Duisburg. . Die Inbetriebnahme der neuen Drahtstraße von Arcelor-Mittal ist angelaufen. Die Millionen-Investition ist die Voraussetzung für die Produktions-Verlagerung von Hochfeld nach Ruhrort. Das hat für das Unternehmen logistische Vorteile, wirkt sich aber auch positiv auf die Stadtentwicklung aus.

Ein gelbglühender Stahlstab steht am Anfang, fein aufgewickelter Draht am Ende – und dazwischen geht’s schnell, rasend schnell und immer schneller: 120 Meter in der Sekunde legt der Stahl auf seinem Weg zum Draht als Höchstgeschwindigkeit hin. Möglich macht’s die modernste Drahtstraße der Welt, die Arcelor-Mittal in Ruhrort bauen ließ.

„Wir sind in der Inbetriebnahme-Phase“, beschreibt Geschäftsführer Thorsten Brand die laufenden Feinarbeiten in der Jahrzehnte alten Halle, in die die neue Drahtstraße integriert wurde. 130 Mio Euro hat Arcelor-Mittal in die Anlage investiert – und damit die Voraussetzung geschaffen, künftig Draht in unmittelbarer Nachbarschaft vom Stahlwerk zu erzeugen – ein logistischer Vorteil gegen über dem bisherigen Draht-Standort am Hochfelder Rheinufer. Das dortige Areal wird damit frei für eine andere städtebauliche Nutzung (siehe weiterer Artikel unten).

Ein Bekenntnis zum Standort

„Ein klares Bekenntnis zum Standort“ sei diese Investition, ist Brand überzeugt. Die endgültige Einweihung der Drahtstraße ist für das dritte Quartal dieses Jahres oder spätestens für Anfang 2014 terminiert.

Mittal übernahm Werke von Thyssen

Arcelor-Mittal ist der größte Stahlkonzern der Welt. Zum Unternehmen gehören rund 60 Werke in mehr als zwei Dutzend Staaten, darunter auch in Kasachstan und in der Karibik. Arcelor-Mittal beschäftigt rund 310 000 Mitarbeiter.

In Deutschland beschäftigt der Konzern rund 6000 Arbeitnehmer an den Standorten Duisburg, Hamburg, Bremen und Eisenhüttenstadt.

Chef des Unternehmens ist der indischstämmige Lakshmi N. Mittal, dessen Vater Anfang der 70er Jahre mit dem Erwerb einer kleinen Stahlschmelze den Grundstein für das inzwischen weltumspannende Industrieunternehmen legte. Mittal gilt als einer der reichsten Männer der Welt.

1997 konnte die damalige Oberbürgermeisterin Bärbel Zieling Mittal im Duisburger Rathaus begrüßen. Er hatte von Thyssen die beiden Werke in Ruhrort und Hochfeld erworben und kräftige Investitionen zugesagt.

Eine Produktion von 450.000 Tonnen Draht pro Jahr ist das Ziel, die „technische Kapazität“ liege aber bei 650.000 bis 680.000 Jahrestonnen – eine Reserve für bessere konjunkturelle Zeiten ist also einkalkuliert. 60 bis 70 Prozent der Drahtprodukte made in Ruhrort gehen an die Autoindustrie oder deren Zulieferer. Aus Draht werden dann Schrauben, Nieten, Federelemente, beispielsweise für Ventilfedern im Motor, die ein paar tausendmal pro Minute beansprucht werden – und das jahrelang. Die „sehr hohen technologischen Anforderungen“ sind es auch, die derzeit nach eine parallele Drahtproduktion am alten wie neuen Standort erfordern, weil sich alle Abnehmer überzeugen müssen von der Qualität der neuen Drahtstraße. Deren Inbetriebnahme hatte sich wegen diverser Probleme beim Bau um etwa fünf Monate verzögert.

Positive Rückmeldungen von Kunden

Doch jetzt, so Brand, seien erste Mengen an die Kundschaft ausgeliefert worden, und es habe „positive Rückmeldungen“ gegeben. Von 5,5 bis 25 Millimeter ist der Ruhrorter Draht stark, und die neue Anlage sei hinsichtlich der Produktqualität ausgelegt „für das absolute Top-Spektrum“.

Im Zuge der Verlagerung nach Ruhrort entfallen bei Arcelor-Mittal 130 Arbeitsplätze, überwiegend über Altersteilzeitregelungen. „Damit haben wir frühzeitig begonnen“, erläuterte gestern Arbeitsdirektorin Dr. Nicola Hirsch. Ende des Jahres werde man das Ziel erreicht haben. Dann werden in Ruhrort rund 880 Mitarbeiter (ohne Azubis) beschäftigt sein. „Wir müssen Jahr für Jahr produktiver werden“, erklärte Hirsch, der Druck auf einem schwierigen Markt werde auch in Zukunft nicht geringer.

Nach Umzug steht Gelände für neue Nutzung zur Verfügung 

Noble Büros und hochwertige Wohnungen direkt am Rhein – so sehen die bisherigen Planungen für die Vollendung des Rheinparks nach einem Umzug von Arcelor-Mittal nach Ruhrort aus. Ob es dabei bleiben wird (und kann), wird zumindest beim Stahlunternehmen inzwischen angezweifelt.

Bisher sei jedenfalls kein Interessent für das Grundstück in Sicht, erklärte gestern Dr. Nicola Hirsch von Arcelor-Mittal. Daher wäre möglicherweise über eine weitere industrielle Nutzung nachzudenken. Man sei jedenfalls im Gespräch mit den städtischen Planern.

Die Planungen fürs neue Wohn- und Büroquartier Rheinpark.
Die Planungen fürs neue Wohn- und Büroquartier Rheinpark.

Ab den Sommerferien wird die Drahtproduktion in Hochfeld auslaufen. Die dortige Drahtstraße war seit 1968 in Betrieb. Bis Ende 2014 wird noch ein anderes Unternehmen auf dem Gelände tätig bleiben, auch Arcelor-Mittal wird dort noch Lager und Ausbildung weiter betreiben. Auch der Abriss der vorhandenen Anlagen und Gebäude werden noch geraume Zeit in Anspruch nehmen.

„Duisburg an den Rhein“

Die 60 Hektar Industriegelände, direkt am Rhein gelegen und über 150 Jahre für Produktion genutzt, haben es den Stadtplanern schon seit über einem Jahrzehnt angetan. „Duisburg an den Rhein“ ist das Motto, entstanden aus der Erkenntnis, das die Stadt an Rhein und Ruhr es ihren Bürger nur an wenigen Stellen erlaubt, einen Fluss aus der Nähe zu erleben. Mit der Grünanlage im Süden des Industrieareals ist ein erster Teil der Planungen bereits umgesetzt worden mit viel Grün, einem Strand am Strom, der Gastronomie „Ziegenpeter“, einer Uferpromenade zwischen „Brücke der Solidarität“ und Kultushafen, dazu viel Raum für Sport und andere Freizeitvergnügen.

„Citynah und optimal erschlossen bietet der Rheinpark beste Voraussetzungen für die Ansiedlung neuer Arbeitsplätze und für die Schaffung attraktiver Wohnangebote“, argumentieren die Stadtplaner. Auf der Fläche wären nach der Verlagerung der Drahtproduktion als weitere Nutzungen Hotellerie, Gastronomie und Einzelhandel sowie Einrichtungen für Kultur, Freizeit und Erholung denkbar.