Duisburg. Auf mindestens zwei Millionen Euro beziffert die Stadt Duisburg den Schaden durch die Betrügereien des entlassenen Projektleiters für das City-Palais. Der Skandalfall geht zudem über das City-Palais hinaus: Es besteht der Verdacht, dass der Stadtbedienstete bei weiteren Projekten manipuliert hat.

Das katastrophale Baudesaster um die 47-Mio-Euro teure, neue Mercatorhalle geht nach Einschätzung des unabhängigen Rechnungsprüfungsamtes der Stadt (RPA) im Wesentlichen auf das Konto eines einzelnen städtischen Projektleiters, der bis zum Sommer 2011 in zentraler Vertrauensfunktion für den Ausbau und die Projektabwicklung der Halle verantwortlich war. Und der später dann auch für die Neugestaltung des König-Heinrich-Platzes, des Averdunkplatzes und der Umgestaltung der Königstraße am City-Palais zuständig war.

In einem 40-seitigen nichtöffentlichen Bericht an die Ratsmitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses, der der NRZ vorliegt, kommen die Controller zu dem Schluss, dass der Projektleiter die Kommune finanziell „schwer geschädigt“ habe, weswegen er nach Bekanntwerden und Beweis erster Manipulationen im Juli 2011 von seinen Aufgaben entbunden und die Stadt dann gegen ihn Strafantrag wegen des Verdachts der Untreue, Vorteilsnahme, Bestechung und Bestechlichkeit gestellt hatte.

Erheblichen Verstöße gegen Dienst- und Nebentätigkeitsrecht

Doch erst jetzt - nach Entdeckung der gravierenden Defizite beim Brandschutz der Halle - wird das weitere Ausmaß der Manipulationen jenes Projektleiters erkennbarer: Nach Auffassung der Kontrolleure waren dies alles Täuschungen und Verstöße, die „Mister City-Palais“ zusammen mit drei Baufirmen zum Schaden der Stadt vorgenommen habe. Neben erheblichen Verstößen gegen das Dienstrecht und gegen das Nebentätigkeitsrecht fand das RPA zudem gefälschte Bescheinigungen und Hinweise auf Privattätigkeiten während der Dienstzeit.

Zivil- und strafrechtlich gravierender seien Unregelmäßigkeiten mit Baufirmen zu Lasten der Stadt. Beispiel: Da habe, so das RPA, die Stadt eine Rechnung in Höhe von 182.000 Euro bezahlt, für die die Firma X keine Leistung erbracht hat, bzw. deren Leistungen schon über andere Rechnungen bezahlt wurde. Trotzdem habe der Projektleiter diese Summe noch mal zur Auszahlung angewiesen. Zweimal sei Geld auf ein Nicht-Firmenkonto geflossen.

Wer hat auf der Großbaustelle Mercatorhalle alles die Hand aufgehalten? 

Der Verdacht auf Unregelmäßigkeiten wurde den städtischen Kontrolleuren vor einem Jahr, am 1. Juli 2011 vom Immobilien Management Duisburg (IMD) mitgeteilt. Da stimmten im Zusammenhang mit der Mercatorhalle Rechnungen und Zahlungen nicht überein. Und man erinnerte sich, dass schon im Jahre 2005 ein Architekt der Stadt einen Hinweis auf den „Projektleiter Mercatorhalle“ gegeben hatte: Dieser habe versucht, bei ihm unberechtigt Geld einzufordern. Eine persönliche Erklärung, die der Architekt dann an Eides statt bei einem Notar hinterlegt hatte. Diese und weitere Verdachtsmomente führten im Sommer 2011 zur Strafanzeige der Stadt gegen ihren Projektleiter, dessen Privatwohnung wie auch Dienstbüro dann von der Kripo durchsucht wurde: 50 laufende Meter Akten, 500 Daten-CDs, zwei Notebooks, das Diensthandy und Tausende von Dienst-Emails des Projektleiters wurden von der Polizei wie auch von der Stadt sichergestellt. Und aus diesen Akten rekonstruieren die städtischen Kontrolleure Folgendes:

Parkettarbeiten

MD-Chef Uwe Rohde weist auf große Mängel im Brandschutz hin.
MD-Chef Uwe Rohde weist auf große Mängel im Brandschutz hin. © WAZFotoPool

Die Fa. Y. hat die Parkettarbeiten in der Mercatorhalle durchgeführt. Statt aber wie anfangs vereinbart 681.000 Euro wurden der Firma, so das RPA, mit verschiedenen Begründungen am Ende beachtliche 1,6 Mio. Euro durch den Projektleiter gezahlt.

Dabei sei in einem Fall eine von einem Fachplaner um 57.000 Euro gekürzte Rechnung durch ihn ohne weitere Begründung in voller Höhe bezahlt worden. Weiterhin versuchte der Projektleiter, jener Firma Y. einen Auftrag zur Sanierung des Rangs in der Mercatorhalle über 300.000 Euro zu erteilen, obwohl es vermutlich genau sie selber war, die für 1,6 Mio. Euro schlampige Arbeit abgeliefert hatte und kostenlos nachbessern müsste. Und: Nach Erkenntnis des RPA hat der städtische Vertrauensmann dann nachweislich dieser Firma Y. auch noch dabei geholfen, Gewährleistungsansprüche der Stadt gegen die Firma abzuwehren. Untreue? Jetzt muss die Stadt mit neuem Geld in den kommenden Monaten für noch einmal 300.000 Euro (neue Schulden) das fehlerhafte Parkett im Rang der Halle sanieren.

Technik und Brandschutz

Die Firma X, so das RPA, habe 182.000 Euro kassiert und dafür keinerlei Leistungen erbracht, bzw. waren Leistungen bereits über andere Rechnungen bezahlt. Eine weitere Zahlung über 800.000 Euro an die Firma X - vom Projektleiter befürwortet - wurde im letzten Moment gestoppt. Interessant ist nach Auffassung der Rechnungsprüfer, dass die Firma X als Fachplaner für die Überwachung des Einbaus der technischen Anlagen (Brandschutz) verantwortlich war und auch die Sachverständigen ausgewählt hatte, die am Ende einen korrekten Brandschutz bestätigen sollten und dies auch taten. Hier besteht nach Auffassung der Kontrolleure die „Möglichkeit eines Zusammenhanges“ zwischen systematischen Brandschutzmängeln und den aufgedeckten Manipulationen.
Im vergangenen Monat wurden - wie berichtet - in der Mercatorhalle so eklatante Mängel beim Brandschutz aufgedeckt, dass die Halle bis zum Sommer 2013 geschlossen bleiben muss. Drei Sachverständige hatten aber damals einen korrekten Brandschutz bescheinigt. Betrug?

König-Heinrich-Platz

Die Firma Z. - zuständig für die Projektsteuerung des Ausbaus König-Heinrich-Platz und Averdunkplatz - hat nach Erkenntnissen der Prüfer 1,5 Mio. Euro über den Projektleiter kassiert. Im Gegenzug habe sie aber nur für 200.000 Euro Leistung erbracht. Schaden: 1,3 Mio. Euro. Wo sind die geblieben? Der Projektleiter, der große Summen selber nicht auszahlen konnte, habe die Aufsicht durch die Stadt dadurch ausgetrickst, dass er über viele Monate kleine, 20.000 Euro-Summen überwiesen habe. Untreue? Betrug?

Sonstige Vorwürfe

Die Betreuung des Ausbaus der Mercatorhalle hat den Projektleiter offenbar nicht ausgefüllt. Das RPA weist dem Mann nicht genehmigte dafür aber gut bezahlte Gutachter-Nebentätigkeiten nach, die er vermutlich nicht versteuert hat. Bei der Stadt habe er aber Überstunden und Dienstreisen und Kilometergeld abgerechnet, für die es keine Begründung gab. Für den Ausbau seines Privathauses habe er seine Dienst-E-Mail verwendet und gegenüber Firmen möglicherweise suggeriert, ihm stünden Rabatte zu. Untreue?

Fazit

Der städtische Projektleiter hat nach Auffassung des RPA durch sein Verhalten die Stadt Duisburg beim Bau der Mercatorhalle finanziell schwer geschädigt. Er habe durch vorgetäuschte Rechnungen und möglicherweise der Vertuschung von Baumängeln einen wirtschaftlichen Schaden verursacht, der vorläufig auf zwei Millionen Euro beziffert wird. Die Manipulationen seien von ihm so geschickt vorgenommen worden und in einem Auftragsvolumen von 47 Mio. Euro versteckt, dass bezweifelt werden müsse, ob alle Unregelmäßigkeiten wirklich aufgespürt werden können.

Vier-Augen-Prinzip

Aber auch an das eigenen Haus, die Stadtverwaltung, hat das RPA eine Botschaft: Es müsse künftig „zwingend darauf geachtet“ werden, dass wichtige Entscheidungen „nicht von einer einzelnen Person allein“ getroffen werden können. Ziel muss es sein, das Risiko von Fehlern und Missbrauch zu reduzieren.