Duisburg. .
„Das größte Glück im Unglück war, dass ich hier gelandet bin“, resümiert Georg Lankers. Als er einen Baum fällen wollte, kam der Krefelder mit dem Unterarm in die Kettensäge, seine Hand hing nur noch an zwei Sehnensträngen.
Acht Stunden wurde er damals in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) operiert, die Hand konnte wieder angenäht werden.
Drei weitere Operationen, in denen u. a. Haut transplantiert wurde, folgten. Nach intensiver Reha kann Georg Lankers seine Hand heute wieder uneingeschränkt bewegen - „nur den kompletten Faustschluss kriege ich nicht hin, aber das stört nicht weiter“.
Immer wenn der Hubschrauber über Buchholz kreist, wissen die Anwohner, dass ein schwer verletzter Patient schnell versorgt werden muss. Die Klinik an der Großenbaumer Allee ist dafür optimal aufgestellt. Innerhalb von zwei Minuten wird das Unfallopfer vom Helikopter zur Erstversorgung in den Schockraum gebracht und anschließend operiert. Ein OP-Team steht rund um die Uhr bereit. 61 Spezialisten - Unfall- und Handchirurgen, Neurochirurgen und Orthopäden sowie Experten für schwere Brandverletzungen - sind in der BGU im Einsatz.
Auch Prominente werden im BGU behandelt
Manchmal behandeln sie auch prominente Fußballstars, etwa die Kicker des amtierenden deutschen Meisters Borussia Dortmund (BVB). Dr. Michael Braun, Chefarzt der Orthopädie, ist nämlich zugleich als BVB-Mannschaftsarzt tätig.
Die Klinik wurde 1957 gegründet. In der Zeit, als über 100 000 Menschen in den großen Hüttenwerken und auf den Zechen in Duisburg beschäftigt waren, wurden zahlreiche Stahlarbeiter und Bergleute, die schwere Verbrennungen am Hochofen erlitten oder unter Tage verunglückt waren, hier versorgt. Die Zahl der Arbeitsplätze in der Schwerindustrie und - zum Glück - auch der Anteil der schweren Arbeitsunfälle ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Heute behandelt das BGU-Team immer mehr Patienten, die auf dem Weg zur Arbeit, beim Sport und in der Schule verunglückt sind.
Unfallklinik in Buchholz
„Wir nehmen alle Notfälle auf“, sagt Friedhelm Bohla, der Sprecher des Hauses. Gesetzlich Krankenversicherte, die eine Hüftoperation oder ähnliche Eingriffe planen, müssen allerdings wegen der Kostenübernahme zunächst mit ihrer Krankenkasse Rücksprache halten. Denn Träger des Krankenhauses sind die Berufsgenossenschaften.
85 Mio. Euro Renervierungskosten
Wer in diesen Wochen die Anmeldung der BGU betritt, gerät in eine Großbaustelle. Strippen baumeln von den Decken, Presslufthämmer und Bohrer strapazieren die Nerven der Patienten, die vor der Ambulanz warten, und die der Damen an der Rezeption. Das Bettenhaus aus dem Jahr 1985 wird gerade saniert, der OP-Bereich ist bereits 2007 neu gebaut worden. Bohla: „In den letzten acht Jahren haben wir ständig renoviert. Wenn wir 2013 fertig sind, haben wir 85 Mio € verbaut“. Bei den Patienten bedankt man sich mit kleinen Aufmerksamkeiten, zum Beispiel mit Schokoherzen, dafür, dass sie den Baulärm tapfer ertragen.
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Medizinische Klinik 4: Allgemeine Innere Medizin
Medizinische Klinik 5: Rheumatologie und Physikalische Therapie
Chirurgische Klinik: Allgemeinchirurgie und Colo-Proktologie
Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie
Klinik für Dermatologie, Allergologie und Umweltmedizin
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Kehrt erst einmal Ruhe ein, können diejenigen, die die Operation glücklich überstanden haben und in einem Zimmer auf den oberen Etagen liegen, einen wunderschönen Blick auf die Sechs-Seen-Platte und die umliegenden Wälder genießen - eine Aussicht, um die wohl mancher Hotelmanager den Ärztlichen Direktor Prof. Dr. Dieter Rixen beneiden würde. „Wir sind ein Haus im Grünen. Wir haben sogar einen eigenen Klinikwald“. Dort sind besonders an heißen Sommertagen die mobilen Patienten unterwegs, mit und ohne Rollstuhl.
In der Ambulanz stellen sich jährlich mehr als 20 000 Kranke vor. Etliche von ihnen werden später in der BGU ambulant operiert. Besonders gefragt ist die sogenannte Schlüsselloch-Chirurgie, bei der kleinere Verletzungen - zum Beispiel am Knie - behoben werden können, ohne große Operationsnarben zu hinterlassen.
Spezielle Kinder-Sprechstunde
Dr. Christian Illian kümmert sich in einer speziellen Sprechstunde Mittwoch nachmittags um Kinder mit Knochenbrüchen. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Kinderknochen brechen oft an bestimmten Stellen, der Arzt sollte deshalb genau wissen, wo er hinsehen muss“, so der Unfallchirurg.
Auf dem Klinikgelände begegnen einem auffallend viele Menschen im Trainingsanzug - nach dem weißen Kittel offenbar das gefragteste Kleidungsstück. Die meisten von ihnen, überwiegend Männer, sind auf dem Weg zur Reha - oder kommen gerade von dort zurück. Physio- und Ergotherapeuten üben mit den Patienten in Gymnastikräumen, im Schwimmbad und in einer Musterwohnung. Rollstuhlfahrer lernen dort, selbstständig eine Mahlzeit zuzubereiten oder im Bad zurecht zu kommen. In einem speziell ausgerüsteten Übungsfahrzeug gewöhnen sich amputierte Patienten wieder ans Autofahren. Und in Kooperation mit einem Berufsorientierten Rehazentrum können Dachdecker auf einem Übungsdach und Lkw-Fahrer auf einem Übungslastwagen trainieren, um anschließend wieder ihren Beruf auszuüben.
Georg Lankers, der Mann mit der Kettensäge, hat eisern mitgearbeitet. Nach sechs Wochen konnte er die Klinik verlassen, kam danach monatelang als ambulanter Patient zur Reha. Er hat seine Hand so trainiert, dass sie wieder voll einsatzbereit ist. Eine Kettensäge allerdings, sagt er, werde er nie wieder in die Hand nehmen.