Duisburg.

Nach 27 Jahren geht Andreas Brunk, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Chefarzt der St. Camillus Fachklinik in Walsum, in den Ruhestand. Basis seiner Arbeit sei immer gewesen, die Welt mit den Augen des Patienten zu sehen und erst dann zu intervenieren.

Therapeutisch habe sich viel entwickelt. „Wir können einem suchtkranken Patienten heute klar sagen, was er hat: Seine Gefühlsregulierung im Zwischenhirn hat dauerhaft Schaden genommen“, erklärt Brunk. Wie ein Zuckerkranker seinen Zuckerpegel, müsse ein Suchtkranker seine Gefühle regulieren, erklärt der 65-Jährige. Und daraus resultiert ein klares Behandlungskonzept. Eine Entgiftung allein reiche nicht.

„Da kann einem das Herz aufgehen“

Als größten Reiz bezeichnet er, mit Menschen in Beziehung zu treten: „Da kann einem das Herz aufgehen, wenn Menschen in offenen Worten reden“, sagt er noch heute, nach über 20.000 Patienten-Kontakten. Und das gilt trotz aller Fortschritte auf technischem oder pharmakologischem Gebiet: Wichtig sei eine tragfähige Beziehung zum Patienten, ja sogar eine gewisse Liebe.

Interessiert beobachtet er auch die neuen Medien und ihre Folgen, im Sommer erst wurde eine Gruppe für problematischen PC- und Internetgebrauch gegründet. Das Spiel sei nach Schiller zwar „die höchste menschliche Daseinsform“, aber von Zocken war nie die Rede. Problematisch ist es eben immer, wenn es kippt: Bei Alkohol wird einer von 40 suchtkrank.

Und warum? Es gebe zwar auch vererbliche Anlagen, aber die größere Rolle spiele die Atmosphäre, die Herkunft, der Umgang mit Eltern, Schule, Nachbarn. Auch der Fernseher könne gefährlich werden, nach einer Studie aus Neuseeland macht hoher TV-Konsum „dumm, arbeitslos und kriminell“. Im Umkehrschluss lasse sich durch Bewegung in der Therapie gute Effekte erzielen, weiß Brunk, auch wenn der wissenschaftliche Nachweis oft schwierig sei.

Ziel ist die gemeinsame Bewältigung von Sucht

Seiner Nachfolgerin hinterlässt er eine 90 Leute starke und „kompetente“ Mannschaft, manches wird eine Baustelle bleiben. So stellte er zahlreiche Anträge, um die räumliche Ausstattung zu optimieren, da mancher Flur an die 60er Jahre erinnert. Eine andere Baustelle ist eher strukturell: Bislang werden stationär in der Fachklinik nur Alkohol- und Medikamentenabhängige behandelt, ambulant aber auch alle anderen. Diese Differenzierung sei „eine völlig altmodische Sichtweise“. Es ginge doch um die gemeinsame Bewältigung von Sucht. Die Grunddynamik sei gleich.

Für die Zukunft ist Brunk wichtig, dass die Zusammenarbeit unter den Versorgern in Duisburg weiter ausgebaut wird, „da werde ich versuchen, weiter dran zu arbeiten.“ Ansonsten ist er mit seiner Bilanz zufrieden: 70, wenn nicht sogar 80 Prozent der Patienten würden alkoholabstinent leben, das sei ein super Wert, „es gibt Operationen mit fünfprozentiger Erfolgsaussicht“.