Duisburg. Der Mann gilt als Pionier der Schädlingsbekämpfung. Ein Handwerk, auf das sich bauen lässt, dachten wohl auch die Nachfahren. Jetzt konnte das Unternehmen A. &. B. Keßner, das in 4. Generation den Quälgeistern zu Leibe rückt, das 100-Jährige feiern.

„Heilpraktiker befreit Sie von Ratten und Mäusen“. Mit dieser Zeitungsannonce wies Berthold Keßner in den 20er Jahren auf seine zusätzlichen Fähigkeiten als Kammerjäger hin. Bei seiner Gesundheitsfürsorge für Bewohner der Stadt liefen dem Duisburger eben häufig auch ungeliebte Nager, Flöhe und Läuse über den Weg. Der Mann gilt als Pionier der Schädlingsbekämpfung. Ein Handwerk, auf das sich bauen lässt, dachten wohl auch die Nachfahren. Jetzt konnte das Unternehmen A. &. B. Keßner, das in 4. Generation den Quälgeistern zu Leibe rückt, das 100-Jährige feiern.

Im Mittelalter hatte der Rattenbefall oft fatale Folgen für die Menschen. Viele starben an der Pest. Auch die sanften Flötentöne des vermeintlichen Hamelner Rattenfängers zeigten nach dem Ertrinkungstod musikverliebter Tiere keine nachhaltige Wirkung. „Früher“, erinnert sich Seniorchef Berthold Keßner (75), wurden Wanzen und Kakerlaken mit kochendem Wasser und einer Essigessenz bekämpft, ehe der Einsatz mit chemischen Wirkstoffen begann.“

Lange galt das Insektizid DDT als Vernichtungshammer. Das aggressive Mittel beendete zwar das Leben der Ungeziefer, wie Wanzen und Schaben, schadete aber auch dem menschlichen Organismus. Der Einsatz wurde 1972 verboten. Keßner: „Wohnungen wurden damals begast, Fenster und Türen zugeklebt.“ Als weiterer Fortschritt galt der Einsatz von Insektiziden, die über Dampfvernebler in die Wohnungen gesprüht wurden.

Schmerzfreier Tod für die Nager

Erst allmählich setzten sich umweltverträgliche Mittel durch, die auch Menschen nicht mehr schadeten. Heute wird in der Insektenbekämpfung größtenteils mit Ködergelen und schnell abbauenden Mitteln gearbeitet. Auch radikale tödliche Dosierungen, die für Tiere schmerzhaft waren, verschwanden. Heute führen Cumarine als Blutgerinnungshemmer zu einem schmerzfreien Tod der Nager. Sie verbluten allmählich innerlich.

Mit wachsender Einwohnerzahl vermehrten sich auch die Ratten in der Stadt. Sie wurden zum immer größeren Problem, tauchten überall dort auf, wo der Mensch seinen Abfall hinterließ: In Kellern, auf Grünflächen, in der Kanalisation. Über Abwasserleitungen gelangten sie in auch in Toilettenschüsseln und schließlich auch in die Wohnungen.

"Verratung der Stadt"

In den 50er Jahren wurden bei einer Rattenbekämpfungs-Aktion im ganzen Stadtgebiet überall Köder ausgelegt. Die Folge: Hundehalter durften ihre Tiere nicht mehr frei laufen lassen. Doch der größte Einsatz stand den Duisburgern noch bevor. Berthold Keßner erinnert sich an die Rattenvernichtungsaktion, die im November 1962 begann und vier Monate dauerte. Im Ratsbeschluss sprach die Verwaltung von einer „Verrattung der Stadt“. Keßner: „Jedes dritte Haus im Norden und jedes fünfte Haus im Süden der Stadt war befallen.

Auch in Notunterkünften, Bauernhöfen, Metzgereien und Lebensmittelgeschäften war unsere Mannschaft rund um meinen Vater Albert tätig.“ In 1676 Straßen und 13 271 Anwesen wurden die Fraßköder ausgelegt, die neben dem Giftstoff auch Maisschrot, Haferflocken und Puderzucker enthielten. Die Bewohner mussten die städtische Rattenjagd erdulden. Ihnen drohte sogar eine Geldbuße bis 500 Mark, wenn sie den Kammerjäger nicht ins Haus ließen. „Zwei Jahre lang“, weiß Keßner, „mussten wir noch Köder nachlegen, um eine nachhaltige Wirkung zu garantieren.“

„Ausrotten werden wir die Ratten wohl nie“

Die Population ging zwar drastisch zurück, doch das Problem blieb bis heute. Wanderratten können jährlich drei- bis viermal für Nachwuchs mit jeweils bis zu 12 Jungtieren sorgen. Allein aus der Stadtverwaltung gehen bei dem Unternehmen jährlich zwischen 1200 und 1500 Rattenmeldungen ein. Bis zu 3000 Bekämpfungsaktionen zählte Juniorchef Benjamin Keßner. „Ausrotten werden wir die Ratten wohl nie“, sagt der 29-Jährige: „Wenn Menschen im Überfluss leben und die Entsorgung nicht ernst nehmen, werden sie die Ratten auch weiterhin als dankbare Resteverwerter mit ernähren.“