Duisburg.
Eine Begegnung mit Ballettdirektor Martin Schläpfer ist immer etwas Besonderes. Diesmal, im Balletthaus in Niederkassel, überrascht sein Büro. Auf den Wänden stehen Sätze wie „Talk but say something“ – Sprich, aber sage etwas. „Ich male immer auf Wände“, sagt Schläpfer, „mein ganzen Haus ist bemalt.“ Gedanken, Gefühle, Gedichtzeilen. Das muss offenbar aus ihm heraus, und wenn es sich seinen Weg nicht über eine große Bewegung bahnt, dann in der kleinen Schreibgeste auf der weißen Wand.
Man guckt aufs Ballett
Dass seine Choreographien „Forellenquintett“ und „Brahms-Requiem“ fürs Fernsehen aufgezeichnet worden sind, habe ihn gefreut – für die Compagnie, deren Qualitäten erkannt und auch von den Medien kommuniziert werden. Es sei heute sehr schwierig, diese sehr aufwendigen Aufzeichnungen zu erreichen. „Man guckt auf uns. Und es gehört zur Karriere einer guten Compagnie.“
Viel riskiert
Wenn Schläpfer ältere Meisterwerke ins Programm nimmt, will er zeigen, was vorher war, „damit wir wissen, worauf wir stehen“. Manche junge Choreographen beobachte er und lade sie ein, wenn er das Gefühl habe: „Jetzt stimmt’s“. Momentan sehe er eher Jerome Robbins im Programm als George Balanchine, und Matz Ek komme sicher wieder. Er werde „sicher mal weniger machen“, um eine etwas entferntere Perspektive einzunehmen. „Ich musste viel machen, viel riskieren, um diesen Ort zu gewinnen.“
Generationenwechsel
Innerhalb der Compagnie hat ein Generationswechsel begonnen. „Der erste, den ich erlebe. Wir sind einen langen Weg gegangen.“ Auch eine Compagnie sei immer in Bewegung. Die jungen Tänzer, die hinzu kommen, seien ebenso wichtig wie die älteren, von denen die jungen wiederum lernen könnten. „Es ist der Geist, und der Look ist unaustauschbar, das macht schon Freude.“
Kein tanzender Chef
Möchte er wieder tanzen? „Das ist das Beste auf der Welt.“ Es gebe nichts Schöneres als Training und auf der Bühne zu stehen. „Aber ein tanzender Chef ist ätzend.“ Ein guter Direktor, gute Stücke, ein guter Tänzer: das gehe alles nicht so recht zusammen. Hans van Manen habe seit langem vor, ein Solo für ihn zu entwickeln, aber er dränge nicht und frage nicht nach.
Karneval der Tiere
Ob es mal eine Ballettproduktion eigens für Kinder geben wird, weiß Schläpfer noch nicht. „Wir pflegen ein anderes Repertoire als Spoerli und Vamos. Sie hatten zwei, wir vier Neuproduktionen pro Saison, dazu kommen Gastspiele.“ Er beobachte, dass sich das Publikum durchmische. Ihn bewege, wohin man die Kunstform Ballett bringen könne – und die gute Kommunikation mit dem Publikum. Er könne sich aber Vorstellen, ein Stück wie „Karneval der Tiere“ zu choreographieren.
Besser auf der Hochebene
Jetzt gehe es darum, den letzten Schritt zur Top-Compagnie zu machen. Schon jetzt sei das Niveau gleichauf mit Stuttgart und München. Jetzt müssten Gastspielen kommen, jetzt müssten auch Angebote von Außen angenommen werden. „Den Aufwind nutzen, lange segeln und oben bleiben“. Das ist Schläpfers Ziel, der noch ein anderes Bild parat hat: Besser auf der Hochebene gehen als auf der Bergspitze stehen.
Duisburg steht hinter uns
Es hat in Duisburg etwas gedauert, bis das Publikum Schläpfers Ballettabende angenommen hat. Aber mit der „Brahms-Requiem“ ist der Knoten geplatzt. „Das ist für mich am schönsten: Das Gefühl, dass Duisburg hinter uns steht.“ Das Publikum habe erkannt, „dass wir auch die Compagnie von Duisburg sind“.
Es sei richtig gewesen, den Abend b.14 (mit Choreographien von Antony Tudor, Frederick Ashton und Schläpfers 2. Brahms-Sinfonie) eigens für Duisburg zu konzipieren. Durchaus nicht mit „leichter“, aber „zugänglicher“ Musik. „Plötzlich liegt die Auslastung in Duisburg über 90 Prozent.“ Ja, das habe gedauert. Jeder Anfang sei ein Kraftakt. Zwei Spielstätten, zwei Orchester, zwei Bühnen, die Werkstätten in der einen, das Balletthaus in der anderen Stadt – es brauche Zeit, Verbindungen auch am Haus zu schaffen. „Das dauert hier für uns, die wir ausgelagert sind.“
Zehn Spielzeiten
Sein Vertrag als Ballettchef an der Rheinoper ist verlängert worden – zehn Spielzeiten wird er dann mit seiner Compagnie in Düsseldorf und Duisburg gearbeitet haben. Seine Bedingung war, ein neues Tanzhaus zu errichten. Wegen der Reibungsverluste durch die Vielzahl der Standorte. „Und: Es gibt hier zum Beispiel keinen Ruheraum für die Tänzer, keine Küche, die zwei Studios sind zu klein, wir haben zu wenig Raum für die vielen Stücke.“ Außerdem soll eine Ballettschule integriert werden. „Dazu ist es hier viel zu eng.“