Duisburg. Berlin 1936: Herausragende sportliche Erfolge wurden von den Nationalsozialisten missbraucht
Die Spiele von Berlin 1936 sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. 3961 Athleten aus 49 Nationen nahmen teil und kämpften um insgesamt 960 Medaillen: neuer Rekord. Erstmals wurden Spiele direkt im Rundfunk übertragen und auch Fernsehkameras lieferten flimmernde Bilder in öffentliche „Fernsehstuben“ - private Geräte gab es kaum.
Nie zuvor und danach sind Spiele propagandistisch so missbraucht worden. Hitler und die Nationalsozialisten mimten eine friedliebende und liberale Nation, während Andersdenkende und Juden verfolgt, der Krieg vorbereitet wurde. Viele fielen darauf hinein: Zahlreiche Nationen marschierten mit Hitlergruß ein. Mit großem Pathos wurde das olympische Feuer erstmals von einem Fackelläufer ins Stadion gebracht. Leni Riefenstahl zeichnete in ihrem Kino-Film „Olympia“ ein Bild von Athleten als rassisch reinen Übermenschen. Dumm nur, dass der erfolgreichste Teilnehmer mit vier Goldmedaillen der farbige Leichtathlet Jesse Owens war.
Einen Boykott der Spiele hatte der US-Olympia-Spitzenfunktionär Avery Brundage in letzter Minute verhindert. Die Duisburger Sportler, die 1936 in Berlin große Erfolge feierten, dürften darüber erleichtert gewesen sein. Die Leichtathletin Anni Steuer und die Wasserballer Paul Klingenburg und Hans Schneider errangen Medaillen, wurden später mit einem Empfang im Duisburger Rathaus geehrt. Auch Günter Ortmann, der erst nach dem Krieg an den Rhein kam, gewann Edelmetall.
Schneider und Klingenburg machten dem DSV alle Ehre
Die Namen Hans Schneider und Paul Klingenburg verbinden sich mit dem größten Erfolg, der bis Mitte der 30-er Jahre einem westdeutschen Schwimmverein zuteil wurde: Die beiden Mitglieder des Duisburger Schwimmvereins von 1898 errangen mit der „Deutschen Wasserball National Mannschaft“ bei den olympischen Spielen 1936 die Silber-Medaille.
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Hans Schneider, 1909 in Duisburg geboren, war Stürmer beim DSV 98. In Berlin war er in allen sieben Spielen dabei und erzielte nicht weniger als 22 Tore, darunter beide Treffer im abschließenden Spiel gegen Ungarn. Das Speil endete 2:2. Ungarn erhielt wegen des besseren Torverhältnisses Gold, Deutschland gewann Silber. Bei der Europameisterschaft 1938 gehörte Schneider ebenfalls zur Nationalauswahl, die wieder hinter Ungarn auf Platz 2 landete. Mit dem DSV 98 wurde Schneider drei Mal in Folge, nämlich 1939, 1940 und 1941 Großdeutscher Meister. Insgesamt nahm Schneider an 55 Länderspielen für Deutschland teil. Er starb mit 63 Jahren in Duisburg.
Sein Vereinskollege Paul Klingenburg kam 1907 in Duisburg zur Welt. Er war Torhüter beim DSV 98 und in der Nationalmannschaft. Beim olympischen Turnier 1936 war er an sechs Spielen beteiligt und war auch im Finale gegen Ungarn dabei. Insgesamt bestritt Klingenburg 37 Länderspiele für Deutschland. Nach dem Krieg übernahm Paul Klingenburg gemeinsam mit seiner Frau Hedwig das Hotel „Unter den Linden“ in Assmannshausen am Rhein, das zuvor von den Schwiegereltern geführt worden war und das bis heute in Familienbesitz ist. Paul Klingenburg starb 1964.
Das Zielfoto musste entscheiden
Bange Augenblicke erlebte Anni Steuer, als sie 1936 in Berlin den Lauf ihres Lebens hinlegte: Sie schaffte die 80 Meter Distanz über zehn Hürden in 11,7 Sekunden. Doch zeitgleich mit ihr überschritten drei weitere Athletinnen die Ziellinie. Das Zielfoto - erstmals war diese Technik vier Jahre zuvor bei olympischen Spielen offiziell zugelassen worden - musste entscheiden: Anni Steuer sahen die Schiedsrichter am Ende auf dem Silbermedaillenrang, hinter der Italienerin Trebisonda Valle und vor der Kanadierin Elizabeth Taylor.
Anni Steuer - am 12. Februar 1913 in Metz geboren - gehörte Mitte der 30-er Jahre zu den weltbesten 80-Meter-Hürdenläuferinnen. 1935 war sie bereits Deutsche Meisterin geworden. Zum Zeitpunkt der olympischen Spiele 1936 lebte sie in Duisburg. Ihr Heimatverein war der TUS Duisburg 99. Bei einer Größe von 1,77 Meter hatte Anni Steuer ein Wettkampfgewicht von 67 Kilogramm.
Anni Steuer, später verheiratete Ludewig, gehörte zu den Sportlern, die als erfolgreiche Olympia-Teilnehmer nach ihrer Rückkehr mit einem Empfang im Duisburger Rathaus und einem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt geehrt wurden. Von 1959 bis zu ihrem Tode Ende der 90-er Jahre lebte sie in Mülheim.
Ein Polizist mit sicherem Wurf
Als „Bomber vom Dienst“ machte sich Günter Ortmann einen Namen. 1916 in Liebau (heute tschechische Republik) geboren, fand er über Faustball und Fußball zum Handball. Mit der deutschen Mannschaft errang er 1936 in Berlin die Goldmedaille.
Ortmann, der auch ein passabler Zehnkämpfer war, begann mit 13 Jahren Handball zu spielen. Feldhandball, versteht sich. Mannschafts-, Spielfeld- und Torgröße waren am Fußball orientiert, ebenso die taktische Formation. Günter Ortmann war Mittelstürmer. Mit 18 Jahren wurde der Polizist erstmals in eine Nationalauswahl berufen und gehörte bald zu den erfolgreichsten deutschen Handballspielern. Bei 24 Einsätzen gingen mehr als 100 Tore auf sein Konto. Seit 1934 gehörte Ortmann fest zur Nationalmannschaft, die damals international weitgehend konkurrenzlos war. Kein Wunder also, dass sie 1936 in Berlin den Sieg errang. Ortmann war an zwei der sieben Spiele im Turnier beteiligt und hatte mit sieben Treffern einen stolzen Anteil am Erfolg.
Der Zweite Weltkrieg bedeutete das Ende seiner ersten sportlichen Karriere. Als Hauptmann wurde er 1944 schwer verletzt. Mit unbändigem Willen schaffte es der Ordnungshüter, der seit 1948 seinen Dienst in Rheinhausen versah und später zum Leiter der Schutzpolizei im Kreis Wesel aufstieg, mit TuRa Bergheim und dem TuS Rheinhausen noch auf regionaler Ebene im Westen erfolgreich zu sein und sogar Westdeutscher Meister zu werden. Auch als Trainer und Sportfunktionär war Ortmann erfolgreich: Von 1963 bis 1965 war er Vorsitzender des Polizeisportvereins Duisburg.
Seine Leidenschaft in späten Jahren galt dem Reitsport. So war er rund zwei Jahrzehnte lang im Vorstand des Reit- und Fahrvereins Ziethen Trompet in Rumeln Kaldenhausen aktiv. Als freier Mitarbeiter bei Tageszeitungen schrieb er über den Pferdesport. Günter Ortmann starb am 10. Januar 2002 an den Folgen eines Schlaganfalls.