Duisburg. .

90 Prozent aller Alleinerziehenden sind Frauen, nur in zehn Prozent der Fälle erziehen Männer ihre Kinder alleine. Diese bundesweiten Zahlen nennt Iris Jares von der Evangelischen Beratungsstelle Duisburg-Moers.

„Zwei Drittel der Alleinerziehenden leben in prekären Verhältnissen. Und bundesweit leben 850.000 Kinder und Jugendliche unter 18 von ALG II.“ In Duisburg, so ergänzt Ulrike Stender, seien es prozentual gesehen mindestens genauso viele „wenn nicht sogar mehr“.

Die häufigsten Gründe, Kinder alleine zu erziehen, sind Trennungs- und Scheidungsgeschichten. „Man muss sich dann sein Leben im Grunde neu aufbauen“, erklärt Ulrike Stender, die die Beratungsstelle seit vielen Jahren leitet. Der Übergang sei schon für die Erwachsenen nicht leicht. Noch mehr leiden meist die Kinder, die die Trennung nicht wollen. Mit allen Begleiterscheinungen wie zum Beispiel Leistungsabfall in der Schule.

Kann ich mein Kind alleine erziehen?

Die Beratungsstelle an der Duisburger 172 in Hamborn bietet Hilfe gleich in mehreren Lebenslagen: Erziehung, Familie, Ehe/Partnerschaft, Lebensfragen. Und Schwangerschaftskonfliktberatung, wobei sich nach der Erfahrung der Beraterinnen sehr oft auch die Frage stelle: Kann ich mein Kind alleine erziehen?

Wer sein(e) Kind(er) alleine erzieht, müsse seine neue Rolle lernen. „Patentrezepte gibt es nicht“, sagt Ulrike Stender.

Der „Verband alleinerziehender Mütter und Väter“ (VAMV) hat einen knapp 200 Seiten umfassenden Ratgeber mit Tipps und Informationen herausgegeben. Allein der Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt, mit welchen Themen sich Alleinerziehende unter Umständen auseinandersetzen müssen: Sorgerecht, Umgangsrecht, Arbeitslosigkeit, Schulden, Kinderbetreuung und viele andere Themen werden angeschnitten.

Die Hilfsansätze der Beratungsstellen – es gibt nicht nur die der Evangelischen Kirche – sind nicht zu verallgemeinern, denn jeder Fall kann anders liegen. Wichtig sei immer: zuhören, herausfinden, was schwierig ist, und sortieren, was im Moment am wichtigsten ist. „Eine Trennung ist immer ein Tief“, weiß die Sozialarbeiterin Iris Jares. Aus diesem Tief wollen die Beraterinnen heraushelfen. „Ein Trennungsprozess verändert einen Menschen.“

Eltern bleiben Eltern

Die Nachfrage nach dem Beratungsangebot ist groß und es gibt Wartezeiten. „Wenn Kinder betroffen sind, versuchen wir sie aber kurz zu halten“, verspricht Ulrike Stender. Manchmal helfen Familiengespräche, Konflikte zu lösen und sich Situationen bewusst zu machen. „Das geschieht auch in spielerischer Form. Dann kommt unser ,Familienbrett’ zum Einsatz.“ Mit Hilfe von Figuren, die alle Familienmitglieder symbolisieren, könne jeder seine Sicht des Ist-Zustandes und Wunsch-Zustand es darstellen. „Eltern bleiben Eltern auch wenn sie sich trennen“, lautet die Devise beim Blick aus Sicht der Kinder auf Vater und Mutter. „Und Kinder zeichnen manchmal ein ganz anderes Bild der Familie als die Eltern.“

Was sich in den vergangenen Jahren in Duisburg positiv verändert habe, sei die Betreuungsmöglichkeit für Kinder. „Es ist für Alleinerziehende einfacher geworden, wieder ins Berufsleben einzusteigen“, erklärt Diplom-Psychologin Ulrike Stender. „Es reicht noch nicht aus, aber es ist besser geworden.“ Durch den Aufbau von Familienzentren sei zudem – zum Beispiel durch Sprechstunden der Beratungsstelle – die Betreuung vor Ort verbessert worden.

Loslassen und sanftes Hinausbefördern

Trotzdem sei es eine „riesige Belastung“, seine Kinder alleine zu erziehen, unterstreichen die Beraterinnen: Einsamkeit; Angst davor, dass man auch mal mit einem kranken Kind allein sein wird; zu wissen, für alles alleine verantwortlich zu sein; niemanden zu haben, mit dem man seine Ängste oder seine Verantwortung teilen kann. Und auch später, wenn die Kinder erwachsen sind, wenn sie aus dem Haus gehen, wird es neue Lebensfragen geben: Dann ist man plötzlich nicht mehr alleinerziehend, sondern ein Single.

Oder es stellt sich andersherum das Problem, dass es im „Hotel Mama/Papa“ doch so schön ist und die Kinder gar nicht ausziehen wollen. Dann ist „loslassen“ und „sanftes Hinausbefördern“ angesagt. „Und wieder ist niemand da, mit dem man reden oder gemeinsame Entscheidungen treffen kann. Da können wir hier sehr hilfreich sein“, bietet Ulrike Stender an.

Hilfreich ist auch das „Welcome“-Programm für werdende Eltern und es gibt noch weitere Hilfen für Mütter, die wissen, dass sie ihr Kind alleine erziehen werden. Neben der finanziellen Unterstützung durch die Bundesstiftung „Mutter und Kind“ gibt es in Kooperation mit anderen Stellen konkrete Hilfen wie die Familienhebamme, die bis zu einem Jahr stundenweise alleinerziehende Mütter betreut und auch telefonisch für sie erreichbar ist.

Klamme Lage der Stadt verhindert Projekte

Was die Beraterinnen nicht leisten können: „Wir können niemanden an die Hand nehmen, wenn es um sozialwirtschaftliche Hilfen geht. Aber wir können die Wege dorthin aufzeigen“, räumt Iris Jares ein. „Wir würden gerne noch mehr machen“, wünscht sich Ulrike Stender. Finanzierungen für neue Projekte sind beantragt.

Doch es hapert einmal mehr an der Finanzierung und der klammen Lage der Stadt.