In der Silvesternacht zählten die Ärzte überdurchschnittlich viele Alkoholvergiftungen, die ihnen in die Notaufnahmen stolperten. Duisburgs Schulen sprachen für die Motto-Wochen strikte Alkoholverbote aus, weil die Feiern zuletzt eskalierten. Berichte über komasaufende Jugendliche reißen nicht ab. Und in der Arbeitswelt haben nach aktuellen Studien 7 bis 10 Prozent der Beschäftigten einen kritischen bis süchtigen Umgang mit Alkohol.
Für Regina ist es von Vorteil, in einem großen Unternehmen zu arbeiten. Als sie von ihrer Chefin auf ihren offensichtlichen Alkoholkonsum angesprochen wurde, kam gleich als nächstes der unternehmenseigene Suchtkrankenhelfer zu ihr. Er führte die ersten Gespräche, begleitete sie in die offene Sprechstunde der Fachambulanz der St. Camillus Klinik in Walsum. Und er brachte sie auch zur Entgiftung.
Das ist jetzt ein Jahr her. Regina durchlief eine Entgiftung, dann eine vorbereitende Motivationsphase, und schließlich 15 Wochen stationäre Therapie in der Klinik. Inzwischen arbeitet sie wieder. Worüber sich auch ein großes Unternehmen freuen kann.
Beim Arbeitgeber waren vor allem die hohen Ausfallzeiten aufgefallen. „Mein Körper war total ausgelaugt, groggy, ich habe 80 Tage im Jahr Infekte auskuriert“, erzählt Regina rückblickend. Das lässt sich jetzt kaum mehr erahnen: Sie strahlt, die Augen leuchten, die Haare sind picobello - eine rundum zufriedene 50-Jährige, für die das Gespräch mit der Chefin rückblickend wie ein Weckruf war. „Andere werden erst wach durch den Rausschmiss“, hat sie in den Gruppengesprächen erfahren.
Über die Gründe für ihre Sucht muss sie nicht lange nachdenken: eine schwierige Beziehung, vor allem aber auch das Aufwachsen mit Alkohol. Die Eltern waren Wirtsleute, das Glas Wein mit den Gästen gehörte zum guten Ton. Bei Regina kippte es erst, als die Flasche Wein nicht mehr reichte, der Flachmann dazu kam. Aber immer heimlich. „Es standen nie Flaschen auf dem Tisch, ich hab alles gut versteckt, auch vor mir selbst“, erzählt sie.
Heute staunt sie, wie viel sich verändert hat: „Der Tag hat viel mehr Stunden!“ Aber die müssen geplant sein. Als heilsam erwies sich für sie, nicht mehr in wechselnden Schichten zu arbeiten. Auch da machte der Arbeitgeber mit. Sich so um sich zu kümmern, wahrzunehmen, was gut ist und was schlecht, das lernte sie in der Therapie. Nach dem stationären Aufenthalt startete in der Fachklinik die Nachsorge, in der das Gelernte manifestiert wird. Wöchentlich trifft man sich in einer Gruppe, alle vier Wochen gibt es Einzelgespräche mit dem Bezugstherapeuten. Bis heute. Auch eine Selbsthilfegruppe fand sie für sich. Wegen des großen Angebots probierte sie einige aus, die Chemie muss stimmen.
Über ihre Sucht redet Regina heute gerne. „Wenn ich nicht offen bin, kann ich auch kein Entgegenkommen erwarten“, ist sie sicher. Und was macht sie, wenn sie die Lust nach Alkohol überkommt? „Dann sag ich laut: ‘Jetzt hätteste was getrunken’ und dann lach ich drüber.“