Duisburg. Immer häufiger scheint es im Duisburger Rathaus zu Bestechungen und Betrügereien zu kommen. Doch hätten die jüngsten Korruptionsfälle im Rathaus verhindert oder zumindest früher gestoppt werden können? Das Rechnungsprüfungsamt (RPA) ist davon überzeugt und deckt dabei eklatante Sicherheitslücken auf.
Die Chefin vom städtischen Zentraleinkauf, die privat mit der Kreditkarte Winterreifen kaufte; der City-Palais-Projektleiter, der sich die Taschen vollstopfte; der Mitarbeiter im Straßenverkehrsamt, der ungestört im Sumpf von Bestechung und Gefälligkeiten schaltete und waltete. Die Vorwürfe sind haarstrübend. Hätten die jüngsten Korruptionsfälle im Rathaus verhindert oder früher gestoppt werden können, wenn Gerüchte dazu eine vertrauensvolle Adresse gefunden hätten?
Das glaubt zumindest das Rechnungsprüfungsamt (RPA), das jetzt am Fall des Mitarbeiters im Straßenverkehrsamt in einem Bericht nicht nur Machenschaften, sondern auch ein System fehlender Kontrollen dokumentiert und neben vielen Verbesserungsvorschlägen die Einrichtung einer „Compliancestelle“ ins Gespräch bringt, für die der zuständig Ausschuss schon im September votiert hatte. Mit Regelbefolgung lässt sich das englische Wort übersetzen. Und gemeint ist eine Anlaufstelle, an die sich Rathaus-Mitarbeiter vertrauensvoll wenden können, wenn ihnen ein Kollege oder Chef verdächtig erscheint, bei der sie „ihr Unwohlsein“ äußern können.
Ansehen der Beamtenschaft in Gefahr
In den drei Fällen gab es in den Amtsstuben Gerüchte, Tuscheleien über Herrn B., Herrn V. oder Frau S. Auf die stieß das RPA allerdings erst im Nachhinein, als es längst zu spät war. „Hinweise an der richtigen Stelle und ohne persönliches Risiko für den Einzelnen, sich dem Vorwurf der Verleumdung auszusetzen, hätten zu einem früheren Aufdecken der Unregelmäßigkeiten führen können“, schreibt das Rechnungsprüfungsamt. Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, auch Verdachtsmomente über Vorgesetzte äußern zu können. Gibt es einen „begründeten Anfangsverdacht“, sollte diese Stelle den Korruptionsbeauftragten oder in Abstimmung mit der Verwaltungsleitung die Ermittlungsbehörden einschalten.
Ausdrücklich betont das RPA, dass ein bestechlicher Beamter „das Ansehen der Beamtenschaft herabsetzt“. Gefordert sind auch die Vorgesetzten: „Ein falsch verstandener kooperativer Führungsstil oder eine nachlässige Führung können in korruptionsgefährdeten Bereichen verhängnisvoll sein“, warnen die Korruptionskontrolleure. Außerdem sollten Mitarbeiter in Dienstbesprechungen nachdrücklich dafür sensibilisiert werden, dass die Bürger in „besonderem Maße erwarten können“, dass in der öffentlichen Verwaltung, „alles getan wird“, um Korruption zu verhindern.
Gigantische Lücken in der Buchführung
Allerdings hat das RPA in seinem Bericht ausgerechnet beim Straßenverkehrsamt, das als besonders korruptionsgefährdet gilt, zahlreiche Kontrolllücken ausgemacht. Das Vier-Augen-Prinzip greift oft nicht, es fehlen systematische Arbeitsanweisungen. Widerstand regt sich gegen eine Rotation von Mitarbeitern. Kaum zu glauben: Für 6200 hoheitliche Klebesiegel gibt es keinen Verwendungsnachweis und aus den Jahren 2001 bis 2005 fehlen schlicht gänzlich die Nachweise für die Kfz-Kennzeichen-Plaketten.
2011 flog er auf, der Sachgebietsleiter im Straßenverkehrsamt, weil ein Spediteur für eine „beschleunigt“ erteilte EU-Lizenz nicht extra zahlen wollte. Der Beamte, der 35 Jahre bei der Stadt arbeitete und dem schon 2005 nach einem Dienstvergehen die stellvertretende Abteilungsleitung entzogen worden war, ist längst suspendiert, die Justiz ermittelt. Was da über zehn Jahre an Machenschaften abgelaufen ist, hat das Rechnungsprüfungsamt jetzt in einem 60-seitigen Bericht zusammengetragen.
Beamter buchte nicht stattfindende Betriebsausflüge
Geschickt hat der auch computererfahrene Mitarbeiter mit „krimineller Energie“ Sicherheitsmechanismen außer Kraft gesetzt, lautet der Vorwurf. Rechtswidrig soll er laut RPA Bescheinigungen ausgestellt, persönliche Geschenke angenommen und während der Dienstzeit private Kontakte ins Rotlichtmilieu gepflegt haben. Allein für 30.0000 Euro forderte die Stadt nachträglich Gebühren ein, die der Mitarbeiter, zuständig auch für Schwertransporte, Ausnahmen vom Sonntagsfahrverbot und Taxilizenzen bei Firmen, nachweislich nicht kassierte. „Hier wurde (...) gegenüber Firmen der Anschein der Käuflichkeit und Bestechlichkeit vermittelt“ schreibt das RPA.
Als „schwerwiegende Pflichtverletzung“ bezeichnet der Bericht den Vorwurf, dass sich der Beamte von einer Firma kostenlos Fahrzeuge zur Privatnutzung stellen ließ. In einem anderen Einzelfall soll er Spenden für einen Betriebsausflug der Behörde eingefordert haben, der gar nicht stattfand. Für andere Kunden soll der Beamte Umschläge mit Bargeld bekommen haben, um am Kassenautomaten Gebühren zu begleichen. Darin sollen mehr Geldscheine als nötig gewesen sein. Eine Dienstanweisung des Ordnungsamtes verbietet jetzt ausdrücklich, dass Mitarbeiter für Kunden die Zahlungen übernehmen.
Große Kontrolldefizite in Duisburg
Fragwürdig auch das System der mittlerweile lukrativen Entsorgung der jährlich 500 bis 1000 Schrottautos. Trotz Aufforderung ist die Auftragsvergabe immer noch nicht ausgeschrieben, macht es eine Firma, die der Mitarbeiter empfahl, an deren Zuverlässigkeit das RPA aber zweifelt.
Die Stadtkontrolleure sehen grundsätzlich schwere Kontrolldefizite, fordern sichere Computer-Programme, den Verzicht auf Barzahlungen, ein Quittungssystem und trotz leerer Kassen mehr interne Revision und Kontrolldichte.