Duisburg. . Gefordert wird Inklusion, also gemeinsamer Unterricht von behinderten und nicht-behinderten Schülern. An der Anne-Frank-Schule läuft das so schon seit 15 Jahren. Was jetzt noch fehlt, sei Kommunikation, „um den Eltern die Ängste zu nehmen“.

Aus dem Ghetto-Blaster wummert der Bass, die Schüler wippen im Rhythmus und singen mehr oder weniger lautstark mit: „Wenn ich in die Schule geh, lern ich jeden Tag ein Stück. Mensch was hab ich für ein Glück!“ So beginnt der Deutsch-Unterricht der Klasse 5a der Anne-Frank-Hauptschule.

Monika Lochen, die Regelschullehrerin, und Doris Jones-Dickerson, die Sonderpädagogin, sind ein eingespieltes Team. Seit Jahren geben sie gemeinsamen Unterricht – im doppelten Sinne: In der 5a sind auch Kinder mit erhöhtem Förderbedarf, welche mit Lernbehinderung, mit emotionaler und sozialer Einschränkung. Nach einer Stunde in der Klasse die Erkenntnis: Die vier unter 20 fallen nicht auf.

"Jeder hat seine Stärken und Schwächen"

Und das ist auch im Sinne der Lehrerinnen, die darauf achten, dass niemand stigmatisiert wird. „Jeder hat seine Stärken und Schwächen“, wissen die beiden und berichten von einem Lernbehinderten, der zwar mit Zahlen auf Kriegsfuß steht, aber gute Erdkunde- und Geschichts-Kenntnisse hat. Mancher tut sich schwer mit dem geschriebenen Wort, ist aber im Mündlichen eine Leuchte.

Die Kinder trainieren gemeinsam das Leseverständnis, definieren das Wort Bauwagen, unterhalten sich darüber, was ein Angsthase ist. Die Schüler nehmen sich gegenseitig dran, bis schlüssige Erklärungen gefunden sind. Das ganze geschieht mit großer Ruhe. Und mit viel Lob. „Wir gehen in der fünften Klasse noch mal ein paar Schritte zurück, machen Basisarbeit, damit die Kinder Erfolgserlebnisse bekommen und Spaß finden an der Schule“, erklärt Monika Lochen die Strategie.

Eltern sind überzeugt

Und die geht auf, wie Wolfgang Pieck bestätigt: Der Klassenpflegschafts-Vorsitzende hält mit seinen eigenen Vorurteilen nicht hinterm Berg. „Hauptschulen sind doch ein aussterbendes Objekt. Und mit lernbehinderten Kindern in der Klasse hatte ich Sorge, dass es die anderen hemmt, dass die Lernfortschritte nicht groß genug sind, dass später ein Loch bleibt.“

Für seinen Sohn Tuncay kam aber nach mehreren Absagen nur diese Schule in Frage. Und jetzt ist Pieck überzeugt vom gemeinsamen Lernen: „Die lernschwachen Kinder kriegen in der Gruppe einen Schub, werden mitgenommen“, lobt er. Sein eigener Sohn profitiere ebenfalls von der Doppelspitze an der Tafel. Was jetzt noch fehlt, sei Kommunikation, „um den Eltern die Ängste zu nehmen“.