Herne. . Fünf weiterführende Schulen zwischen Unsicherheit und Zuversicht: Nach den Sommerferien kommen die ersten lernbehinderten Kinder zum integrativen Unterricht.

Claudia Aldibas-Könnecke muss keiner mehr überzeugen. Seit Beginn des Schuljahres lernen in der fünften Klasse der Hauptschule am Hölkeskampring sieben lernbehinderte Kinder zusammen mit zwölf anderen. „Wir sind damit sehr glücklich und zufrieden“, sagt die Schulleiterin. Nicht allein seien diese Kinder „sehr lieb und lernbereit“, auch klappe die Zusammenarbeit in der Klasse problemlos. „Alle akzeptieren sich untereinander.“

Eine Einschätzung, die vier weitere Schulleiter zumindest zuversichtlich stimmen dürfte, die den „Gemeinsamen Unterricht“ (GU) von Kindern mit und ohne „sonderpädagogischen Förderbedarf“ nach den Sommerferien einführen, zunächst mit 27 Kindern stadtweit. Es sind wie berichtet die Gesamtschulen „Erich Fried“ und „Mont-Cenis“, die Realschule Crange und das Gymnasium Eickel. Fünf Schulen insgesamt, die die zuständige Dezernentin froh ist „gefunden“ zu haben, wie Gudrun Thierhoff mit deutlichen Anführungszeichen in der Stimme gestern zugab. Denn die Zeit drängte, die UN-Konvention zur „Inklusion“ schulisch auf den Weg zu bringen. Dass die Schulen mit ihrer Vorreiterrolle nicht alle glücklich sind, hatte sich schon bei der letzten Schulausschusssitzung angedeutet.

Am Gymnasium Eickel und an der Realschule Crange ist man aber bereit, sich auf die Aufnahme von jeweils fünf Förderkindern einzulassen. „Sicher gibt es Unsicherheiten und Ängste“, räumte Magdalene van Merwyk aus Eickel gestern ein. Doch zum einen biete sich das Gymnasium wegen der wenigen Anmeldungen in diesem Jahr besonders an, zum anderen habe sie gleich Kolleginnen gefunden, die bereit seien, als Team die Verantwortung zu übernehmen.

Realschulleiter Reiner Jorcik sprach von einer „inhaltlich und organisatorisch gewaltigen Aufgabe“. Er habe sich aber angesichts der ihm zugebilligten zwei zusätzlichen Räume (in einem Pavillon der Melanchthonschule) überzeugen lassen. An der Realschule Crange werden nun wohl vier Eingangsklassen mit jeweils unter 25 Kindern gebildet. Auch bei ihm steht das Team. Die Gesamtschulen waren gestern beim Pressetermin nicht vertreten.

Mit einer Klassengröße von maximal 30 Kindern im GU müssen die Schulen wohl leben. Das sind genauso viele Kinder wie anderswo. Wo sie dagegen Unterstützung bekommen, erläuterte Schulamtsdirektor Reinhard Leben. Für jedes lernbehinderte Kind - und um solche handelt es sich ausschließlich bei den 27 - werden der Schule 2,5 Lehrerstunden pro Woche zugewiesen, macht bei einer Fünfergruppe 12,5 Stunden. Dazu kommt ein Mehrbedarf von 0,1 Lehrerstellen je Kind, was weitere 12 Stunden bringt, so dass am Ende 24 Wochenstunden Unterricht doppelt besetzt sind, mit einem Sonderpädagogen und einem anderen Lehrer. Zwei GU-erfahrene Lehrer werden ab sofort die Schulen beraten, wie sie sich vorbereiten können. Fortbildungen sind ebenfalls geplant. In einer Art „Leitlinie“ sollen die Standards demnächst auch veröffentlicht werden.

Wichtig zu wissen: Die lernbehinderten Kinder werden „zieldifferent“ unterrichtet. Sie sollen weder Abitur noch Realschulabschluss ablegen, allenfalls einen Hauptschulabschluss. Den Schulen zugeordnet werden sie nach Wohnort, möglichst in der GU-Gruppe ihrer Grundschule. Vom Gedanken der Inklusion, auf die sich Herne gerade erst zubewege, zeigen sich Dezernentin wie Schulamtsdirektor jedenfalls überzeugt. „Das fordert viel Toleranz und Akzeptanz“, sagte Thierhoff, aber das soziale Miteinander wie auch die Lernentwicklung der Schüler profitierten.

Die vier Förderschulen bestehen parallel dazu vorerst weiter.