Duisburg. Aus Personalnot können in Duisburg rund 1000 Kinder nicht rechtzeitig vor der Einschulung untersucht werden. Eltern hängen in der Luft, Rektoren sorgen sich um den Mehraufwand, die Gewerkschaft hält die Situation für verhängnisvoll.

Mit der neuen Situation hat sich Dr. Georg Vogt vom Gesundheitsamt noch nicht recht abgefunden. Bislang musste man manche Eltern recht eindringlich zur Einschulungsuntersuchung ihrer Kinder drängen. „Jetzt ist es umgekehrt, alle wollen, aber wir können nicht, das hat es so noch nicht gegeben.“

Wie berichtet, ist der Personalnotstand im Gesundheitsamt aktuell so groß, dass von 4500 I-Dötzchen rund 1000 nicht pünktlich zur Einschulung untersucht werden können. Der Stellenschlüssel sieht 5,5 Ärzte vor, 2,7 sind es derzeit. Knapp ist es auch deshalb, weil Duisburg viele Problemkinder zu schultern habe, erklärt Vogt. Sie könne man nicht in wenigen Minuten abhandeln, „man muss ja erst mal das Eis brechen“. Bei manchen Eltern sorge sich das Team zudem, dass diese sich nicht weiter kümmern, „dann hängen wir uns noch mehr rein, sprechen mit der Schulleitung“, so Vogt.

Eltern sind verunsichert

Für Brigitte Berians sind fehlende Untersuchungen tragisch. Die Rektorin an der Gemeinschaftsgrundschule Gartenstraße in Neumühl hält sie für „sehr aussagekräftig“. Aus den zwei kommenden ersten Klassen seien etliche Kinder noch nicht untersucht worden, „die hängen in der Luft, die Eltern sind entsprechend verunsichert“. Rein rechtlich dürfe sie die Kinder gar nicht aufnehmen.

Zwar lernt auch Berians ihre künftigen Schüler kennen, testet spielerisch ihren Entwicklungsstand, lädt sie zu einem Schulspiel, bei dem sie probehalber schon mal in einer Klasse Platz nehmen, mit Materialien wie Stift und Schere umgehen. Sprachstand und mathematisches Verständnis werden dabei ebenfalls ermittelt. Aber so umfassend wie im Gesundheitsamt sei das nicht. Zumal die körperliche Gesundheit gänzlich unberührt bleibe.

Rückweg in den Kindergarten versperrt

Sollte bei einem Kind in den ersten Schulwochen festgestellt werden, dass es noch nicht schulfähig ist, ist der Rückweg in den Kindergarten jedoch versperrt. Dann greifen die Unterstützungsmöglichkeiten in den Schulen - und nötigenfalls eine Wiederholung der Klasse, beschreibt Berians. Als zuletzt ein Kind nach der Eingangs-Untersuchung für ein Jahr zurückgestellt wurde, sei das im Einvernehmen mit Gesundheitsamt, Schulleitung und Eltern geschehen. „Das hat dem Kind sehr gut getan, es konnte seine Entwicklungsverzögerung aufholen und wurde normal eingeschult.“ Ein Jahr zuvor wäre nur eine Förderschule die Alternative gewesen.

So eine Einschulungsuntersuchung dauert eine gute Stunde. Zunächst macht eine Helferin die Vorarbeit, führt Hör- und Sehtest durch, einen Maltest für die Motorik, für das Verständnis von Form und Farbe, kontrolliert das Impfbuch. Dann ist eine der Kinderärztinnen dran. Sie überprüft zunächst rein körperliche Merkmale, hört etwa das Herz ab, schaut in die Ohren, kontrolliert die Haltung. Dann folgt die Entwicklungsdiagnostik: auf einem Bein hüpfen, über eine Linie gehen, aber auch weitere Tests etwa zum Konzentrationsvermögen oder zur Auffassungsgabe.

Fehlende Untersuchung sei verhängnisvoll

Nach einem standardisierten Verfahren werden Punkte vergeben. Wer nur wenige Punkte erreicht hat, wird in unterstützende Therapien vermittelt, wer im mittleren Feld liegt, erhält ein häusliches Förderprogramm, beschreibt Vogt. Den Eltern werden geeignete Materialien empfohlen. Nach Vogts Einschätzung werden nur wenige Kinder zurückgestellt, die erhebliche Einschränkungen haben, etwa bei extremen Frühgeborenen.

Norbert Müller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft glaubt, dass die fehlende Untersuchung „verhängnisvoll ist, weil mit Sicherheit einige zu früh eingeschult werden“. Er geht bei 1000 Kindern von rund 10 Prozent aus. Die Bezahlung im öffentlichen Dienst für Ärzte sei deutlich unterwertig. Das Abschieben der Entwicklungsdiagnostik auf Lehrer „halte ich für einen Witz. Pädagogen achten etwa auf Kontaktfähigkeit, Mediziner haben ganz andere Aspekte“. Gespannt ist Müller auf den heutigen Schulausschuss, dann ist die fehlende Schuleingangsuntersuchung auf der Tagesordnung.