Duisburg. . Viele Türen im Duisburger Rathaus öffneten sich Dienstag den neugierigen WAZ-Lesern. Unverhofft wurden sie sogar vom neuen Stadtchef höchstselbst begrüßt.

Über einen Satz wundert sich Peter Wende immer wieder, wenn er ihn hört: „Ich lebe seit vielen Jahren in Duisburg, aber ich bin noch nie im Rathaus gewesen.“ Dieses Phänomen kann er als Leiter des Referats für Repräsentation und Internationale Beziehungen zwar nachvollziehen, schließlich gibt es dort „fast keinen Bürgerkontakt“. Damit abfinden will er sich aber nicht. Glück für 19 WAZ-Leser, denn Wende führte sie gestern durch das „Herz der Duisburger Kommunalpolitik“. Er sollte dabei Türen aufstoßen, durch die ein normaler Bürger nicht kommt und damit bei der Besuchergruppe einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Eine solche Türe war die zum holzvertäfelten Dienstzimmer von Oberbürgermeister Sören Link (SPD), der alle Gäste persönlich mit Handschlag begrüßte, dafür den Laptop und Aktenberg auf dem massiven Schreibtisch links liegen ließ und ins Plaudern kam.

Um 1900 war Duisburg noch eine sehr reiche Stadt

Auf dem Weg zum Ratssaal bestaunte die Leser-Delegation dann nicht nur die prächtige Architektur mit etlichen Details an der gewölbten Decke oder in den Fliesen. „Um 1900 war Duisburg noch eine sehr reiche Stadt und hat beim Bau des Rathauses an nichts gespart“, sagte Wende. Heute sei die Situation allerdings anders und damit erzählte er seinen Besuchern nichts Neues. Als Stadt „mit langer bürgerschaftlicher Tradition“ sei man stolz auf das Rathaus und sein Sitzungssaal spiegle dies wider. Dort, auf den Plätzen der Ratsmitglieder, nahm die Gruppe den historischen Saal in Augenschein, nachdem sie im Vorraum eine Telefonzelle hinter sich gelassen hatte, ein Relikt aus einer Zeit, als es noch keine Handys gab. Auch der Ratssaal beherbergte zwei Türen, die für Bürger sonst geschlossen bleiben, aber nun geöffnet wurden, sie führen hinaus auf den Balkon. „Hier feiert der MSV regelmäßig seine Aufstiege“, flachste Wende. Staatsmännisch winkten sogleich die Leser vergnügt auf das verregnete Duisburg herab, wirkten dabei allerdings weniger wie die MSV-Aufstiegshelden, sondern eher wie Queen Mum.

Auch die nächste Station, der „Sitzungsraum 128“ bleibt Bürgeraugen sonst verwehrt. Hinter seinen Doppeltüren trifft sich Sören Link mit seinem Verwaltungsvorstand. Beeindruckender war jedoch das Mercatorzimmer, das die goldenen Amtskette des Oberbürgermeisters beherbergt sowie die Goldenen Büchern der Stadt, die Wende extra aus den Vitrinen geholt hatte und nur mit Stoffhandschuhen anzufassen wagte. Ein metallbeschlagenes, kunstvoll verziertes Exemplar trägt unter anderem die Unterschrift von Reichspräsident Paul von Hindenburg, dessen Name ein Raunen im Raum hervorrief. Ein neueres Buch signierten einst Michail Gorbatschow und Elizabeth II. „Das war am 25. Mai 1965“, sagte eine Leserin wie aus der Pistole geschossen, als der Name der englischen Königin fiel – auf ihr Gedächtnis ist Verlass.

Trausaal und Luftschutzbunker wecken Erinnerungen

Die nächste Station, der Trausaal, ließ einige Ehepaare in Erinnerungen an ihre eigene Hochzeit schwelgen, als wären sie gestern erst getraut worden. Im Kellergewölbe, hinter einer Tür mit der goldenen Aufschrift „Verbotener Eingang“ kam hingegen keine Romantik auf. Mulmig war der Gruppe zumute, als sie an Archiven und Luftschutzbunkern für Beamte vorbeigingen – einige vermissten jedoch die Schutzräume für Bürger.

Nach anderthalb Stunden Führung waren sich aber alle WAZ-Leser einig, dass das Duisburger Rathaus beeindruckender ist, als sie zunächst gedacht hatten. Viele wollen bald noch einmal wiederkommen.