Duisburg/Krefeld/Essen. Die Rauchwolke, die bei dem Großbrand in Krefeld entstand, versetzte viele Menschen in der Region in Angst und Schrecken. Nicht in allen Städten fühlten sich die Bürger gut über das Ausmaß des Unfalls informiert. Dort, wo die Sirenen heulten, wussten gerade Jüngere oft nicht, was die Töne bedeuten.
Der Großbrand in Krefeld wurde zur vorgezogenen Generalprobe: In Duisburg schrillten erstmals wieder die Sirenen. Dabei ist das System noch gar nicht fertig: Erst 65 der geplanten 78 Sirenen sind auf den Dächern der Stadt installiert. Früher gehörte eine Sirenenanlage zur Standardausrüstung jeder Großstadt, doch aus Spargründen wurden sie vielerorts abgebaut. Duisburg entschied sich 1993 gegen das flächendeckende System, 1996 wurden die Anlagen demontiert.
Die Idee damals: Moderne Technik sollte die Anlagen überflüssig machen. Radios, die sich im Gefahrenfall eigenständig einschalten und die Bevölkerung informieren oder SMS, die an jedes Handy verschickt werden, sollten die Aufgabe der Sirenen übernehmen. Doch die Technik entwickelte sich nicht wie vorgesehen. Radios, die sich selbst einschalten, gibt es bis heute nicht, dafür immer mehr Haushalte, die gar kein Radio haben.
Viele wissen nicht, was die Sirene bedeutet
Duisburg ist nicht allein: In vielen NRW-Städten fielen die Sirenen Sparzwängen zum Opfer. Und selbst dort, wo es sie noch gibt, erklingen sie heute so selten, dass viele nicht wissen, wie sie auf das Signal reagieren sollen. „Als die Sirene anging, wussten wir erst gar nicht was los ist“, berichtete Heinz Pannenbecker, Leiter des Amplonius-Gymnasiums in Rheinberg. Das städtische Ordnungsamt rief beim Landkreis an, um zu erfahren, was die Sirene bedeutet.
"Das passiert häufig", sagt Silvia Darmstädter, Sprecherin des Deutschen Feuerwehrverbandes. Die Sirenen stammen aus dem Kalten Krieg. Seit der beendet ist, wurden sie sehr selten eingesetzt, so dass heute kaum noch einer etwas mit dem Signal anfangen kann. Der Feuerwehrverband fordert deshalb andere Lösungen, etwa Rauchmelder in jeder Wohnung, über die die Feuerwehr Sprachdurchsagen verbreiten kann. "Technisch ist das machbar", sagt Darmstädter. Es hapere lediglich am politischen Willen zur Umsetzung.
Großes Interesse an Informationen via Facebook
Die Stadt Duisburg informiert besorgte Bürger deshalb auch auf seiner Website und via Facebook. Seit der ersten Meldung am Dienstagmorgen um kurz vor halb neun - etwas mehr als eine Stunde nach der Brandmeldung - haben die Mitarbeiter der Pressestelle, die den Auftritt betreuen, acht Status-Updates eingespielt. Die Resonanz darauf ist groß: "In 24 Stunden haben wir über 2200 Fans hinzugewonnen", sagt Online-Redakteur Jan Schnitzler. Die Mitteilungen wurden viele hundert Mal geteilt, erreichten also auch tausende Facebook-Nutzer, die die Nachrichten der Stadt nicht abonniert haben.
Seit die Pressestelle den Facebook-Auftritt der Stadt pflegt, informieren sie dort auch über besondere Feuerwehreinsätze wie etwa Bombenentschärfungen oder eben Großbrände. "Gerade bei Einsätzen, bei denen sich die Faktenlage schnell ändert, ist Facebook ein guter Kanal, weil wir schnell reagieren können", sagt Schnitzler. Die Informationen bekommen sie in solchen Fällen von ihrem Chef. Der Leiter der Pressestelle sitzt im Krisenstab - und erhält so Nachrichten aus erster Hand.
Essen warnt im Internet nicht vor dem Großbrand
Andere Städte sind deutlich zurückhaltender mit der Informationsweitergabe. Auf der Facebook-Seite der Stadt Essen, die ihre Bürger am Dienstag via Pressemitteilung aufforderte, Fenster und Türen geschlossen zu halten, steht bis jetzt kein Wort über den Brand und die entsprechende Warnung. Auch auf der Website der Stadt steht nichts zum Thema. Das gleiche Bild in Mülheim.
Auf der Moerser Internetseite dagegen finden Bürger den Hinweis, dass die Warnung für ihre Stadt aufgehoben ist - und einen Link zur Krefelder Seite, die seit Dienstag über den Vorfall informiert. Jedenfalls solange die Server mitmachen. Am Dienstagmorgen war krefeld.de nicht erreichbar. Unter dem ungewohnten Besucherandrang waren die Server in die Knie gegangen.
Feuerwehr und THW informieren per Lautsprecherdurchsagen
In allen Städten setzten die Rettungskräfte auf die klassische Informationsmethode: Feuerwehr und THW warnten die Bevölkerung via Lautsprecherdurchsage, forderte dazu auf, Fenster und Türen zu schließen und das Radio einzuschalten. Und natürlich heulten die Sirenen - zumindest in den Städten, die noch welche haben.
Was bedeuten die Sirenen-Signale?
Seit der Bund sein altes Zivilschutz-Sirenennetz abgebaut hat, gibt es keine festgeschrieben Signale mehr, die bundesweit einheitlich sind. In der Regel legen die Kreise und kreisfreien Städte die Bedeutung ihrer Sirenen fest und informieren ihre Bürger darüber in Broschüren oder auf ihren Internet-Seiten. Da sich das neue Sirenensystem in Duisburg noch im Aufbau befindet, sind auch die Signale noch nicht festgelegt.
Beispielhaft dient aber das System der Nachbarstadt Krefeld, die mit ihren stadtweit 29 Sirenen ohnehin als Vorreiter in NRW gilt. Regelmäßig gibt es dort einen Probebetrieb, zuletzt Mitte Juli.
Der einminütige auf- und abschwellende Heulton bedeutet: Radio einschalten und auf Durchsagen achten.
In Gebieten mit besonderem Gefahrenpotenzial steht der einminütige Heulton auch zusätzlich für die Aufforderung „Sofort Türen und Fenster schließen, Aufenthalt im Freien vermeiden.“
Ein Dauerton von einer Minute steht für „Entwarnung“. Er wird in der Regel beim Probebetrieb zuerst ausgelöst, damit die Bürger wissen, dass es sich um einen Test handelt.
Je nach Region gibt es weitere Signale. Für die Alarmierung der Einsatzkräfte der Feuerwehren wird in der Regel das Feuerwehrsignal zweimal unterbrochener Dauerton von einer Minute verwendet.