Duisburg. . Wenn fast die ganze Stadt noch schläft, herrscht auf dem Duisburger Großmarkt schon Hochbetrieb. Der kleine Zeiger der Uhr hat gerade mal die Vier erreicht. Zeit für einen Scherz, findet Thomas Simon.
Thomas Simon macht Feierabend, wenn die meisten Duisburger noch in ihrer Tiefschlafphase stecken: Um 5 Uhr morgens kommt seine Schicht-Ablöse und er kann schlafen gehen. Der Pförtner des Großmarkts in Kaßlerfeld mag die Nachschicht, auch „wenn Menschen, die im Schichtdienst arbeiten, nachweislich zehn Jahre kürzer leben.“ Obwohl es 4 Uhr morgens ist und draußen noch stockfinster, ist er schon zu Scherzen aufgelegt: „Na, dann werd’ ich halt nur 90 und nicht 100 Jahre alt.“ Wenn Simon nach Hause kommt, schläft er meist bis mittags. „Außer, der Postbote oder meine Schwiegereltern wecken mich - die haben kein Verständnis für meine Arbeitszeiten.“
Er begrüßt die Marktleiterin Brigitte Heinecke und den Geschäftsführer des Frische Kontors Duisburg, Peter Joppa, herzlich. Man ist per Du, statt förmlich „Guten Morgen“ wird hier „Moin“ gesagt.
„Solche Arbeitszeiten können auch Vorteile haben“, gibt Joppa zu bedenken, „Herr Simon hat viel mehr Zeit für seine Kinder als andere Väter.“
Das weiße Licht in der großen Halle schmerzt ein wenig in den Augen, sofort kommt dem Besucher ein Duftschwall von frischem Obst und Gemüse entgegen. Dieter Wefers von „Obst & Gemüse Leo Wefers GmbH“ ist seit ungefähr 3 Uhr morgens hier. Jetzt, um 4.15 Uhr, berät er gerade eine Wochenmarkthändlerin, die nickend zwischen Orangen und Rettichen umher geht. Um 5.30 Uhr fängt sie an, ihren Stand auf einem Marktplatz aufzubauen, um diese Uhrzeit ist dann der Großteil des Geschäftes auf dem Großmarkt schon wieder abgewickelt.
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„Am meisten ist hier so um 4 Uhr los“, sagt Joppa. Die Käufer sind Wochenmarkthändler oder Gastronomen. Es wird aber auch sehr viel ausgeliefert, an Einzelhändler und Gastronomen, die vorbestellt haben.
Weiter hinten in der Halle befindet sich die Verkaufsfläche der Firma „Nüchter“, die genau das machen: Ausliefern. „Das macht 95 Prozent unseres Geschäfts aus“, erzählt Peter Nüchter, der den Obst- und Gemüsegroßhandel in der vierten Generation betreibt. „Mein Sohn macht eine duale Ausbildung bei uns - also Studium und Ausbildung zugleich“, erzählt Nüchter, „aber er hat gerade Klausurenphase, deswegen ist er nicht hier.“ Die Firma Nüchter beliefert unter anderem zwölf Schulen für das Schulobstprogramm. „Das sind anspruchsvolle Kunden, die sehr individuelle Wünsche haben“, erzählt der MSV-Fan Nüchter, in dessen Bürocontainer überall MSV-Plakate hängen. Auch viele seiner Mitarbeiter tragen das Zebra-Wappen auf ihren Arbeitsanzügen.
Lichtscheue Gewächse
Die meisten der 25 bis 27 Großmarkthändler sind Familienbetriebe. „Vor ein paar Jahren hatten wir noch Sorge, dass einige der Händler keine Nachfolger finden“, erzählt Peter Joppa, „aber zur Zeit sieht es ganz gut aus - die Söhne übernehmen oft das Geschäft ihres Vaters.“
Fertig geschnibbeltes Gemüse und schon mundgerecht geschnittenen Salat gibt es einen Stand weiter, in großen Plastikbeuteln abgepackt. „Das ist meistens für Gastronomieketten, die schneiden oft nicht mehr selbst“, erklärt Joppa.
Quer über den immer noch düsteren Hof hat der Händler „Heka GmbH - Großhandel für Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch“ - seinen offenen Stand, der wie mehrere übergroße Garagen nebeneinander wirkt. Hier liegen Kartoffeln, Zwiebeln und Knoblauch in allen erdenklichen Formen, Farben und Größen in riesigen Säcken aufeinander. Es ist dunkel bei Heka, „gerade die Kartoffeln sind lichtempfindlich“, erklärt der Händler Peter Winkler, „wir haben hier nur eine Deckenlampe pro Fläche und selbst die schalten wir selten ein.“ Um die 30 verschiedene Sorten Kartoffeln bietet Winkler an, dabei auch so exotische Sorten wie dunkel-violette Vitelotte aus Südamerika.
Der Rolls Royce unter dem Knoblauch
„In nobleren Restaurants machen die Köche damit lilafarbenes Kartoffelmus“, schwärmt Winkler, „mit Fisch und buntem Gemüse sieht das natürlich toll aus.“ Aber nicht nur für Kartoffeln kann sich der Händler schon so früh morgens begeistern, auch beim Knoblauch hat er seinen Liebling: den „Ail Rose de Lautrec“ aus dem südfranzösischen Departement Tarn. „Das ist der Rolls Royce unter dem Knoblauch“, schwärmt Winkler. Das Gemüse in den besonderen Farben kennen viele Endkunden aus den TV-Kochsendungen. „Die Shows haben viel dazu beigetragen, dass sich die Menschen für außergewöhnliche Sorten interessieren“, sagt er.
Fischpreise sind abhängig vom Wetter
Seine Kartoffeln und Zwiebeln werden teilweise auch schon direkt vor Ort verarbeitet - zum Bespiel von Fisch- und Feinkosthändler „Neptun Delikatessen Wilken“. Gerhard Wilken verkauft nicht nur Frischfisch auf dem Großmarkt, sondern bereitet dort auch Feinkostsalate zu. Außerdem hat Wilken hier eine eigene Räucherei. Seinen Fisch bekommt er aus aller Herren Länder. Die Preise sind vom Wetter abhängig: „Wenn es stürmisch ist in Skandinavien, kann der Preis für manche Fischsorten schon mal um 80 Prozent steigen“, sagt Wilken. Viel vom Frischfischgeschäft ist jetzt, um 5.30 Uhr, schon gelaufen. Ein paar Rotbarsche mit Glubschaugen starren grimmig aus mit Eiswürfeln aufgefüllten Styroporkisten hervor - als wären sie beleidigt, dass sie bisher niemand gekauft hat. Aber der Tag ist noch jung, vielleicht erbarmt sich in den nächsten Stunden ein Koch, der spät dran ist.
Und während es draußen immer noch nicht hell ist, ist der Pförtner Thomas Simon auf dem Weg nach Hause. Feierabend.