Duisburg. . Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs und Steuerhinterziehung gegen die Duisburgerin Marion Valland. Nun packt auch ihr langjähriger Geschäftsführer aus. Derweil ist es Valland gelungen, im Nachbarort Rheinberg eine neue Kita „Nimmerland“ aufzubauen.

Obwohl Staatsanwaltschaft und Steuerfahnder schon lange gegen sie ermitteln, ist es der Duisburgerin Marion Valland gelungen, im Nachbarort Rheinberg eine neue, eine dritte Kita „Nimmerland“ aufzubauen. Dabei hatten ehemalige Mitarbeiterinnen schwere Vorwürfe gegen die 53-Jährige erhoben. Valland habe sie um einen Großteil ihres Verdienstes gebracht, habe Jobcenter und Jugendamt betrogen. Nun packt auch der frühere „Nimmerland“-Geschäftsführer Michael R. aus.

Er fährt noch immer den schwarzen Audi Q3, seinen schicken Dienstwagen. Im August hatte ihm seine Chefin Marion Valland fristlos gekündigt, wegen „ehrabschneidender Äußerungen“. Weil er sich wehrte, wurde aus der fristlosen Kündigung eine ordentliche. Deshalb blieben ihm für weitere drei Monate Gehalt und Auto. Und trotzdem mag er nicht schweigen über all das, was geschah, auch wenn er sich dadurch selbst belastet.

Blick in Abgründe - ein Kommentar von Christian Balke

Unfassbar, wie inkompetent, unqualifiziert und naiv viele der „Hauptdarsteller“ in der Nimmerland-Affäre in ihrem Handeln wirken.

Schlimm, der Blick in die Abgründe der teilprivatisierten Kindertagespflege: Gekränkte Eitelkeiten, Nobelkarossen als Kita-Dienstwagen, Mobbing, Eifersucht, Betrugsvorwürfe, Lügen, Geldscheinbündel in alten Socken und Hausdurchsuchungen. Alles dort, wo kleine Kinder sich doch geborgen und sicher fühlen sollen. Erschreckend ist die Tatsache, dass keiner der Beteiligten und Beschuldigten, diejenigen, um die es eigentlich gehen sollte, auch nur mit einem Wort erwähnt: Die Kinder.

Sie stehen als Randerscheinung, als Mittel zum Zweck, im Schatten dieser Geschichte. Deren Ende wird die Justiz vermutlich herbei führen. Ein Ende, an dem es keine Sieger geben wird.

Obwohl: Vielleicht gewinnen am Ende doch die Kinder und kommen zu lieben Menschen an einen Ort, wo nur sie und ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen.

Es geht um Betrug und Steuerhinterziehung. Um eine Frau, Marion Valland eben, die es von der einfachen Tagesmutter zur Kita-Chefin brachte und fortan im gesellschaftlichen wie geschäftlichen Leben Duisburgs nicht wegzudenken war. Bis zehn der Tagesmütter in ihrer Verzweiflung zu reden begannen. Darüber, wie Valland und deren Geschäftsführer R. sie allmonatlich „abzockten“, wie sie die Frauen bis zum Geldautomaten begleiteten, um ihnen einen Großteil des vom Jugendamt überwiesenen Verdienstes abzunehmen. „Im Nachhinein erinnert mich das an Scientology“, sagte eine der Tagesmütter im Gespräch mit dieser Zeitung. Sie brachte die Ermittlungen der Steuerfahnder ins Rollen.

Michael R. nun, der fünf Jahre lang Geschäftsführer der Kita „Nimmerland“ war, bestätigt das alles. Frisch gekündigt und mit offenbar unbändiger Wut im Bauch, packt er zu den bekannten Vorwürfen sogar noch einige neue dazu. „Frau Valland ließ jahrelang den Mietkostenzuschuss des Jugendamtes auf ihr persönliches Konto buchen anstatt auf das des Kita-Vereins“, sagt der 55-Jährige. Außerdem habe sie sich gegenüber dem Jugendamt als ausgebildete Kinderkrankenschwester ausgegeben und so mehr Geld kassieren können.

„Das Dokument war jedoch gefälscht!“, behauptet R. Ein leitender Duisburger Verwaltungsangestellter bestätigt diesen Vorwurf, als er das Papier vorgelegt bekommt.

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Auch die Tatsache, dass „Nimmerland“ für fünf Mitarbeiterinnen Fördergelder vom Duisburger Jobcenter erhielt, immerhin 75 Prozent des Bruttolohnes, während diese gleichzeitig vom Jugendamt als Tagesmütter entlohnt wurden, treffe zu. Befragt, wieso er das mitgemacht habe, sagt Michael R.: „Für mich war das nie ein Gegenstand nachzufragen, das war doch offiziell...“ Sprich: Die Ämter hätten sich ja austauschen können.

Vallands Anwalt Matthias Meier erklärte zu den Vorwürfen, man wolle sich dazu wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Die zehn früheren Tagesmütter, die sich im Frühjahr trafen, um ihre Geschichten zu erzählen, waren hoch emotional. Sie fühlten sich von Valland „missbraucht“, waren verzweifelt, weil sie nun viele Tausend Euro Steuern zahlen müssen, obwohl sie oft von über 3000 Euro brutto im Monat nur 1000 behalten durften. Vallands Argumente waren immer dieselben: „,Nimmerland’ ist ein armer Verein.“ Das jedoch passt nur schwer zu den beiden Audi Q3, zwei etwa 50 000 Euro teure Geländewagen, die Valland und R. leasten. Sie in Weiß, er in Schwarz. Michael R. dazu: „Das war eine teure Geschichte, die damals noch ging. Eine Summe, die heute nicht mehr zu stemmen ist!“

Dem Verein droht der Entzug der Gemeinnützigkeit

Die Ermittlungen gegen Valland ziehen sich, dauern bald zwei Jahre. Drei Institutionen, Zoll, Finanzfahnder, Staatsanwaltschaft, sind daran beteiligt. Längst ist von Entzug der Gemeinnützigkeit die Rede. Trotzdem gelang es Marion Valland, die Stadt Rheinberg von ihrem „Nimmerland“ zu überzeugen. Das Jugendamt stellte ihr weiter gute Zeugnisse aus, die Staatsanwaltschaft verwies auf laufende Ermittlungen. Und Rheinberg brauchte eine Kita, so schnell und günstig wie möglich. Also wurde man einig. Als Sicherheit, so ein SPD-Mann, bestehe ein Sonderkündigungsrecht: „Wenn strafrechtlich doch etwas passiert.“

Noch dieses Jahr soll „Nimmerland“ in Rheinberg eröffnet werden, Vallands dritte Kita nach zweien in Duisburg. Zuvor allerdings haben die Ermittler bei Michael R. Gesprächsbedarf angekündigt...