Duisburg. . Die Grünen hoffen auf neues Verfahren für das Kraftwerk Walsum, der Anlagenbauer sieht dafür nicht einmal die Grundlage.

Die Grünen in Walsum geben den Kampf gegen das Kohlekraftwerk nicht auf. Denn die erneuten Probleme, die derzeit zum zweiten Mal an rund 500 Schweißnähten auftreten, befeuern bei den Grünen die Hoffnung, dass jetzt sogar ein Teil des Genehmigungsverfahrens von vorne beginnt.

Während der Essener Betreiber Evonik-Steag derzeit mit dem Duisburger Anlagenbauer Hitachi Power Europe offiziell noch die Reparaturmöglichkeiten im neuen Block 10 auslotet, haben die Grünen schon den Rückbau des gesamten Kessels vor Augen. Und sollte der Kessel mit seinem 400 Kilometer langen Röhrenlabyrinth aus dem Hightech-Stahl T24 tatsächlich ausgetauscht werden müssen, ginge auch der Wirkungsgrad von 45 Prozent verloren, argumentieren die Grünen.

Hoher Wirkungsgrad nur mit dem T24-Stahl

„Wir sind der Meinung, dass die ursprüngliche Genehmigung, die die Bezirksregierung Düsseldorf 2006 für den Bau der Steag erteilt hatte, nun hinfällig ist, da der Wirkungsgrad nicht gehalten werden kann und erheblich fällt. Es muss daher ein neues Genehmigungsverfahren aufgerollt werden. Auch eine Klage werden wir zusammen mit den Umweltverbänden prüfen“, äußerte sich gestern Ralf Welters vom Walsumer Grünen-Vorstand. Gestützt sehen sich die Grünen in ihren Aussagen durch Äußerungen aus dem „Umfeld“ der Bezirksregierung Düsseldorf, wo man angeblich ein neues Genehmigungsverfahren nicht mehr ausschließen will.

Auf NRZ-Anfrage will man sich bei der Behörde in Düsseldorf allerdings auf überhaupt nichts festlegen. „Sollte sich an der Anlage baulich etwas verändern, können wir das nur auf Grundlage einer genauen Beschreibung über Art und Umfang beurteilen“, sagt Sprecherin Jennifer Spitzner. Je nachdem, wie gravierend die Veränderung ist, gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder erteilt die Bezirksregierung die Erlaubnis oder es ist das notwendig, worauf die Grünen spekulieren: ein komplett neues Verfahren nach dem Bundesemissionsschutzgesetz.

„Ein Komplettaustausch des gesamten Kessels ist auszuschließen“

In der Duisburger Konzernzentrale des Anlagenbauers Hitachi sieht man allerdings noch nicht einmal die Grundlage für die ganze Aufregung gegeben. „Ein Komplettaustausch des gesamten Kessels ist auszuschließen“, sagte Sprecher Helge Schulz gestern der NRZ. Der verbaute T24, der kein Eigenprodukt von Hitachi ist, sei eine Fortentwicklung eines Stahls, der seit Anfang der 1990er Jahre existiere und zwischen allen Beteiligten abgestimmt und zugelassen sei. Er wird in nahezu allen deutschen Kraftwerken der neuesten Generation verbaut, weil er höhere Temperaturen und Drücke vertragen soll und sich somit der Wirkungsgrad der Anlagen erhöht.

Die Undichtigkeiten an den Schweißnähten führt Hitachi nach wie vor auf die Beizung des Kessels zurück, was bis dahin als bewährtes Reinigungsverfahren galt. „In diesem Teilbereich gibt der Werkstoff aber offenbar nicht das her, was alle von ihm erwartet haben“, sagt Sprecher Schulz. Daraus habe man gelernt. Im Braunkohlekraftwerk Neurath, wo ebenfalls T24 verbaut wurde, aber keine Beizung erfolgte, laufe der Erprobungsbetrieb seit 800 Stunden erfolgreich.

Frage nach den Folgen für die Mitarbeiter

Bleibt die Frage, in wie weit die Stromkonzerne gegen den Duisburger Anlagenbauer Strafzahlungen wegen der Verzögerungen fordern könnten und welche Folgen dies für das Unternehmen mit seinen 2000 Mitarbeitern haben könnte. Die Gerüchte, dass solche Forderung die deutsche Hitachi-Tochter angeblich in Existenznot bringen könnten, kennt auch Sprecher Helge Schulz, nennt sie aber „völligen Unfug“. Derzeit würden noch die technischen Reparaturmöglichkeiten überprüft, daher sei es einerseits „arg verfrüht“ überhaupt über Kompensationsforderungen zu spekulieren, anderseits erwarte man aber auch gar keine.

Zudem gehöre das Unternehmen zum japanischen Mutterkonzern mit weltweit 400.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von weit mehr als 100 Milliarden Dollar — laut Sprecher Schulz sei das doch ein gewisses „finanzielles Rückgrat“.