Duisburg. . Lorenz Graf war 33 Jahre Straßenbahnfahrer bei der DVG. An die erste Fahrt in den U-Bahn-Tunnel erinnert er sich gut. Es bereitete ihm Herzklopfen.

Lorenz Graf kam 1972 aus einem kleinen österreichischen Ort bei Kärnten, die Großstadt Duisburg machte ihm regelrecht Angst. Das erste Mal Straßenbahn fahren war noch ein echtes Abenteuer, „ich wusste nicht mal, wie man die Tür aufmacht“, erzählt er lachend. Da hätte der gelernte Metzger nicht gedacht, jemals selbst an der Kurbel zu sitzen, geschweige die ersten Testfahrten durch die U-Bahntunnel mit zu absolvieren.

Er war seiner Urlaubsbekanntschaft gefolgt, ist inzwischen 39 Jahre mit ihr verheiratet. Und als der Wurstbetrieb 1980 Konkurs ging, ergriff Graf die Chance, sich in der DVG-Fahrschule zum Straßenbahnfahrer ausbilden zu lassen. „Damals hatten wir noch eine Kurbel auf dem Lenkrad“, erzählt Graf. Auf seinen Fahrten mit den 1000 PS-starken, voll besetzt 100 Tonnen schweren Bahnen konnte er den Bau der U-Bahntrasse mitverfolgen - mit ständig verlegten Gleisen, offenen Baugruben, in denen das Wasser vereist und dann ausgehoben wurde, von der Fahrt Richtung Schwanentor, wo plötzlich mitten zwischen den beiden Trassen ein Riesenloch klaffte.

Fantastische Fahrt in den Untergrund

Seine ersten Fahrten in die Tiefe nennt er „fantastisch“. Ein bisschen unheimlich war es aber auch, so schnell vom Hellen in völlige Dunkelheit zu fahren. Man fährt nur wenige Meter handgesteuert Richtung Tunnel, dann übernimmt ein Computer die bis zu 80 Stundenkilometer schnelle Fahrt. Das ist sicherer, mehrere Züge können schnell hintereinander fahren. Noch mal schnell stoppen, um einen Heranrennenden aufzunehmen, geht hier nicht. Oberirdisch macht er das oft, „für mich sind das ein paar Sekunden, für denjenigen eine Viertelstunde“.

Gefahren hat Graf auch Prominente wie den Schauspieler Klaus Dahlen - „damals hatten wir noch den Speisewagen“, erzählt er. 60 Brötchen an Bord und die Kaffeemaschine im Dauereinsatz. Und dann war da noch sein Filmdreh mit Götz George. In der Tatort-Folge „Gebrochene Blüte“ springt Schimanski auf eine fahrende Straßenbahn am Bahnhofsvorplatz. Am Steuer: Lorenz Graf. „Im Film sieht man von mir aber nur die Arme“, erzählt der Laiendarsteller.

Leidenschaft für Schienenfahrzeuge

Wenn der 62-Jährige Ende des Monats in Rente geht, kann er die Zahl seiner Unfälle an einer Hand abzählen. Wie der mit der Mofafahrerin, die vor der Bahn links abbiegen wollte und ihm die Vorfahrt nahm: „Ich sah sie nicht mehr, stieg aus - und da saß sie flatternd neben den Gleisen“, beschreibt Graf. Einen ähnlichen Unfall hatte er auch mit einem Polizeiwagen - „den hab ich zusammengeschoben, passiert ist aber zum Glück niemandem was.“ Für „seine“ Straßenbahn, von der er so detailreich erzählen kann, wurde er gar von einem Graffiti-Sprayer zusammengeschlagen. Dabei wollte er nur Schmierereien verhindern.

Trotzdem: Seinen Metzgersjob hat er in 33 Jahren nie vermisst, nur an Weihnachten macht Graf noch selbst Leberwurst - und spielt dann auf seiner steirischen Knopfharmonika. Als Gründungsmitglied des Tramclubs kann er seiner Leidenschaft für die Schienenfahrzeuge weiterhin frönen - und sich von den Kollegen chauffieren lassen.