Duisburg. .
Als der US-Amerikaner Paul Thek im Dezember 1973 mit seinem Weihnachts-Environment „Die Krippe“ einen kompletten Raum in der unteren Etage des Lehmbruck-Museums ausfüllte und so quasi in ein begehbares Kunstwerk verwandelte, stieß er damit nicht nur auf Akzeptanz und Neugier, sondern größtenteils auf Unverständnis.
Der damalige Museumsdirektor Siegfried Salzmann musste sich für die von ihm organisierte Ausstellung mehrmals rechtfertigen. Mit der Ausstellung „Paul Thek, in Process (Duisburg)“, die heute ab 19 Uhr ihre Eröffnung erlebt, soll an die Zeit, die der Objektkünstler bei seinem einzigen Besuch in dieser Stadt verbracht hat, und an seine Spuren, die er hier hinterließ, erinnert werden.
Keine Rekonstruktion der Ausstellung
„Dies ist keine Rekonstruktion der Ausstellung, sondern wir wollen anhand von Fotos, Filmen, Dokumenten oder Notizbucheinträgen aufzeigen, wie sie konzipiert wurde. Es werden aber auch Kunstobjekte von Thek aus der hiesigen Sammlung zu sehen sein.“ Die Frau, die das erklärt, ist Susanne Neubauer, Kunsthistorikerin aus der Schweiz und neben Michael Krajewski Kuratorin der Ausstellung.
Im damals von Thek gestalteten Raum in der unteren Etage befindet sich heute das Besucher-Atelier. Wer die Treppe hinuntergeht, bleibt abrupt stehen. Denn jeder blickt hier vor dem Betreten der letzten Stufen auf ein großformatiges Schwarz-Weiß-Foto. Das zeigt Thek, wie er an eben jener Steinwand lehnend steht, die der Besucher gerade mit eigenen Augen vor sich sieht. Dieser Effekt im Entree holt den im Jahr 1988 verstorbenen Künstler beinahe in die Gegenwart zurück.
Stimme ist zu hören
Das schaffen auch mehrere Videoinstallationen. Einige zeigen Aufnahmen des Künstlers aus Amsterdam, in anderen tanzt er wie ein aufgedrehter Brummkreisel barfuß auf Holzboden in leer stehenden Räumen. Ein genauso anschauliches Bild von Thek können sich Besucher mit Hilfe einiger Gipsmasken machen, die der Künstler noch zu Lebzeiten von seinem Gesicht anfertigte. Auch seine Stimme ist zu hören – und zwar in einem Interview, das der Ausstellungsmacher Harald Szeemann 1973 mit Thek in Duisburg führte. „All das gewährt Zugang auch zur Person und nicht nur zu seinem Kunstwerk“, sagt Neubauer.
„Reste“ nicht entsorgt
Bemerkenswert war auch, dass Thek die Selbsthistorisierung beinahe zuwider war. So ließ er am Ende einer Ausstellung fast immer sämtliche Materialien seiner Raumausstattungen zurück. Auf die Frage der Museen, was mit den Aufbauten denn nun geschehen solle, antwortete Thek mit Vorliebe: „Zerstören!“
Viele dieser „Reste“ wurden aber nicht entsorgt, sondern aufgehoben, haben aber nach wie vor nicht den Status eines Kunstobjektes. Insgesamt erwartet das kundige Fachpublikum und erst Recht den normalen Museumsbesucher viel Unbekanntes. „Das Meiste hier ist bislang unpubliziertes Material“, sagt die Kuratorin.
Zum Abschluss noch die Frage nach dem Ausstellungstitel. „Wenn diese Ausstellung bald nach Luzern und Stockholm weiterzieht, wird sie sich jedes Mal ein Stück weit verändern“, sagt Neubauer. „Sie ist nie abgeschlossen, verändert sich an jedem neuen Ort, hat ein offenes Ende, ist damit also ständig: in Process.“