Duisburg. Ein Interview mit Alexander Slonka vom Verein „Mehr Demokratie“ über die schwache Wahlbeteiligung bei der Wahl zum Duisburger Oberbürgermeister, die Folgen für die Stichwahl und das Signal aus Duisburg.

Herr Slonka, müssen wir befürchten, dass nach der niedrigen Wahlbeteiligung von Sonntag in zwei Wochen noch weniger zur Stichwahl gehen werden?

Alexander Slonka: Warten wir’s mal ab. Schließlich fließt durch die Fußball-Europameisterschaft derzeit auch jede Menge öffentliche Aufmerksamkeit ab. Zudem war das Wetter am Sonntag schön. Das sind eben auch Faktoren, die auf die Wahlbeteiligung einwirken und nichts mit Politikverdrossenheit zu tun haben.

Ist die Wahlbeteiligung denn bei einer Stichwahl nicht generell niedriger?

Slonka: Das ist richtig, in der Regel gehen mehr Leute zu dem ersten Wahlentscheid als zu einem nachfolgenden. Das war auch der Grund, warum die CDU die Stichwahl 2007 abgeschafft hat. Als sie wieder eingeführt wurde, haben wir bereits in unserer Stellungnahme im Landtag erklärt, dass der Gedanke, sich einen kostenintensiven Wahlgang zu sparen, gar nicht so verkehrt ist. Nur sollte man es dann auch schaffen, dass die politische Legitimation des Kandidaten mit den meisten Stimmen hoch genug ist.

Wie kann das gelingen?

Slonka: Eine Möglichkeit wäre das sogenannte Zustimmungswahlrecht. Dabei können Wähler auf dem Wahlzettel mehrere Kandidatennamen ankreuzen. Ich kann also jeden wählen, mit dem ich leben könnte. Das wäre gerade in Duisburg bei der hohen Zahl von 13 Bewerbern besonders interessant gewesen. In der Regel kommt dabei mindestens ein Bewerber im ersten Wahlgang auf mehr als 50 Prozent. Dieses Verfahren nimmt sozusagen die Stichwahl vorweg.

So Funktioniert die Stichwahl am 1. Juli

Wie die Stichwahl abläuft, regelt § 46 des NRW-Kommunalwahlgesetzes.

Bei der Stichwahl gibt es trotz anderslautender Medienberichte kein Quorum. Bedeutet: Auch eine niedrige Wahlbeteiligung macht die Stichwahl nicht ungültig.

Eine Mindestzahl an Wählern sieht das Gesetz nur für den Fall vor, dass es im ersten Wahlgang nur einen Bewerber gibt. Er muss in diesem Fall von mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten gewählt werden.

Sollten bei der Stichwahl beide Bewerber die gleiche Stimmenzahl erreichen, entscheidet laut § 46c, Absatz 3, „das vom Wahlleiter zu ziehende Los“.

Scheidet einer der beiden Bewerber vor der Stichwahl „durch Tod oder Verlust der Wählbarkeit aus“, so ist die Wahl insgesamt zu wiederholen.

Wird dieses Zustimmungswahlrecht denn bereits irgendwo praktiziert?

Slonka: Nein, bisher wird nur in der UN-Vollversammlung auf diese Art und Weise gewählt. Und auch wir bei „Mehr Demokratie“ wählen mit diesem Verfahren unsere Vorstände.

Der neue Duisburger OB könnte durch eine geringe Stimmenzahl bei der Stichwahl nur eine bescheidene Legitimation im Rücken haben. Würde ein Quorum dabei helfen?

Slonka: Nein. Quoten machen generell keinen Sinn. Die Leute müssen informiert über anstehenden Wahlen und deren Bedeutung informiert sein, dann muss jeder selbst entscheiden.

Liegt die geringe Wahlbeteiligung von Sonntag womöglich auch daran, dass ein parteiübergreifender Konsenskandidat nicht gefunden wurde?

Slonka: Ich denke nicht. Selbst wenn ein „Gauck für Duisburg“ als großer Versöhner gefunden worden wäre, hätte die Wahlbeteiligung ebenso niedrig liegen können, weil jeder denken könnte, der wird ohnehin gewählt.

Sendet Duisburg mit dieser niedrigen Wahlbeteiligung also kein negatives Signal?

Slonka: Ich würde das alles weniger dramatisch sehen. Einer großen Anstrengung, wie es die vorangegangene Abwahl eine war, folgt immer eine gewisse Ermüdung. Die Duisburger könnten also auch ein wenig wahlmüde sein. Ich empfehle die entspanntere Sicht der Schweizer, die nicht nur die Beteiligung bei jeder einzelnen Wahl im Blick haben, sondern auch, wie viele sich über den Zeitraum von einem Jahr an Abstimmungen beteiligt haben.