Duisburg. .
Sören Link und Benno Lensdorf sind es in ihrem Politiker-Alltag gewohnt, kritische Fragen zu Sachthemen, aber auch zu ihrer Person zu beantworten. Doch diesmal saß den beiden Anwärtern auf den Posten des Duisburger Oberbürgermeisters keine „normale“ Journalistenrunde gegenüber. Nein, diesmal nahm der WAZ-Leserbeirat in der Redaktion das Duo ins Kreuzverhör. Und die zehnköpfige Gruppe vergaß es bei manch unvollständiger Antwort der beiden Kandidaten auch nicht, hartnäckig nachzuhaken. Es entwickelte sich ein für beide Seiten aufschlussreicher Abend, der vor der entscheidenden OB-Stichwahl am 1. Juli dabei half, das eigene Meinungsbild abzurunden.
Die geringe Wahlbeteiligung
Gleich zu Beginn stellte Leserbeirat Peter Gärtner aus Rahm jene Frage, die in den Tagen nach der Wahl so viele Menschen in dieser Stadt bewegt hatte: „Worauf führen Sie die extrem geringe Wahlbeteiligung zurück?“ Zum Hintergrund: Nur knapp 33 Prozent aller Wahlberechtigten hatten am vergangenen Sonntag im ersten Wahlgang ihre Stimme abgegeben. „Ich war total überrascht. Ich hatte im Wahlkampf ein ganz anderes, ein positives Gefühl. Viele Menschen schienen mir sehr interessiert. Deshalb hatte ich auch mit über 40 Prozent gerechnet. Dass nur jeder Dritte gewählt hat, ist beschämend“, erzählt SPD-Kandidat Link. Auch CDU-Mann Lensdorf zeigte sich entsetzt. „Nach dem Engagement, dass im Abwahlverfahren gegen Adolf Sauerland an den Tag gelegt wurde, hatte ich etwas ganz Anderes erwartet – mindestens 45 Prozent plus X.“ Er forderte nun alle Bürger auf, bei der Stichwahl an die Urnen zu gehen. Ein Appell, dem sich Link anschloss.
Das wird auch bitter nötig sein: Denn die Runde zeigte sich einig, dass nun eine noch schlechtere Beteiligung droht. „Das war bei Stichwahlen immer so – nicht nur in Duisburg“, sagte Dirk Weil mit Blick auf Statistiken früherer Wahlen, die sich der Leserbeirat aus Wanheimerort extra mitgebracht hatte.
Doch auch wenn nur ein Bruchteil der Bevölkerung letztlich den neuen OB bestimmt: Ein Legitimationsproblem sieht Link im Falle seiner Wahl darin nicht. Lensdorf beklagte sich nicht nur mit Blick auf die Politik, sondern auch andere Felder des alltäglichen Zusammenlebens, dass „die Leute aus der Verantwortung strömen“. Ein Phänomen, das eine Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft darstelle.
"Das müssen wir ändern"
Einige Mitglieder der Runde vermuteten aber auch, dass viele Bürger mit keinem der 13 Kandidaten zufrieden war und deshalb aus Protest daheim geblieben ist.
Das Thema „Bildung“ spielte ebenfalls eine zentrale Rolle: Nach den Vorhaben der Kandidaten erkundigten sich etwa die jüngsten Mitglieder des Leserbeirats, Ira Ortmann und Luca Blass. „Ich will dabei helfen, dass künftig kein Kind mehr ohne Abschluss die Schule verlässt“, sagte Link. Durch die demografische Entwicklung gebe es künftig immer weniger Absolventen. Ein Fachkräftemangel zeichne sich bereits ab. „Jeder Ausbildungswillige und -fähige soll eine Lehrstelle bekommen .“ Link beklagte zudem, dass es in Duisburg zu viele Absolventen mit Hauptschulabschluss und zu wenige mit Abitur gebe. „Das müssen wir ändern.“
Die Schulhausmeister-Problematik
Angela Dollhausen, selbst Leiterin einer Grundschule, sprach die Problematik der gestrichenen Hausmeisterstellen in einigen Schulen an. Sie sieht ohne diese Kräfte sogar nachmittags die Sicherheit der Kinder gefährdet. Stadtweit gebe es rund 60 betroffene Ganztagsschulen. „Die Problematik ist nicht überall gleich. Es gibt auch Fälle, wo zwei Schulen in einem Gebäude untergebracht sind. Da reicht sicherlich ein Hausmeister“, meinte Lensdorf. Link sagte: „Es gibt dazu einen gültigen Ratsbeschluss. Der besagt: Für jede Schule einen Hausmeister. Das wollen wir auch so umsetzen.“
Siegfried Döhring aus Rheinhausen fühlte Lensdorf auf den Zahn: „Wir sind beide 68. Fühlen Sie sich fit genug, um ein solch kräftezehrendes Amt zu übernehmen?“ Wie aus der Pistole geschossen, antwortete Lensdorf: „Ja! Ich führe eine Firma mit 15 Mitarbeitern, bin seit 40 Jahren mit viel Engagement in der Kommunalpolitik aktiv und kandidiere aus vollem Herzen.“ Luca Blass hakte nach. Gibt es nicht auch viele frustrierende Momente im Alltag? „Wenn man von einem Teil der Bürgerschaft ständig in die Hacken getreten wird, fragt man sich manchmal schon, warum man das alles überhaupt macht“, gab Lensdorf zu. Die positiven Dinge wie der Kontakt zu den Menschen würden aber überwiegen.
Friedrich Buttgereit aus Walsum empörte sich über Probleme durch die ausbleibende Einschulungsuntersuchung, gerade bei Kindern aus Zuwandererfamilien. „Uns fehlt nicht das Geld, es fehlt das nötige Personal im Gesundheitsamt“, sagte Link. Er wolle sich dafür einsetzen, dass künftig mehr Integrationsfachklassen gebildet werden. Dafür bedarf es aber der Hilfe des Landes.