Duisburg. Jeden Tag wachsen die Ansprüche an den künftigen OB von Duisburg. Doch wer könnte diese Ansprüche tatsächlich erfüllen? In der kommenden Woche will ein Kreis von Persönlichkeiten um Alt-OB Josef Krings ein „Manifest“ für Duisburg vorstellen. Ein Kapitel in dem 50-seitigen Band heißt: „Oberbürgermeister können anders werden“.
Mit jedem Tag, an dem über einen neuen Oberbürgermeister und dem damit erwarteten Neuanfang diskutiert wird, wachsen die Ansprüche an den künftigen Amtsträger. Die Erwartungen klettern bereits derart in die Höhe, dass es kaum möglich erscheint, sie alle zu erfüllen. Da hört es sich eher nach Rückschritt an, wenn die Parteien gemeinsam jetzt noch ein „Anforderungsprofil“ erstellen wollen. Die SPD führt dabei Regie, sei saß am Mittwoch mit Linken und FDP am Tisch, am Freitag sind die Grünen dran. Alles läuft „auf Augenhöhe“, wie betont wird.
Es ist fraglich, wie die Parteien ihre Vorstellungen unter einen Hut bringen wollen. Denn sie selbst schrauben die Erwartungen seit dem Abwahlabend in die Höhe. Ein Kandidat müsse „für Transparenz stehen und die Bürger mitnehmen können“, sagte SPD-Vizechefin Bärbel Bas, inflationär geisterte der Begriff „überparteilich“ durchs Rathaus. Der Neu-OB müsse vereinen können, fordert der DGB, und sämtliche seit anderthalb Jahren aufgerissene Gräben zuschütten können. Zeitweise werden Kriterien wie auf einem Wochenmarkt hinausposaunt.
Ein unausgesprochenes Eingeständnis
Die Linken brachten in ihren Ansprüchen fast ihr gesamtes Parteiprogramm unter: Es dürfe keinesfalls ein Verfechter neoliberaler Politik, der Privatisierung und des Ausverkaufs öffentlicher Daseinsvorsorge sein. Derweil fordert die Wirtschaft vom künftigen OB weniger Belastungen und mehr Flächen für Unternehmen.
Initiative „im Zweifel“ mit OB-Kandidaten
Die Bürgerinitiative „Neuanfang für Duisburg“ begrüßt es ausdrücklich, „dass unsere Anregung“ für einen überparteilichen OB-Kandidaten aufgegriffen wurde. Zugleich kündigt die Initiative aber an, dass sie „im Zweifel eine eigene Kandidatin bzw. einen Kandidaten aufstellen“ würden, sollte ein gemeinsamer Kandidat nicht gefunden werden.
„Wir scheuen einen effektiven und kreativen Straßenwahlkampf ohne hohes Budget nicht“, heißt es in einer Presseerklärung. Die Initiative wolle sich aber „aktiv einbringen, um die entstandenen Gräben in der Stadt wieder zuzuschütten“. Und man verschließe sich „ausdrücklich nicht einem politischen Konsens.“
Es müsse aber sichergestellt werden, dass die Bedürfnisse der Duisburger Bürger wieder in den Vordergrund des politischen Handelns rücken: „Bürgerbeteiligung darf nicht eine Worthülse bleiben.“
Es lässt sich erahnen, dass der Kreis der Personen, der diese Wünsche alle bedienen kann, klein sein wird. Was die Politik derzeit in ungewohnt trauter Einigkeit suchen lässt, ist nicht ein neues Klima der Gemeinsamkeit in der Stadt, sondern schlicht ein unausgesprochenes Eingeständnis: Keine der Parteien hat offenbar einen Kandidaten in den eigenen Reihen, der stark genug ist, um ihn in dieser Phase offen nach vorne zu schieben.
So ist der SPD-Chef Ralf Jäger derzeit auch bemüht, das vermeintlich entstandene „Bild von der grandiosen, parteiunabhängigen Persönlichkeit“ ins rechte Licht zu rücken. „Ich glaube, dass sich die Erwartungen auf ein realistisches Maß hin bewegen müssen. Wir werden denjenigen, nicht finden, der mit großer Leidenschaft sowohl 70 Millionen im Jahr spart, die Verwaltung führt, repräsentiert, Gräben zuschüttet, Wunden heilt“, sagt Jäger. „Wir werden uns ganz pragmatisch nach jemandem umschauen müssen, der die grundsätzliche Eignung mitbringt. Er oder sie muss es können. Das ist das entscheidende Kriterium“.
Ein "Manifest" für Duisburg
Einigen wird das vermutlich dennoch zu wenig sein. Denn nicht nur die Politik bastelt derzeit an einem Kriterienkatalog, auch aus der Bürgerschaft werden Ansprüche an den Neu-OB gestellt. Mit der Bürgerinitiative haben die Parteien noch gar nicht gesprochen, da will auch ein anderer Kreis von Bürgern mitreden.
In der nächsten Woche will ein Kreis von Persönlichkeiten um Alt-OB Josef Krings ein „Manifest“ für Duisburg vorstellen. Es ist weniger ein Handbuch mit klaren Anweisungen als vielmehr eine Philosophie oder Vision, wie sich auch eine Stadt in finanzieller Armut produktiv regieren lässt. Ein Kapitel in dem 50-seitigen Band heißt: „Oberbürgermeister können anders werden“. Ein „umfangreicher Impulsgeber“ soll der OB sein, der auch „in kleinen Dingen“ für Bewegung sorgen soll, mit Transparenz und im offenen Dialog mit den Bürgern, heißt es dort. Im Vergleich zu dem, was derzeit auf der Liste steht, sind das fast schon zurückhaltend formulierte Erwartungen.
Bei allen Ansprüchen an sein künftiges Wirken bleibt dem neuen OB zumindest eine Aufgabe erspart: Um das große Sparpaket muss er sich nicht kümmern. Bei seinem Amtsantritt muss der Rat längst entschieden haben, wie und wo die Stadt künftig 75 Millionen Euro weniger ausgibt.