Duisburg. . Jürgen Sommer hat eine neue Blase: Am 7. März wurde ihm das Organ nach einer Krebserkrankung eingesetzt - eine schwierige Operation über sieben Stunden. Nun dient ein Teil seines Dünndarms als neue Blase. Sommer kann schon wieder arbeiten.
„Ich trage mein Herz nun in der Hose“, sagt Rainer Liebenthal salopp. Ihm wurde aufgrund einer Blasenkrebserkrankung am 7. März eine neue Blase eingesetzt. „Wenn wir nach einer Blasenentfernung eine Neoblase einsetzen, sieht diese auf den ersten Blick oft aus wie ein Herz“, klärt Professor Detlef Rohde, Chefarzt der Urologie im Marien-Hospital, über den „Rolls Royce“ unter den Blasenersatzteilen auf.
Rund 20 Exemplare dieser Neoblasen werden jährlich im Marien-Hospital eingesetzt. „Nicht nach jeder Blasenentfernung setzten wir danach eine neue ein“, erläutert Rohde. Ein bis zwei Blasen werden derzeit pro Woche in der einzigen urologischen Klinik in Duisburg entfernt. In 2010 waren es insgesamt 30. Der bundesweite Schnitt liegt in Deutschland bei vier Blasenentfernungen je Klinik – pro Jahr. „Wir gehören zu den oberen 20 Prozent bundesweit“, ordnet der Chefarzt ein. Jedoch nicht nur die Quantität der Patienten spricht für die Behandlungsmethoden in Hochfeld. „Besonders schwierige Fälle werden oft zu uns nach Duisburg geschickt“, berichtet Rhode.
Nerven um die Blase konnten erhalten werden
Rainer Liebenthal war keiner dieser Extremfälle, obwohl auch bei ihm der Tumor schon so weit vorgedrungen war, dass eine Entfernung der Blase notwendig wurde. Seine Operation dauerte gut sieben Stunden. Die durchschnittliche Operationsdauer liegt bei fünf Stunden. Die Besonderheit bei diesem Eingriff: Die Nerven um die Blase herum konnten erhalten werden – und damit auch die Potenz des Betroffenen.
Nach gut zwei Tagen unternahm Liebenthal erste Gehversuche. Nach drei Tagen durfte er die Intensivstation verlassen. „Mittlerweile kann ich mich selbstständig waschen und fortbewegen“, erzählt der Patient mit der neuen Blase. Diese wurde ihm nach der Entfernung seiner, vom Tumor befallenen, alten Blase eingesetzt und aus Teilen seines Dünndarms „gebastelt“. „Bei der OP wird aus dem rohrförmigen Stück des Darms zu einer Kugel geformt. Diese wird dann mit dem Harnleiter verbunden“, schildert Chefarzt Dr. Rohde den Eingriff. „Das Gefühl der Aufgeblähtheit in den Tagen nach der Operation ist vollkommen normal. Schließlich muss alles ja auch zusammen wachsen“, sagt der Operateur.
"Neun kleine Bier passen problemlos rein"
Das alles hat Jürgen Sommer bereits hinter sich. Er lag am 8. Oktober des Vorjahres auf dem OP-Tisch des Marien-Hospitals. Nur zwei Tage nach der Diagnose Blasenkrebs. „Nach der Diagnose sollte man so schnell wie möglich handeln. Das erhöht die Überlebenschancen extrem“, nennt Rohde eine wichtige Maxime bei der Krebsbehandlung.
Nach der kräftezehrenden Reha ist der 65-jährige Sommer mittlerweile in den Berufsalltag zurückgekehrt. Und auch die erste große Belastungsprobe hat die Neoblase bereits hinter sich. „An Karneval wurde das Volumen der Blase getestet. Neun kleine Bier passen problemlos rein“, scherzt Sommer. „Den Harndrang verspürt man jedoch ganz anders. Es drückt höher in der Bauchgegend“, erklärt der Patient.
Um diese und andere Erfahrungen im Umgang mit der Krankheit richtig einzuordnen, hat Rohde gemeinsam mit Wilfried Groß eine Selbsthilfegruppe im Marien-Hospital gegründet. Groß wurde vor drei Jahren wegen eines Tumors in der Blase operiert. „Man muss über die Krankheit sprechen. Das fällt manchmal mit Fremden leichter. Viele halten das Thema in der Familie klein, um die Angehörigen zu schonen.“ Das weiß er aus Erfahrung.