Neudorf. .

Auf der Tafel in der Christuskirche stehen noch die Lieder vom letzten Gottesdienst angeschlagen. Vor zwei Jahren haben sie noch Erntedank in dem Gotteshaus gefeiert. Seitdem ist die Kirche nicht mehr benutzbar, die Deckenkonstruktion muss dringend saniert werden. Die Gemeinde muss also umbauen und Geld für die Reparaturen auftreiben. Doch nun hat die Stadt die Kirche aus dem Jahr 1908 unter Denkmalschutz gestellt. Damit wird es noch ein bisschen komplizierter, das Gebäude umzubauen. Das Gotteshaus prägt nicht nur das Stadtbild in Neudorf, der Kirchturm ist schon von weitem zu sehen. Das äußere Erscheinungsbild sowie die Fenster und der Taufstein im Inneren dürfen wegen des Denkmalschutzes nicht verändert werden.

„Wir haben erst überlegt, ob wir dagegen vorgehen sollen, allerdings haben wir uns entschieden, mit den Behörden zu kooperieren“, erklärt der Presbyteriumsvorsitzende Friedhelm Jung. Auch Pfarrer Martin Nadolny betont: „Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist konstruktiv.“ Gerade, wenn es Möglichkeiten zum Umbau geht, könne man mit den Mitarbeitern reden. Unter Denkmalschutz wird sie gestellt, weil es sich um einen typischen Bau aus dem frühen 20. Jahrhundert handelt.

Predigten im Gemeindehaus

Wie in vielen Stadtteilen im Ruhrgebiet ging damals die Initiative zum Bau einer Kirche von den Gemeinden aus, zu denen damals auch viele Zuwanderer gehörten, die es wegen der Fabriken in die Städte zog. In den Gemeinden, so auch in Neudorf, fanden die Menschen Rückhalt. Die damals neu gebauten Kirchen bilden die sichtbaren Zeugnisse dieser Integrationsprozesse. Über den Architekten Friedrich Ratzel ist die Neudorfer Christuskirche mit der Stadtbaugeschichte eng verbunden, schließlich wurde nach seinen Plänen auch das Rathaus errichtet.

Mit dem Wiesbadener Programm von 1891, das die Leitlinien für den protestantischen Kirchenbau festlegte, waren Architekten und Gemeinden nicht mehr zur Orientierung an überlieferten mittelalterlichen oder altchristlichen Formen verpflichtet, sondern konnten ihren Baustil frei wählen. Ratzel hat in Abwandlung die Neorenaissanceformen des Außenbaues mit einer barocken Ausstattung verbunden. Bis zu 850 Gläubige finden Platz.

Die Kirchenfenster wurden in den 50er Jahren gestaltet.
Die Kirchenfenster wurden in den 50er Jahren gestaltet. © Lars Fröhlich / WAZ FotoPool

Im Krieg wurde das Gotteshaus zerstört und in den 50er Jahren wieder aufgebaut. Seitdem ist auch die kunstvoll gestaltete gewölbte Decke mit einer schmucklosen Spanplatten-Decke abgehängt. Die muss nun erneuert werden. Bei gutem Wetter feiern die Gläubigen aus Neudorf ihren Gottesdienst manchmal unter freiem Himmel. Sonst weichen sie ins Gemeindezentrum gegenüber aus. Auf den Tag, an dem sie wieder in die Kirche dürfen, freuen sie sich aber alle.

Modernisierung nicht möglich

Mindestens 700.000 Euro kosten die Bauarbeiten – aber mit dem Geld kann man nur die nötigsten Sanierungsarbeiten durchführen. Wenn man den Kirchsaal multifunktional umgestalten und modernisieren möchte, wird schnell ein Millionenbetrag fällig. „Die Stadt kann zwar dafür sorgen, dass die Kirche unter Denkmalschutz gestellt wird, aber Geld für den Erhalt der Denkmäler hat sie nicht“, weiß Friedhelm Jung. Und auch das Land hat seine Zuschüsse zusammengestrichen, so dass die Gemeinde das Geld komplett alleine aufbringen muss.

Pfarrer Martin Nadolny, das Presbyterium und die Gläubigen haben sich deshalb überlegt, das Gemeindezentrum und den Kindergarten aufzugegeben und das Gelände zu verkaufen. „Vielleicht könnten dort größere Wohnungen für Familien entstehen. Vier-Zimmer-Wohnungen gibt es nämlich kaum in Neudorf“, weiß Nadolny. Der Kindergarten und das Gemeindehaus könnten dann rund um die Kirche wieder aufgebaut werden. „Platz genug ist hier ja“, sagt Jung.

Derzeit bereitet die Gemeinde einen Wettbewerb vor, bei dem Architekten anonym ihre Vorschläge für die Umgestaltung unterbreiten können. Anschließend wird beraten. Bis dann tatsächlich die Handwerker anrücken, könnten allerdings noch einige Monate in Neudorf vergehen.