Duisburg. . Die wirtschaftliche Inbetriebnahme des Steag-Kraftwerks in Walsum wird sich um weitere zwei Jahre verzögern. Der Grund: Massive Probleme mit dem neuen Werkstoff T24, die die Ingenieure nicht in den Griff bekommen haben. Jetzt muss der vermeintliche Super-Stahl ausgebaut und durch traditionellen ersetzt werden. Das kostet Zeit und ganz viel Geld.

Die wirtschaftliche Inbetriebnahme des Steag-Kraftwerks in Walsum wird sich um weitere zwei Jahre verzögern. Erst im Herbst 2013 wird die 820 Millionen-Euro-Investition den aller ersten Strom kommerziell ins Netz speisen. Das sind dann sieben Jahre nach der Grundsteinlegung.

Ursprünglich sollte das Steag-Kohlekraftwerk Walsum 10 in diesen Tagen dem Kraftwerksbetreiber die ersten Einnahmen verschaffen. Doch jetzt gibt es erstmal nur weitere Ausgaben. In welcher Höhe? Das mochte gestern Dr. Wolfgang Konrad, der bei Steag zuständige Mann für die Begleitung und Abwicklung von Kraftwerks-Genehmigungsverfahren nicht weiter erläutern.

Der Grund: Der Kraftwerksbauer Hitachi wie auch der Betreiber Steag bekommen nach wie vor die Probleme mit dem ursprünglich als neuer Wunderwerkstoff angekündigten Stahl „T24“ nicht in den Griff.

Neuer Werkstoff wird durch bewährten Kesselstahl ersetzt

Jetzt hat die Steag die Notbremse gezogen. Sie hat bei der Düsseldorfer Bezirksregierung vor zwei Wochen eine Genehmigung beantragt, den Werkstoff T24 wieder ausbauen zu dürfen und durch den bewährten, traditionellen Kesselstahl T12 zu ersetzen.

Bis zum Frühjahr dieses Jahres 2011 hatten die Kraftwerker aus Essen noch gehofft, durch aufwändige Reparaturen von insgesamt rund 3000 defekten Schweißnähten im Verdampfer des Kraftwerkkessels, das Problem mit dem neuen Werkstoff doch noch in den Griff zu bekommen. Aber nach einem neuen Testlauf im Mai des Jahres waren die Ingenieure dann gleich wiederum auf neue 500 Spannungsrisse gestoßen – genau dort, wo sie gerade die Schäden behoben hatten.

„Eine weitere Reparatur ist nicht zielführend,“ erklärte gestern Abend Steag-Mann Konrad auf einer Info-Veranstaltung vor Walsumer Bezirksvertretern. Und: „Wir kennen die genaue Ursache für diese Schäden immer noch nicht.“ Die Vermutung, dass durch eine Reinigungs-Beizung der sensible Werkstoff Schaden nimmt, scheint nur die halbe Wahrheit zu sein.
Das Kraftwerk Walsum 10 sei aber „technisch absolut sicher“, betonte Konrad; von ihm gehe zu keinem Zeitpunkt „eine Gefahr oder Bedrohung für Mensch oder Umwelt “ aus. Die Bezirksregierung sei über alle Vorgänge voll im Bilde.

Umbau im Verdampfer wird etwa ein Jahr dauern

Es wird jetzt wieder zirka ein Jahr dauern bis „T24“-Bauteile durch T12 -Teile im Verdampferbereich des Kessels ausgetauscht sind. Glücklicherweise habe man nach alter Kraftwerksbauer-Manier aber genügend große Reserveflächen eingeplant und mitgenehmigen lassen - denn jetzt müssten mehr und dickere Wände eingezogen werden. Dadurch würde der Bau zwar teurer, aber der so genannte Wirkungsgrad (= Menge der Nutzenergie, gemessen an der Menge der eingesetzten Energie) ) bleibe weiterhin auf dem gleichen, guten Niveau wie angekündigt: Bei mehr als 45%. Auch auf den Ausstoß von Schadstoffen habe die Rückkehr zum klassischen Werkstoff „keinerlei negative Auswirkung“: Walsum 10 bleibe somit nach wie vor „eines der modernsten Steinkohle-Kraftwerke Deutschlands.“ Nach heutigen Stand geht es mit einer satten Verspätung von zwei Jahren und einer nicht bezifferten Kostenexplosion (Frage: Für wen? Hitachi, den Lieferant, oder Steag, die Bauherrin) dann ans Netz.