Duisburg. Ursprünglich, vor all den Pannen und Verzögerungen, sollte die Bahnhofsplatte Ende 2010 fertig sein. Nun soll ein Charrette-Verfahren – Bürger dürfen gleichberechtigt in aller Öffentlichkeit mitplanen – eine Lösung für die Betonwüste bringen. Das Fernziel: eine Umsetzung im Sommer 2014.
Das nennt man „Ironie des Schicksals“: Ausgerechnet ein neues Planungsverfahren mit der klangvollen französischen Bezeichnung „Charrette“ (= „der Karren“) soll den Karren um die völlig verkorkste Planung der Bahnhofsplatte aus dem Dreck ziehen.
Dafür wollen am Donnerstag die Ratsmitglieder des Betriebsausschusses Einkauf und Service Duisburg ihrem zentralen Einkauf 121.000 Euro an die Hand geben, damit dieser dann Dr. Harald Kegler aus Wittenberg engagieren kann, der im Januar, spätestens im Februar 2013 in der Stadt eine so genannte „Charrette“ zur Bahnhofsplatte organisieren soll.
Das Ziel: Im Sommer 2013 soll es zur Platte einen fertigen Plan geben, mit dem man dann um Landeszuschüsse nachfragen kann und der im Sommer 2014 dann endlich realisiert werden soll – gestützt auf einen breiten bürgerschaftlichen Konsens. Denn der Bürger hat ja vorher ausgiebig mit an der „Charrette“ gezogen . . . aber was ist das eigentlich?
1. Was ist eine „Charrette“? „Charrette“ ist eine konsequent öffentliche Planungsmethode mit direkter Beteiligung der Bürger. Betroffene, Entscheidungsträger, Projektentwickler, Planer sitzen tagelang (bei großen Projekten wochenlang) gleichberechtigt, ohne Hierarchien und auf gleicher Augenhöhe um einen Tisch und reden und entwerfen miteinander einen machbaren, genehmigungsfähigen Gestaltungsplan für die Platte. Ideen und Gedanken werden sofort auf Machbarkeit mit Fachleuten am Tisch begutachtet, bewertet und in den Projektplan eingebaut. Der Vorteil: Die schnelle Rückkopplung des Verfahrens löst in kürzester Zeit komplexe Probleme der Stadt- und Regionalentwicklung.
2. Was bedeutet der merkwürdige Name? „Charrette“ - der Name des Verfahrens ist aus dem Französischen entlehnt und bedeutet „Karren“. Im Paris des 19. Jahrhunderts wurden die Arbeiten der Studierenden der Kunstakademie zu Semesterabschluss auf einem Karren zur Akademie gebracht. Wer nicht rechtzeitig fertig war, tätigte noch während der Fahrt die letzten Pinselstriche, zumeist unter reger Anteilnahme der Bevölkerung.
3. Was ändert sich im Vergleich zur her- kömmlichen Bürgerbeteiligung?
Bisher hat eine Verwaltung vorgedacht und dem Bürger Material ausgelegt, über das er sich dann Gedanken machen konnte. Jetzt wird aus dem passiven Bürger ein aktiver Mitgestalter: Im Charrette-Verfahren sind alle interessierten Bürger von Anbeginn in einem argumentativen Austausch mit am Tisch, gleichberechtigt mit Planern, Verwaltungsleuten, Investoren.
4. Wo hat diese neue Methode schon Er- gebnisse gebrach t?
Sie stammt aus den USA und aus England. In Deutschland ist sie relativ neu. Aber in der Nachbarstadt Mülheim gab es, ebenfalls unter der Moderation von Harald Kegler aus Wittenberg, im Frühjahr 2012 eine „Charrette“. Das Thema „Leerstand um den Kaufhof in der Innenstadt“.
5. Wie sieht das Verfahren aus?
Der Prozess einer Charrette gliedert sich in drei Phasen: Problemanalyse und Planungsansatz im Dialog (Mini-Charrette), Öffentliche Planungswerkstatt (Kern-Charrette), die Aufbereitung (Abschluss-Charrette). Der Zeitraum: Eine Woche bis vier Monate. Dann steht eine fertige Planung entscheidungsbereit zur Verfügung.
Fazit: In Duisburg, so erinnert Georg Puhe vom Amt für Stadtentwicklung und Projektmanagement, sei das Vorverfahren für eine „Charrette“ zur Bahnhofsplatte schon mit intensiver Bürgerbeteiligung durchgeführt worden. Ende Oktober hatten sich gut 80 Bürger mit Planern in den Räumen der IHK Niederrhein weniger auf das „Was“ sondern mehr auf das „Wie“ verständigt. Schon bald also soll ein „Karren“ den guten, den breit abgestimmten Plan zum Bahnhofsvorplatz zügig, transparent und am Ende ausgestattet mit reichlich Vertrauen der Bürger aus dem Dreck - pardon - aus der Taufe heben.
Die Platte ist freigegeben