genannt werden wollen. Die gehen, „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ davon aus, dass es sich bei dem Dokument um eine Fälschung handelt.