Duisburg. Noch im Sommer sollen endlich die Arbeiten auf der Platte am Hauptbahnhof beginnen. Das kündigte Ralf Oehnke, Chef der Innenstadt-Entwicklungsgesellschaft, an. Als Gast der WAZ macht er im Interview einen virtuellen Spaziergang durch die Innenstadt.
Sein Job ist die Innenstadt. Schließlich ist er Geschäftsführer der IDE, der „Innenstadt Duisburg Entwicklungsgesellschaft“: Ralf Oehmke. Gegründet wurde die GmbH einst zur Vitalisierung des Innenhafens, mit dem Masterplan Innenstadt ist sie jetzt auch für Planung, Bau und Finanzierungsabwicklung der City-Projekte zuständig. Mit dem IDE-Chef sprachen Thomas Richter und Oliver Schmeer.
Die Bahnhofsplatte ist immer noch nichts als nackter Beton: Was ist schief gelaufen? Wie viel Schuld trägt die IDE?
Ralf Oehmke: Die Langwierigkeit des Prozesses hat nicht an der IDE gelegen. Wegen der Finanzlage der Stadt hat es erhebliche Bearbeitungszeiten gegeben. Dafür mag es sachliche Gründe gegeben haben. Wenn es optimal gelaufen wäre, hätten wir in der zweiten Jahreshälfte 2011 anfangen können.
Und dann musste es eine erneute Ausschreibung geben.
Oehmke: Da ist etwas passiert, was bei jeder 20. Ausschreibung passiert: Wir haben kein hinreichend preisgünstiges Angebot bekommen. Und in Zeiten, in denen das Geld knapp ist, sagt man dann eben nicht: Ich mach es trotzdem. Wir fangen auf jeden Fall in diesem Sommer an.
Nach einem WAZ-Aufruf gab es viele Vorschläge für eine provisorische Lösung. Lässt sich davon nichts schnell und kostengünstig umsetzen? Das fragt sich auch WAZ-Leser Michael Ries
Oehmke: Ich fand die Ideen grundsätzlich klasse. Wir haben es aus zwei Gründen nicht gemacht. Wir hätten ein großes Problem mit der Verkehrssicherheit gehabt. Wir hätten zum Beispiel alle Stolperfallen beseitigen müssen. Das zweite ist die Gewährleistung. Die Platte hätte vor der offiziellen Abnahme für die spätere Nutzung beschädigt werden können. Mit Rollrasen etwa wären wir sofort voll in der Gewährleistungsfrage gewesen Und ein paar Blumenkübel hätten es nicht wirklich besser gemacht.
Gleich nebenan gibt es die Pläne für die Bebauung an der Mercatorstraße. Multi Development (MD) als Investor hat sich über den schleppende Grundstücksverkauf beklagt.
Oehmke: Multi Development hat sich nicht über den schleppenden Grundstücksverkauf beklagt. Der Planungsprozess ist aber sehr komplex. Der Bebauungsplan muss geändert werden. Mit der Bezirksregierung Düsseldorf war besprochen, dass wir den Umbau der Straße mit dem Verkauf des Grundstückes finanzieren können.Wir wollen im Mai/Juni mit dem Bebauungsplanverfahren soweit sein.
Es gibt zugleich Forderungen nach einer besseren Anbindung an die Königstraße.
Oehmke: Der Platz braucht eine eigene Aufenthaltsqualität. Er wird die Visitenkarte Duisburgs. Man braucht keine Sichtachse vom Hauptbahnhof zur Königstraße. Sichtachsen sind ohnehin unsinnig. Innenstädte leben von Plätzen, von urbanen Erlebnisräumen und nicht von zugigen Freiflächen. Und: Ins MD-Gebäude kommt auch Einzelhandel. Wir erweitern damit die Einzelhandelsfunktion der Königstraße auf den Platz.
Die Mercatorstraße soll dann nur zweispurig sein, außerdem ist eine Verkehrsberuhigung wie am Opernplatz geplant. Wohin mit dem Autoverkehr?
Oehmke: Wir haben das von den Verkehrsplanern durchrechnen lassen. Der Durchgangsverkehr soll auf das Ringsystem, die A 40, A 59, Kremerstraße, Plessingstraße führen. Wir müssen einfach von der Vierspurigkeit zwischen dem Hauptbahnhof, dem schönen Platz und der Innenstadt wegkommen.
Gehen wir die Innenstadt weiter Richtung Westen. Was passiert mit der Stadtbibliothek nach ihrem Umzug ins Stadtfenster?
Oehmke: Das Grundstück wird in einem Investorenwettbewerb ausgeschrieben – mit dem Ziel einer Einzelhandelsnutzung möglichst über alle Etagen in einem attraktiven architektonischen Gesamtkontext. Die Chancen sind sehr gut bis ausgezeichnet. Das ist ein Hotspot für die Innenstadt. Wir haben Chancen auf eine ganz tolle städtebauliche Entwicklungen, zumal auch die Volksbank Überlegungen zu einem Neubau hat. Und wichtig ist die Verknüpfung zwischen Königsgalerie und Forum.
Ist das sinnvoll, noch mehr Verkaufsfläche in der City?
Oehmke: Wir brauchen, um als Stadt Duisburg und Einkaufsstandort über die Stadtgrenzen hinaus attraktiv zu sein, eine kritische Größe und ein gewisses Angebot. Das schafft man nicht allein mit einem Forum und einer Königsgalerie. Wir müssen einen neuen Bedarf kreieren.
Noch ein Stück weiter hat die Königsgalerie geöffnet. Der Start mit vielen Leerstände war nicht optimal.
Oehmke: Wir haben derzeit sicher eine gewisse Verunsicherung im Einzelhandel wegen der beiden großen Projekte Factory Outlet und Kriegers Möbelzentrum. Das kann man nicht wegdiskutieren. Das tut der Innenstadt-Entwicklung sicher nicht sonderlich gut. Die Königsgalerie ist aber auf jeden Fall gut für die Innenstadt.
Auf die andere Straßenseite der Steinschen Gasse: Was erwarten Sie vom Stadtfenster?
Oehmke: Beim Stadtfenster ist eigentlich alles klar. Aber wir haben da spektakuläre archäologische Funde mit der Abtei und den Grundmauern der Universität gemacht. Diese Dinge muss man bewahren. Da muss man natürlich auch auch über zusätzliche Kosten reden. Man kann jetzt aber nicht sagen, das ist Pech für den Investor. Es zeichnet sich ab, dass wir Fördermittel bekommen werden.
"Wir können zusammen durchaus etwas bewegen"
Und was passiert am Medizinzentrum? Derzeit ja nichts. Ruht die Baustelle wirklich nur wegen der archäologischen Funde?
Oehmke: Die archäologischen Untersuchungen sind abgeschlossen. Es läuft noch eine Altlastenbegutachtung, das ist aber keine große Sache. Derzeit sitzt man in den Schlussverhandlungen zwischen Investoren und städtischen Behörden über die letzten Details der Baugenehmigung.
Sehen Sie es uns nach: Aber die Verzögerungen machen schon misstrauisch. Es gibt also keine anderen Probleme, etwa bei der Vermarktung oder der Finanzierung?
Oehmke: Nein, uns wurden auch einige der Mieter schon vorgestellt. Auch der Hauptinvestor war hier. Ich sehe da keine Anzeichen. Die Vermietung ist sehr ordentlich. Es geht in der Tat um die Details der Baugenehmigung. etwa um barrierefreie Zugänge.
Weiter geht der Spaziergang: zum Mercatorquartier. Sind reines Wohnen und Büros nicht zu wenig für diesen attraktiven Standort. Muss man dort nicht mehr bieten?
Oehmke: Nein, ich sehe das genau umgekehrt. Für den Standort ist es am besten, wenn man das im größtmöglichen Umfang auf das Thema Wohnen konzentriert. Wir müssen für eine Adressbildung sorgen. Das muss als neues Wohnquartier eine Größe haben, die über die Stadtgrenzen wirkt.
Über welche Größenordnung reden wir denn da?
Oehmke: Das sind etwa 40 000 qm Wohnfläche. Das sind etwa 500 Wohnungen, also bis 2000 neue Einwohner für die City.
Zugleich soll es aber für die Grundschule an der Obermauerstraße keinen citynahen Ersatz geben.
Oehmke: Es wäre sehr schön, wenn das doch machbar wäre. Kinder müssen zu Fuß zur Grundschule gehen können.
Sie haben Ihr Domizil im Innenhafen und schauen auf drei Problembaustellen: Eurogate, Landesarchiv und Küppersmühle. Schaden diese dem Duisburger Vorzeigestandort?
Oehmke: Der Reihe nach: Es ist zwar ein großes Ärgernis, was da mit der Kostenexplosion am Landesarchiv geschehen ist Ich weiß auch nicht, wie teuer und aufwändig so ein Landesarchivbau ist. Die Summe ist schon ein Schock. Aber was da entsteht, ist ein großer städtebaulicher Wurf. Das wird das überragende Gebäude der Stadt und das neue Wahrzeichen Duisburgs.
Die Vorgeschichte war aber skandalträchtig. Die Kostenexplosion ist es ebenfalls. Da kommt bei normalen Bürgern sehr viel Bitterkeit auf.
Oehmke: Das war damals ein Vertrag zwischen zwischen Kölbl und Kruse und dem Baubetrieb des Landes. Das Land hätte aussteigen können und sagen, wir gehen nach Essen. Das wäre für uns Duisburger nicht so schön gewesen. Dass man sich ärgert, kann ich allerdings nachvollziehen.
Und die Küppersmühle und dem Schrottberg dort?
Oehmke: Das ist wirklich eine Katastrophe. Ich denke, es wird am Ende eine Lösung geben. Ob nun in Gestalt eines Kubus auf dem Silo oder anders, weiß ich nicht. Tatsache ist: Wir brauchen für das Museum weitere Flächen. Wir wollen die Sammlung in Duisburg halten. Sie ist sensationell und wichtig für die Stadt.
Und das Eurogate-Projekt? Dort ist die IDE direkt eingebunden. Das Grundstück wurde von ihr an Kölbl und Kruse verkauft. Dazu kommen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen der Parteispenden von Kölbl und Kruse für den OB-Sauerland-Wahlkampf der CDU.
Oehmke: Da hatte ich Sorge nach den Turbulenzen wegen der aus meiner Sicht unberechtigten Vorwürfe, dass die Branche und den Investor verschreckt sind, aber wir hatten jüngst noch ein sehr konstruktives Gespräch. Kölbl und Kruse stehen zu dem Projekt und kümmern sich nach wie vor um die bei 40 000 qm Bürofläche sicher schwere Vermarktung. Wir haben vertraglich die Möglichkeiten geschaffen, das Projekt abschnittsweise anzugehen.
Gibt es keine Möglichkeit der Zwischennutzung für die große Treppenanlage am Holzhafen?
Oehmke: Das ist wirklich bitter. Das stört mich sehr, weil ich da jeden Tag drauf gucke. Ich denke aber nach wie vor, dass es richtig war, die Treppenanlage damals zu bauen. Sonst wären die Fördermittel weg gewesen. Aber es würde 300 000 bis 400 000 Euro kosten, die Anlage begehbar zu machen. Sie müsste dafür aufwändig gesichert werden.
Hatten Sie schon Kontakt zum neuen Planungsdezernenten Carsten Tum? In der Vergangenheit war das Verhältnis IDE und Stadtplanungsamt kein gutes.
Oehmke: Wir haben uns schon mehrmals unterhalten. Wir können zusammen durchaus etwas bewegen. Ich erwarte Verbesserungen bei der Zusammenarbeit. Herr Tum macht einen sehr kompetenten, pragmatischen Eindruck.
Zugleich gibt es aber, namentlich auch von der SPD, Bestrebungen, die IDE bei der Innenstadt-Entwicklung stärker an die kurze Leine zu nehmen. Fühlen Sie sich beschnitten?
Oehmke: Ich habe mich nie dagegen gewehrt, dass gewisse Entscheidungen vom Aufsichtsrat der IDE wieder in den Rat verlegt werden. Wichtig ist, dass eine Begleitung durch den Rat konstruktiv läuft. Es gibt Dinge, die zwischenzeitlich ärgerlich sind, um das ganz offen anzusprechen. So hat der Rat mit knapper Mehrheit bei einem geplanten Sanierungsvorhaben an der Münzstraße die Bereitstellung von einem Eigenanteil von 20 000 Euro bei einer Landesförderung von 100 000 Euro für Voruntersuchungen abgelehnt. Mit dem Argument, das Geld soll nicht alles in die Innenstadt. Das war ein unqualifizierter Unsinn..
Da passt zur Frage von WAZ-Leserin Marion Langenhuysen. Sie beklagt, dass Gelder nur in die Innenstadt fließen und die Stadtteile, in diesem Fall Homberg-Hochheide mit leer stehenden Weißen Riesen, vernachlässigt werden.
Oehmke: Das stimmt nicht. Es gibt keine Gelder, die großartig in den Innenstadt geflossen sind. Nehmen Sie das Konjunkturpaket II. Das waren 68 Millionen Euro. Davon ist kein Cent in die Innenstadt geflossen. Alles, was jetzt gemacht wird oder wurde, sind private Investitionen. Aus politischen Gründen wird versucht, die City gegen die Stadtteile gegeneinander ausgespielt. Das ist unanständig.