Essen/Recklinghausen. . Ratten gehören in vielen Kommunen mittlerweile zum Straßenbild. Aus Sicht von Experten ist das ein Alarmsignal. Doch nur wenige Städte und Gemeinden tun genug, um die Plage einzudämmen. Aufrufe zum Bekämpfen oder Grillverbote helfen nicht viel.
Das nennt man Bürgerservice: Wer in Recklinghausen Ratten auf seinem Privatgrundstück sichtet, ruft bei der Stadt an – und die organisiert dann einen Schädlingsbekämpfer. Dass der Dienst noch dazu für Bürger zumeist kostenlos ist, freut private Grundstückseigentümer, aber auch die Stadt: „Ratten sind eine Plage, wir versuchen schnell zu handeln, damit wir sie wirkungsvoll bekämpfen“, erklärt Recklinghausens Sprecherin Corinna Weiß.
Das frühsommerliche Wetter derzeit lässt die Ratten derzeit sich kräftig vermehren, weil es an Nahrung kaum mangelt. Die Stadt Duisburg berichtet von einem „Rattenproblem“, in Hagen tummeln sich die Tiere an der Volme und im Bereich des Stadtparks. In Düsseldorf musste im Januar in einer Grundschule der Unterricht ausfallen, weil Ratten sich in der Turnhalle eingenistet hatten. Zudem sorgen wilde Müllkippen vielerorts für Ärger bei Anwohnern und Freude in Nager-Kreisen.
Das Problem ist nicht neu, aber den meisten Städten und Kommunen fehlt ein wirksames Konzept, Ratten zu bekämpfen, kritisiert Werner Steinheuser, Vorsitzender vom Verband der Schädlingsbekämpfer NRW. Ratten können Krankheitserreger übertragen. Sie zu töten ist deshalb gesetzlich ausdrücklich erlaubt. Doch dabei, sagt Steinheuser, „muss man konsequent und gründlich vorgehen.“
Die Stadt Mülheim etwa ließ Blumenkübel aus der Innenstadt entfernen, weil sie von der Bevölkerung auch als Mülleimer missbraucht wurden. Keine wirkliche Hilfe, meint Werner Steinheuser: „Das verdrängt die Tiere nur an andere Orte“. Auch Grillverbote, wie etwa in einigen der Parks in Dortmund oder seit diesem Frühjahr am Kemnader See bei Witten „nutzen in punkto Ratten wenig“, sagt der Schädlingsbekämpfer. „Damit fördert man nur, dass die Leute wild grillen“. Müll bleibt dann trotzdem liegen – und damit Rattenfutter. Appelle an die Bevölkerung, wie alljährlich im Februar in Dortmund, wenn die Stadt zu einer Bekämpfungsaktion aufruft, bringen ebenfalls nicht viel, glaubt Steinheuser. Zumal die Stadt Dortmund eingesteht, dass sie den Erfolg der Aktion nicht nachhält.
Ratten tummeln sich auf der Straße
Allerdings kann jeder dabei helfen, dass das Rattenproblem nicht zur Plage wächst. Etwa indem man Essensreste nicht einfach in die Gegend wirft. Am besten ist es, gar keinen Müll zu hinterlassen, auch nicht in öffentlichen Müllkörben, sagt Werner Steinheuser: „Da können sich die Ratten prima bedienen“. Dass die eigentlich nachaktiven Tiere mittlerweile sogar am helllichten Tag auf den Straßen zu beobachten sind „ist ein Alarmsignal“, sagt der Schädlingsbekämpfer: „Das zeigt, dass sich die Tiere wohl fühlen und auch, dass die Population ziemlich groß sein muss.“
Die Kommunen tun, was ihr Etat ermöglicht, um dem Problem Herr zu werden: Die Stadt Dortmund etwa lässt zweimal jährlich etwa 25.000 Abwasserschächte mit Rattenködern bestücken. Kostenpunkt: 120.000 Euro, teilt ein Sprecher auf Anfrage mit. Die Stadt Essen hat jüngst ihren Etat aufgestockt. Bis dato standen pro Jahr 300.000 Euro für die Schädlingsbekämpfung bereit. Im Kreis Mettmann hingegen sind laut Schädlingsbekämpfer-Verband für die dortigen 33.000 Kanalschächte höchstens 70.000 Euro im Jahresetat vorgesehen.
Eine Ratte pro Einwohner - vielleicht auch zwei
Die Stadt Recklunghausen ist auch hier offenbar etwas gründlicher als andere. Bis zu viermal pro Jahr lässt sie ihre Kanäle mit Rattenködern auslegen, sagt Sprecherin Corinna Weiß. Das entspricht dem, was aus Sicht von Schädlingsbekämpfern mindestens nötig ist. Ein Lob des Experten bekommt auch Düsseldorf: Bei Ausschreibungen achte die Stadt etwa sehr genau auf die Leistung, die sie von Schädlingsbekämpfern erwartet. Steinheuser: „Da wird nicht einfach das billigste Angebot verlangt“. Zudem setze das Ordnungsamt der Landeshauptstadt privaten Grundstückseigentümern „klare Fristen“ bei Rattenbefall. Und halte die auch nach.
Die Faustformel besagt, auf jeden Einwohner kommt eine Ratte. „Vielleicht sind es mittlerweile sogar zwei Tiere“, meint Hans-Joachim Skupsch, Sprecher der Stadt Dortmund. In Dortmunds Parks und Kanälen gäbe es demnach gut und gerne 1,2 Millionen der unangenehmen Nager. Würde man sie auf einen Schlag flächendeckend mit Gift bekämpfen wollen, bräuchte man etwa 200.000 Köder, die je nach Einsatzort mehrmals aufgefrischt werden müssten.
„Beseitigen kann man die Ratten-Population nicht“, räumt Werner Steinheuser ein: „Aber man kann die weitere Ausbreitung aufhalten“. Bei konsequentem Vorgehen ist der Erfolg „innerhalb von zwei Jahren zu spüren“. Auch zum Vorteil der öffentlichen Hand, sagt der Schädlingsexperte: „Es gibt zum Beispiel deutlich weniger Kanalschäden“.