Duisburg. Telefonzellen sind rar geworden im Duisburger Stadtbild. Vor allem die alten gelben Sprechkabinen. Aber es gibt immer noch 50.000 in Deutschland. Bleibt die Frage: Wer benutzt sie noch?
„Wie viel Gramm? Für’n Fuffi? Gutes Zeug!“ So ging sie dahin, die Geschichte, die ich immer schreiben wollte. Direkt vor mir, auf meinem Heimweg ins Dellviertel. Gesprächsfetzen eines Mannes – nichts Besonderes. In einer Telefonzelle – höchst selten. In einer gelben, ramponierten, althergebrachten Sprechkabine an einer dunklen, schummrigen Ecke – Volltreffer. Denn ich wollte immer schon mal wissen: Wer, außer vielleicht der Mafioso aus dem Hollywood-Film, benutzt heutzutage noch Telefonzellen? Und dann auch noch so eine? Dem Mann vor mir wollte ich dann aber doch lieber nicht ins Wort fallen.
Zwar war es ja auch irgendwie eine Antwort. Aber für Drogendealer allein wird die Telekom ihre Fernsprecher wohl kaum unterhalten. Schließlich gibt es immer noch rund 50.000 dieser öffentlichen Telefone bundesweit, genau 300 davon in Duisburg. Immer seltener sind sie gelbe Kabinen, wie das Exemplar auf meinem Heimweg an der Tonhallenstraße.
Neue "Multimedia-Säulen"
Immer öfter sind sie magenta-grau und schlichte Säulen ohne Dach. Die kosten keine Beleuchtung und haben keine Scheiben, die man eintreten könnte. Und an ihnen kann man immer öfter nicht nur telefonieren, sondern auch SMS schreiben, im Internet surfen, E-Mails senden. „Multimedia-Säulen“, wie sie auch elfmal in Duisburg stehen. Leider sehe ich in den folgenden Tagen zwar einige Telefonzellen, aber keine Menschen darin.
Ein Grund dafür könnte sein, dass selbst so eine schlanke Säule sich schlecht mitnehmen lässt. Handy, Smartphone, Tablet machen sich viel schmaler in den Taschen und jedes dieser mobilen Geräte kann mehr als jede Säule. Das sehen Sie, liebe Leserinnen und Leser, ja genauso. Ich übrigens auch. Und der Drogendealer. Wir alle haben ja schließlich ein Handy. Mindestens. Rein statistisch.
Telefonzellen und Handys: Zahlen und Fakten
50.000 Telefonzellen gibt es schätzungsweise noch in Deutschland. Vor etwas mehr als zehn Jahren waren es mehr als doppelt so viele.
300 Telefonzellen stehen auf Duisburger Boden. Nach jüngsten Angaben der Telekom gibt 243 auf öffentlichem Grund und 57 auf privatem Gelände, etwa in Krankenhäusern, Bahnhöfen oder Einkaufszentren. Elf dieser Zellen sind internetfähig.
112 Millionen Handys waren laut Angaben der Bundesnetzagentur Ende 2011 aktiv. Im Jahr 2000 zählte das Statistische Bundesamt lediglich 12,2 Millionen. Mehr als jeder Dritte in Deutschland hat mindestens zwei mobile Endgeräte.
1,4 Handyverträge hatte im Schnitt jeder Deutsche Anfang dieses Jahres abgeschlossen. Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland 113,6 Mio. Mobilfunkverträge.
Laut Bundesnetzagentur gibt es schon seit längerem mehr Handys und zugehörige Verträge als Bundesbürger (s. Infokasten). Ende 2011 waren erstmals mehr als 112 Millionen mobile Endgeräte in Deutschland aktiv. Im Jahr 2000 zählte das Statistische Bundesamt lediglich 12,2 Millionen. Und die Telekom noch doppelt so viele Telefonzellen wie heute.
Bei der Telekom heißt es: „Der Kunde allein entscheidet, wie viele Standorte es noch gibt.“ Bedeutet: Wenn sich eine Telefonzelle nicht lohnt, kommt sie weg. Es sei denn, die Kommune, in der die Zelle steht, hat etwas dagegen. Bevor sie eine Zelle abbaut, informiert die Telekom die Verwaltung. Und wenn die meint, der Standort sei aus welchen Gründen auch immer zu erhalten, kann sie dagegen votieren. Nicht selten mit der Folge, dass die Zelle erhalten bleibt. Aber für wen?
Ein paar Antworten darauf hat Wolfgang Mettler. Wir laufen uns vor der Telefonzelle an der IHK-Hauptgeschäftsstelle über den Weg. Der Oberhausener ist gerade mit dem Zug angekommen und hat einem Freund seine Ankunft mitgeteilt – per Anruf aus der magenta-grauen Telefonzelle, tatsächlich. „Ich hatte schon mal ein Handy“, sagt der 53-Jährige, „aber das ist mir irgendwann zu viel geworden. Erst nur Anrufe, dann SMS, irgendwann erwarten die Leute, dass man immer erreichbar ist.“
Seit zwei Jahren ohne Handy
Seit zwei Jahren geht er ohne mobile Telefonie durchs Leben. „Und mir fehlt nichts“, sagt er mit einem Lachen. Er habe ein Festnetztelefon, checke abends seine E-Mails und wenn er unterwegs ist, wie jetzt gerade, helfen ihm in Notfall auch mal Telefonzellen. „Meine Freunde wissen mittlerweile, dass ich nicht immer erreichbar sein will. Und wenn das alle wissen, stellen die sich auch darauf ein“, sagt Mettler. „Im Notfall kann man ja genug Leute bitten, ihr Handy zu benutzen.“ Einleuchtend.
Aber Mettler wird es zumindest auf Reisen wohl nicht leichter haben in den kommenden Jahren. Es heißt, rund die Hälfte der öffentlichen Telefone in Deutschland seien unwirtschaftlich. In Duisburg etwa wurden allein in diesem Jahr mehr als ein Dutzend abgebaut. Wolfgang Mettler lässt das kalt. „Dann muss man das vielleicht einfach wieder so machen wie früher: sich verabreden und die Verabredung einhalten.“