Duisburg. . Nach der UN-Behindertenrechtskonvention muss Deutschland gemeinsames Lernen für Kinder mit und ohne Behinderung gewährleisten. Aktuell sind 17 Prozent aller Kinder an Sonderschulen in Duisburg im Gemeinsamen Unterricht von Regelschulen.

Deutschland ist im Zugzwang. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet die Unterzeichner-Staaten zu einem inklusiven Bildungssystem. Das heißt, dass behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam in einer Regelschule beschult und dabei individuell unterstützt werden sollen.

Dass das ein langer Weg ist, weiß Angelika Peters aus eigener Anschauung. Die Leiterin der Anne-Frank-Hauptschule in Neumühl hat vor 15 Jahren mit dem Schulversuch zum Gemeinsamen Unterricht begonnen - und musste erst mal Vorbehalte im eigenen Kollegium ausräumen. Zusätzliche Räume für Kleingruppenarbeit wurden eingerichtet sowie eine Kooperation mit der Alfred-Adler-Förderschule, um Probeunterricht zu ermöglichen.

Vorzeigbare Beispiele in Duisburg

Weitere Anstrengungen kosteten neue Lehrpläne, die Teams aus Lehrern und Sonderpädagogen mussten sich finden - und nicht zuletzt auch Kunden. Denn so wie es auf der einen Seite Eltern gibt, die sich sorgen, ihr Kind würde im gemeinsamen Unterricht mit Lernbehinderten gehemmt, so gibt es auf der anderen Seite Eltern mit der Angst, ihre Kinder würden an einer „normalen“ Schule untergehen.

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Aktuell sind 17 Prozent aller Kinder an Sonderschulen in Duisburg im Gemeinsamen Unterricht von Regelschulen. In Zahlen sind das 430 Kinder, davon 290 in Grundschulen und 140 in der Sekundarstufe I, verteilt über alle Schulformen. Dennoch sei der landläufige Eindruck, dass noch niemand Inklusion betreibt, glaubt Ralf Hörsken von der Bildungsholding. „Duisburg hat aber durchaus vorzeigbare Beispiele“, erklärt der ehemalige Schulleiter mit Verweis auf die Anne-Frank-Schule: „Die Herausforderung ist jetzt, wie man solche Leuchttürme in die Fläche gießt“. Denn es fehle an Personal: „Ich habe lange Jahre als Lehrer gearbeitet, und nichts bereitet einen darauf vor.“

Künftige Lehrer müssten weniger Fachlehrer sein denn vor allem Multitalente in Sachen Diagnostik und individueller Förderung. „Selbst die jüngsten und neuesten Absolventen sind nicht auf den Gemeinsamen Unterricht vorbereitet“, bedauert Hörsken. Deshalb werde es noch einen „jahrzehntelangen Prozess der Umorientierung geben müssen“. Förderschulen seien aber auch dann noch nötig, weil nicht für alle Kinder eine gemeinsame Beschulung möglich sei. „Integration wo möglich, Spezialisierung wo nötig“ ist seine Prämisse.

Zwei weitere Grundschulen mit gemeinsamem Unterricht

In Duisburg werde sich der nächste Schulausschuss Ende Juni intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Ab dem Sommer werden zwei weitere Grundschulen den gemeinsamen Unterricht anbieten. Dann sind es 15 von 80 in der Primarstufe.

Frank Jakobs, Vorsitzender der Stadtschulpflegschaft Duisburger Schulen, fordert, dass die Veränderung hin zur Inklusion auch bedeutet, die bestehenden Strukturen grundlegend zu verändern. Ein einzelner vom Ministerium angebotener Fortbildungstag als Vorbereitung für die Kollegien sei viel zu wenig. Auch die Eltern müssten mitgenommen und in ihren Ängsten ernst genommen werden, damit „die Unterschiedlichkeit der Menschen zur Normalität wird“.