Duisburg. Bald können Anhänger des MSV Duisburg Fan-Anleihen zu 111, 500 oder 1902 Euro zeichnen. Der Verein hofft auf Einnahmen von fünf Millionen Euro. Doch Finanz-Experten warnen vor Risiken der Fan-Anleihen. Schlimmstenfalls droht der Totalverlust.

Die stolze Summe von fünf Millionen Euro will der MSV ab Samstag über die Fan-Anleihe ausgeben. Seit Mittwoch hat der Traditionsverein auch den dazu vorgeschriebenen Wertpapierprospekt veröffentlicht. Er klärt über Hintergründe, die wirtschaftliche Lage und die Risikofaktoren dieser Anleihe auf. Damit gibt der Verein erstmals auch einen umfassenden und detaillierten Einblick in seine Gesamtsituation. Kurz gesagt: Der MSV Duisburg muss in diesem Prospekt die Hosen herunterlassen.

MSV plant Vergabe von 4000 Schuldscheinen

Wer sich als Fan eine Schmuckanleihe für 111 Euro an die Wand hängen will, wird auf die Lektüre des 84-seitigen Prospekts getrost verzichten können. Von Interesse wird dieses Dokument allerdings für Anleger sein, für die eine Verzinsung tatsächlich ein Argument sein kann, dem MSV Geld zu leihen.

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Denn schließlich sind sie es auch, von denen sich der MSV das meiste Geld verspricht. Denn zunächst ist nur die Vergabe von 4000 Schuldscheinen in der schmucken Urkundenform in Beträgen zu 111, 500 und 1902 Euro geplant. Sie machen aber nur einen Gesamtwert von rund 1,7 Millionen Euro aus. Der mit 3,3 Millionen Euro größere Teil der Anleihe soll bei Anlegern eingeworben werden, die keinen hübsch gedruckten Zinsbrief erhalten, sondern bei denen die zu je 100 Euro gestückelten Schuldverschreibungen schlicht auf dem Depotkonto schlummern.

Keine gesetzliche oder freiwillige Einlagensicherung

Wer sich also fragt, wie sicher die Rückzahlung im Jahr 2018 ist und wie das „ziemlich sicher“ von MSV-Boss Udo Kirmse zu werten ist, der muss auf den 84 Seiten unter anderem zur Kenntnis nehmen, dass er sein „in die Schuldverschreibungen investiertes Kapital teilweise oder vollständig verlieren“ kann.

Weder gibt es eine gesetzliche noch eine freiwillige Einlagensicherung und auch sonst keine Sicherheiten, falls der Verein „seine Verpflichtungen aus den Schuldverschreibungen nicht oder nur teilweise erfüllen kann“. Der Verein hat 6 Mio Euro Schulden und 515.000 Euro Eigenkapital. Zudem ist die KGaA, die ausgegliederte Profigesellschaft, „derzeit bilanziell überschuldet“, wie es im Wertpapierprospekt heißt.

Experten-Meinung: „Betrachten Sie das Geld als verloren“ 

Als solide Investmentanlage taugt die „Zebra-Anleihe“ wenig, glaubt der Sportökonom Daniel Weimar von der Universität Duisburg-Essen. Als einer der ersten hat der Duisburger zusammen mit seinem Forschungskollegen Alexander Fox Fan-Anleihen im Fußball untersucht. Sein Urteil über das Wertpapier des Duisburger Vereins fällt vernichtend aus.

Der Vorteil der Fan-Anleihe für den MSV ist aus Sicht des Experten klar: „Statt am klassischen Kapitalmarkt holt man sich bei den Fans eine Finanzspritze. Viele von ihnen sind emotional an den Verein gebunden.“ Statt Banker bittet der MSV in seiner Geldnot also glühende Unterstützer um Hilfe. „Viele Fans sind vermeintlich glücklich, wenn sie ihrem Verein auf diese Weise helfen können“, sagt Weimar. Wer eine Zebra-Anleihe zeichnet, zahlt zunächst einmal für einen teuren Fanartikel und ein gutes Gefühl im Bauch. Daran ist nichts verwerflich, man muss es nur wissen.

Bei Insolvenz des MSV Duisburg droht schlimmstenfalls „Totalverlust“

Der Meidericher Sportverein wirbt aber auch mit der Aussicht auf Gewinn: fünf Prozent mindestens, beim Aufstieg sogar sechs Prozent. Das klingt nach einem guten Geschäft. In erster Linie für den Verein. „Der Risikoaufschlag am klassischen Kapitalmarkt wäre sicherlich höher“, sagt Weimar. Heißt: Bei Banken müsste der MSV für die Summe einen höheren Zinssatz zahlen, vielleicht zehn Prozent oder sogar mehr. Aber auch für die Fans kann die Anleihe im besten Fall rentabel sein. Die Zinssätze sind zurzeit am Boden und für einen normalen Anleger sind fünf bis sechs Prozent im Jahr durchaus lukrativ. Wenn denn alles klappt.

Fachmann sieht viele Risiko-Faktoren

Aber das Risiko ist groß. Bei Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz des Vereins gehen die Fans vermutlich leer aus. Eine Absicherung sieht der Wertpapierprospekt der Zebra-Anleihe nicht vor. Ausdrücklich heißt es aber, dass den Anleihegläubigern „ein Totalverlust des von ihnen eingesetzten Kapitals“ drohen könnte.

Die Liste der Risikofaktoren ist lang. Unter anderem zählen dazu „mangelnder sportlicher Erfolg“, „fehlende Lizenzerteilung“, „Spielergehälter und Ablösesummen“ und sogar die „Abhängigkeit von Personen in Schlüsselfunktionen“ wird als Punkt aufgeführt, über die die Profigesellschaft und in der Folge auch der Verein stolpern könnten. Dann wäre das Geld der Anleihezeichner gefährdet.

„Woher sollen Rücklagen kommen?“ 

In der Unsicherheit liegt der große Knackpunkt: Während die Verpflichtung für die Fan-Anleihe langfristig ist, lässt sich in der Fußball-Finanzwelt meist nur kurzfristig planen. Der finanzielle Erfolg des Vereins hängt stark mit dem sportlichen zusammen. „Einnahmen sind deshalb nur auf eine Saison zu prognostizieren“, sagt Weimar.

Umso kritischer sieht der Sportökonom, wofür das Geld verwendet werden soll. Mit etwa 80 Prozent soll die „Abhängigkeit von Banken und Darlehensgebern“ der ausgegliederten Profigesellschaft reduziert werden – eine Umschuldung. 20 Prozent des Erlöses sollen in ein Nachwuchszentrum fließen. „Das generiert aber beides keine direkten zukünftigen Erlöse“, urteilt Weimar.

Stellt sich der MSV also nicht grundlegend anders auf, könnte sich aus Sicht des Wirtschaftswissenschaftlers die Rückzahlung in fünf Jahren problematisch gestalten. Allein 250.000 Euro an Zinsen für die Anleihen muss der Verein bald jährlich aufbringen. Zum Vergleich: Über Mitgliederbeiträge nimmt der MSV im Jahr gerade einmal 193.000 Euro ein.

MSV-Klubchef Udo Kirmse will Rücklagen bilden - aber woher?

Klubchef Kirmse hat bereits angekündigt Rücklagen zu bilden, „damit wir auch die Zinsen bezahlen können“. „Aber woher sollen die Rücklagen kommen?“, fragt Weimar. Allein im vergangenen Jahr machte der Verein 3,8 Millionen Euro Minus. Die Profigesellschaft ist schon jetzt überschuldet.

MSV DuisburgUnd noch etwas treibt den Sportökonomen um: Die Gefahr sei groß, dass nicht alle Anleihen gezeichnet werden. Selbst wenn am Ende nicht die fünf Millionen Euro zusammenkommen, muss der Verein aber Fixkosten für die Anleihen und deren Verwaltung tragen. Schon die Emission der Anleihen schlägt mit rund 200.000 Euro zu Buche. Vergleichbare Vereine wie 1860 München, Hansa Rostock und Alemannia Aachen sind auf einem Teil ihrer Fan-Anleihen sitzen geblieben.

Sportökonom sieht Parallelen zu Alemannia Aachen

Sportökonom Weimar sieht insgesamt einige Parallelen zwischen dem MSV und Alemannia Aachen – sportlich wie institutionell. Vor fünf Jahren ging der damalige Zweitligist mit einer Anleihe an den Markt und bekam mehr als vier Millionen Euro von seinen Anhängern. Heute spielen die Aachener zwei Ligen tiefer, der Verein ist pleite und für die Anleihe-Zeichner wird es vielleicht nie eine Ausschüttung geben.

„Betrachten Sie das Geld als verloren“, stimmt Daniel Weimar deswegen auch allen MSV-Fans, die ihren Verein mit Anleihen unterstützen wollen, auf den schlimmsten Fall ein, der eintreten könnte. Umso besser sei das Gefühl, wenn am Ende doch etwas herausspringt.

Und das sei schließlich auch möglich.

Zebra-Anleihe: Hintergründe und die offene Stadionfrage 

Mit dem Großteil des Anleihen-Erlöses sollen die „finanziellen Strukturen optimiert“ werden. Bereits beschlossen war eine Kapitalerhöhung bei der ausgegliederten Profi-Gesellschaft, der KGaA.

Dafür hat der Verein ein Darlehen von 3,3 Mio Euro aufgenommen und an die KGaA weitergeleitet. Mit einem Teil der Fan-Anleihe soll jetzt der Vereins-Kredit zurückgezahlt werden. Im Kern ist das eine klassische Umschuldung.

Knackpunkt bleibt weiterhin die Stadionfrage. Die Mieten sind bislang nur gestundet, vorerst bis Saisonende. Wie der MSV mitteilt, strebt er einen Schuldenschnitt an. Sollte dieser nicht kommen, „könnte dies zu erheblichen Zahlungsverpflichtungen“ der KGaA „und zu ihrer Insolvenz führen“.

MSV Duisburg kann höchstens eine Million Euro einsetzen

Allerdings geht es nicht nur um den Schuldenschnitt bei der Miete, sondern auch um das künftige Eigentümerkonstrukt des Stadions. Der MSV erwägt selbst Miteigentümer zu werden, kann aus der Anleihe dafür aber höchstens eine knappe Million einsetzen.

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Wer als finanzkräftiger Partner einsteigen soll, ist weiterhin unklar. Nach NRZ-Informationen soll das Land für einen Schuldenschnitt gefordert haben, dass das Stadion weiterhin zum Teil in öffentlicher Hand bleibt.

Stadt Duisburg will sich nicht beim MSV engagieren

Zuletzt soll deshalb das Unternehmen „Octeo Multiservices“ im Gespräch gewesen sein, nach eigenen Angaben mit einem Umsatz von 31 Mio Euro und 1900 Mitarbeitern der viertgrößte Gebäudedienstleister im Revier.

Octeo ist ein Unternehmen des städtischen DVV-Konzerns. Doch wie berichtet hatte die Politik den Gedankenspielen, dass sich die Stadt oder ihre Töchter mit frischem Geld beim MSV engagieren, eine klare Absage erteilt.