Duisburg. Das seit 2008 geplante Mahnmal, das an die 130 jüdischen Kinder erinnern soll, die vom Hauptbahnhof aus in die Todeslager der Nazis deportiert wurden, war zwischenzeitlich beinahe in Vergessenheit geraten. Ende Oktober soll es fertig sein. Aber wo soll die „Stahl-Stele“ stehen?
Eigentlich sollte ja mit diesem Mahnmal die Geschichte von 130 unglückseligen, dem Tode geweihten Duisburger Kindern jüdischen Glaubens nicht in Vergessenheit geraten, die in den Jahren zwischen 1938 und 1945 vom Hauptbahnhof aus mit der deutschen Reichsbahn in die Nazis-Todeslager deportiert wurden. Das war ein reiner und feiner Gedanke aus dem Jahr 2008.
Heute – vier lähmende Jahre und eine in Erstarrung gefallene Stadt später – könnte man feststellen: Nicht nur die Geschichte dieser armseligen Kinder, sondern auch das Vorhaben von diesem Mahnmal, das die Erinnerung an die deportierten Kinder wachhalten sollte, ist in dieser nicht nur an Geldmitteln armen Stadt ebenfalls in tiefe Vergessenheit geraten.
Azubis von Thyssen-Krupp-Stahl bauen das Mahnmal
Doch man höre und staune: In der kommenden Woche wollen sich im Rathaus die Mitglieder des Kulturausschusses mit einer Verwaltungsvorlage beschäftigen, die trotzdem irgendwie überraschend aus der Tiefe des Raumes zumindest mit ein paar Neuigkeiten über das Mahnmal zur „Erinnerung an die Deportation jüdischer Kinder aus Duisburg“ aufwarten will.
Unter anderem damit: Das Mahnmal für die Erinnerungskultur dieser Stadt wird gerade von Lehrlingen der Ausbildungswerkstätten der Thyssen-Krupp-Steel AG gebaut, das Material und die Arbeitskraft werden von TKS gespendet. Ein Modell, das schon einmal mit dem Mahnmal für die Loveparade-Toten funktioniert hat. Ende Oktober soll die „Stahl-Stele“ nach dem Entwurf des Künstlers Gerhard Losemann Losemann fertiggestellt sein und dann irgendwo in der Stadt aufgestellt werden. Wann und wo? „Genau diese Fragen werden erst in der Sitzung des Kulturausschusses bekannt gegeben,“ teilte die Stadt am Dienstag der NRZ mit.
Diplomatisches Schweigen
Wer dazu den Künstler befragt, stößt auf diplomatisches Schweigen. Zu lange hat er an diesem Projekt „lupenreinster Bürgerinitiative“ gearbeitet, als dass er es jetzt durch Worte wieder verzögern und gefährden will. Und doch erfährt der Anrufer soviel: „Das Mahnmal muss, wie ursprünglich einmal vorgesehen, irgendwo in direkter Nachbarschaft zum Hauptbahnhof stehen. Schließlich geht es ja um den Ausgangspunkt der Deportation durch die Reichsbahn, den Bahnhof. Es muss ein würdiger Standort sein, mit einem ruhigen Hintergrund. Es dürfte also nicht neben einem Taxistand aufgestellt sein.“
Zur Historie des geplanten Mahnmals
Auf Antrag des Jugendringes der Stadt vom 9.9.2008 wurde der OB beauftragt, die Aufstellung eines Mahnmals zu realisieren.
Im März 2010 hat eine Jury den Entwurf von Gerhard Losemann aus 15 Ideen prämiert.
Das Mahnmal sollte 2011 auf dem neu gestalteten Platz vor dem Hauptbahnhof aufgestellt werden.
Erinnerungen an die Progromnacht
Der Termin für die Einweihung aber stehe fest. Losemann: „Es ist Freitag, der 9. November.“ Kein anderes Datum als dieser Tag tauge für die Einweihung eines Mahnmales zu diesem Thema. In der Nacht des 9. Novembers 1938 begingen die Nazis an den jüdischen Bürgen brutalste Misshandlungen, Mord und Totschlag, brannten in Deutschland jüdische Synagogen. Bereits in jenem Jahr 1938, so erinnert das Duisburger Mahnmal mit einer Inschrift, wurden Kinder vom Hauptbahnhof aus mit Zügen in Konzentrationslager gekarrt.
Der Gedanke des Ungewissen
So sieht das Mahnmal aus: Drei Meter hoch, 70 Zentimeter breit, vier aneinander geschweißte Stahlplatten, auf ihnen in Großbuchstaben ausgeschnitten ein Schriftzug, der den Blick ins Innere der Säule möglich macht: Drinnen erspäht man 64 Edelstahlplatten, aufgehängt wie ein Mobile, auf ihnen die Namen jener mindestens 130 aus der Stadt deportierten Kinder.
Losemann: „Das wird keine Litfaßsäule sein, man muss schon um sie herumlaufen, um alles zu verstehen.“ Genau der Gedanke des Ungewissen, der auch damals im Jahr 1938 und später in den Köpfen der Menschen steckte, soll in der Begegnung mit dieser Kunst aus Stahl und Schriften noch einmal zum Tragen kommen.
Dokumentationszentrum an der Steinschen Gasse
Die aktive Vermittlung historischer Erfahrungen: Dies ist nicht nur ein kultureller Auftrag für ein einzelnes Denkmal, sondern war auch einmal der ehrgeizige Anspruch eines in Duisburg geplanten NS-Dokumentation-Zentrums, das zusammen mit der neuen VHS und der neuen Stadtbibliothek an der Steinschen Gasse entstehen sollte. Doch auch dies ist ein Kapitel aus dem Buch „Längst vergessene Geschichte, die aber auf keinen Fall vergessen werden darf.“