Duisburg. . Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. Mehr als die Hälfte der Deutschen scheint laut einer aktuellen Studie zum Verzicht bereit. So nutzen viele Menschen heutzutage die sechs Wochen zum Abnehmen, Verzichten-Lernen oder als Selbsttest: Kann ich das? Doch wie steht's mit der religiösen Komponente?
Ohne irgendetwas unterstellen zu wollen, so sind sich doch zumindest alle Karnevalisten in einem einig: fünf Tage Karneval fordern fünf Wochen Urlaub. Und viele nutzen sie dafür: die Fastenzeit.
Mit Aschermittwoch beginnt sie und dauert die 40 Tage bis Ostern. Man verzichtet auf Alkohol, Rauchen, Süßes oder Fleisch und einige Radikale sogar aufs Handy oder Auto. Laut aktueller Umfrage der DAK Gesundheit ließen bereits 51 Prozent der Deutschen einmal für mehrere Wochen Genussmittel weg, in NRW sogar ein Prozent mehr. Doch der religiöse Hintergrund gerät immer mehr in Vergessenheit – oder nicht?
Bei der Freitagsandacht
Die Kirche geht auf die Fastenzeit insofern ein, dass zusätzliche Gottesdienste angeboten werden. „Wir haben beispielsweise eine Kreuzandacht an jedem Freitag der sechs Wochen, die auch immer gut besucht ist“, erzählt Monika Ringel vom Pfarramt St. Franziskus Großenbaum. Eine Rückbesinnung auf den christlichen Glauben?
Heilfasten: Nur für Gesunde
Welche Risiken birgt das Heilfasten?
Prof. Dr. Martin Pfohl: Heilfasten ist nichts für Menschen, die entwässernde oder blutdrucksenkende Medikamente zu sich nehmen. Denn das Heilfasten sorgt dafür, dass der Blutdruck fällt, weil man mehr Flüssigkeit ausscheidet. Generell rate ich darum allen vom Heilfasten ab, die nicht gesund sind.
Passiert es oft, dass Menschen heilfasten möchten, die dies nicht tun sollten?
Pfohl: Nein, das eigentlich nicht. Ihnen ist bewusst, dass das Risiko viel höher liegt als der Gewinn des Abnehmens. Das betrifft Schwangere, Stillende Schilddrüsen- und Schlaganfallpatienten, Gichtkranke, Typ-1-Diabetiker, Untergewichtige und Krebskranke. Nur in Familien wo alle gemeinsam fasten, erwähne ich, dass Kinder unter zehn Jahren nicht mitmachen dürfen. Kinder haben eben einen extremeren Stoffwechsel, und können gar nicht so lange hungern.
Raten Sie generell zum Arzt-Check, bevor man heilfastet?
Pfohl: Wer nach den tollen Tagen das Gefühl hat, ein paar Pfunde zu viel auf den Hüften zu haben – und gesund ist – , der darf heilfasten und muss keinen Arzt aufsuchen.
Prof. Dr. Martin Pfohl ist Leiter der Abteilung „Allgemeine Innere Medizin“ im Bethesda-Krankenhaus
Jein. Zwar besuchen einige Gläubige vor Ostern öfter die Kirche, aber dies seien regelmäßige Kirchgänger. Laut Ringel kämen sie in der Fastenzeit noch zusätzlich, auch innerhalb der Woche. Von einem Zuwachs, wie man ihn an Heiligabend beobachtet, kann keine Rede sein und doch ist sich Ringel sicher: „Die Fastenzeit ist in den Köpfen der Menschen noch immer eine Zeit des Verzichts.“
So nutzen viele Menschen heutzutage diese sechs Wochen zum Abnehmen, Verzichten-Lernen oder als Selbsttest: Kann ich das? Eine Auszeit vom sonstigen Leben.
Dies gilt im Übrigen nicht nur für Erwachsene. Auch Jugendliche sehen die 40 Tage als Möglichkeit, neue Akzente in ihrem vielleicht doch weniger bibeltreuen Leben zu setzen: Der 22-jährige Jan verzichtet jedes Jahr in der Fastenzeit auf Alkohol. Ein wenig aus religiösen Gründen, aber auch, um abzunehmen. Für ihn macht es eben Sinn, wenn „man auf etwas verzichtet, was man gern mag“, erklärt Jan.
Zur Überraschung vieler Erwachsener. Viele trauen Jugendlichen das stringente Fasten nicht zu, sondern unterstellen ihnen pauschal ein ständiges Partyleben. Auch wenn Menschen wie Jan klar das Gegenteil beweisen. Ringel ist weniger verblüfft und erklärt, schließlich „fastet man ursprünglich auch für sich.“
Volle Heilfastenkurse
Selbst wenn man keine genauen Zahlen nennen kann, Fasten ist in. „Derzeit gibt es viel mehr Interesse am Heilfasten, aber das ist im Frühling immer so“, sagt Heilpraktikerin Elke Hermanick. Seit 15 Jahren gibt sie siebentägige Kurse an der Wedau-Klinik und der Fliedner Akademie in Großenbaum, nur mit Flüssignahrung. Gut 20 Menschen nehmen pro Kurs teil.
„Aber keiner macht die 40 Tage durch, das wäre auch nicht gut für den Körper“, sagt die 54-Jährige. Die meisten heilfasten die sieben Kurstage lang und berichten bei den abendlichen Treffen von ihren Erfahrungen. Manche ziehen aber auch drei Wochen durch.
„Heilfasten ist eine Kopfsache, aber das ist bewusste Ernährung auch“, sagt Hermanick. Sie rät jedem, doch einfach mal den Einstieg zu wagen: „Man kann doch mal auf Kaffee verzichten oder eine Rohkostwoche einlegen“.