Duisburg. . Eine obdachlose Frau erzählt aus ihrem Leben: Von Schicksalsschlägen und Hoffnungsfunken; Von ihrem Weg in die Obdachlosigkeit und ihren Plänen für einen Neuanfang in einer anderen Stadt, mit einem anderen Job.
Das Zimmer ist hell und freundlich, der Balkon in den Innenhof einladend, Schmusehasen auf dem Bett, Bilder an der Wand, Kaffee dampft in den Tassen, ein Schälchen Gebäck dazu. Eine Unterkunft für Obdachlose sieht in der Fantasie irgendwie anders aus.
"Meine Wurzel war weg“
Tanja, so nennen wir die Frau in dieser Geschichte mal, strahlt. Sie fühlt sich wohl in diesem neuen Zuhause. „Meine Wurzel war weg“, erklärt Tanja und meint damit den Tod ihrer Mutter. Nach dieser Zäsur folgte der Rest Schlag auf Schlag: Den Job kündigte sie, weil sie sich gemobbt fühlte. Dann kapitulierte sie vor dem Gang durch die Behörden, öffnete keine Briefe mehr, ging nicht ans Telefon. Erst die drohende Zwangsräumung zog sie aus der Lethargie und brachte die Erkenntnis, dass sie eine manifeste Depression hat und also schnellstens Hilfe braucht.
Die 50-Jährige hatte Angst vor der Obdachlosigkeit, fürchtete, in einem „dunklen Loch“ zu landen, aber im Wohnkonzept war dann doch alles anders. „Ich bin begeistert“, sagt sie. Die Gemeinschaft mit anderen Frauen empfindet sie als angenehm, die nächtlichen Gespräche mit den studentischen Hilfskräften aus den Nachtschichten erlebt sie als erhellend. „Da ist mir erst aufgegangen, dass mich hier in Duisburg nichts mehr hält“, dass es Zeit ist für einen Neuanfang in einer anderen Stadt, mit einem anderen Job.
"Vom Kopf her noch nicht frei“
Soweit die Zukunftsvision, die sie in einem Jahr Wirklichkeit werden lassen will. Vorerst steht eine Kur an, in der ihre Seele gesunden soll. Denn die hat viel erlebt in fünf Jahrzehnten. Schwierige familiäre Verhältnisse, eine unglückliche Ehe, drei Kinder, von denen sie sich so verletzt fühlt, dass sie den Kontakt abbrach.
Schämen will sie sich hier für nichts. Nach außen geht es Tanja auch schon recht gut, aber sie hat nah am Wasser gebaut, meidet bestimmte Themen. „Ich bin vom Kopf her noch nicht frei“, ist ihre Erkenntnis. Aber dann: „Ich bin nicht zu alt — auch mit 50 kann man noch durchstarten!“
Aus ihrem alten Leben habe sie „nur das mitgenommen, was mich an schöne Zeiten erinnert“, einige Fotos - und die Musik. CDs von Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo, „das ist mir das Wichtigste“, sagt Tanja, die früher auch gern ausging, um Musik zu hören. Sie ist zuversichtlich: „Es kommt der Tag, da geh’ ich auch wieder tanzen.“