Duisburg. .
14 Jahre lang lebte Claus Todtenhöfer auf dem Gelände des Waldfriedhofs. Jetzt musste der ehemals Obdachlose seinen Platz räumen. Friedhofsmitarbeiter unterstützten ihn und halfen ein neues Quartier zu finden. Zuerst wollte er gar nicht gehen.
Claus Todtenhöfer hatte sich längst wieder auf Einsamkeit und Stille zum Weihnachtsfest eingestellt. Wie immer in den letzten 14 Jahren. Dass er von dauerhafter Ruhe umgeben war, nur das Rascheln der Blätter und das Zwitschern der Vögel wahrnahm, liegt auf der Hand. Der 64-Jährige war der einzige oberirdische Bewohner auf dem Neuen Friedhof. In einem Schuppen hatte er seine Sachen verstaut, auf der Frauentoilette schlief er in einem Feldbett. Wenn die Putzfrau kam, war Zeit zum Aufstehen.
Erst der Alkohol, dann obdachlos
„Ja, ja, der Alkohol war wohl der Auslöser für mein ungewolltes neues Leben“, gesteht Claus Todtenhöfer. „Ich dachte immer, Bier ist kein Alkohol, bis ich merkte, dass ich abhängig war.“ Nach der dritten Abmahnung verlor er seinen Arbeitsplatz und damit auch den Halt, den ihm die regelmäßige Arbeit gegeben hatte. 27 Jahre war er als Textil- und Einzelhandelskaufmann beschäftigt. Auch die Frau trennte sich von ihm. Er war allein, trank weiter, ignorierte alle Briefe und damit auch die Schreiben seines Vermieters, wo denn die Miete bliebe.
Mitten im Winter, im Januar 1995 standen Möbelwagen und Gerichtsvollzieher gleichzeitig vor der Tür. Von heute auf morgen stand er auf der Straße. Heute sagt er, dass es sein größter Fehler war, damals nicht zum Arbeitsamt gegangen zu sein. Ihn hatte das schlechte Gewissen geplagt. „Ich konnte mir doch nicht Geld vom Staat holen, weil ich doch an allem selbst schuld war.“
Ein knappes Jahr lebte er in Neukirchen-Vluyn, ging häufig zu Fuß nach Duisburg. „Hier kannte ich Leute, die mir was zusteckten.“ Ein wohnungsloser Kumpel lud ihn ein, bei ihm auf der Toilettenanlage am alten Krematorium an der Wedauer Straße zu übernachten. „Nach drei Nächten war er weg, da hatte ich die Bude allein für mich. Als das Krematorium abgerissen wurde, zog ich um auf das Friedhofsgelände Zum Lith.“
Unterstützung durch Friedhofsmitarbeitern
Die Mitarbeiter auf dem Gelände der Wirtschaftsbetriebe mochten den kauzigen Bewohner und unterstützten ihn. „Die Astrid und der Walter, die haben mich gesponsert. Der eine mit Geld, die andere mit Fresspaketen.“ Auch Kleidungsstücke, einen Rasierer und ein Rad bekam er geschenkt. „Ich wollte nicht verwahrlosen, habe mich auf der Toilette gewaschen und zum Duschen den Schlauch auf dem Waschplatz für die Einsatzfahrzeuge benutzt.“
Der 64-Jährige hatte sich arrangiert, die Vorstellung von einer festen Wohnung war weit weg. „Ich hatte keinen Bock, etwas zu ändern.“ Und abgeschnitten von der Welt fand er sich auch nicht. Er hatte sein Radio und holte sich bei seinen Fahrradtouren zum Bahnhof regelmäßig Zeitungen aus den Papierkörben.
Dass er seine „Wohnung“ dennoch jetzt aufgibt, hängt mit der Sanierung der Toilettenanlagen zusammen. „Wo soll ich dann mein Feldbett hinstellen. Schließlich gab es in der Toilette eine Heizung.“
Das Leben wieder umkrempeln
Die Friedhofsmitarbeiter wandten sich an den Verein „Gemeinsam gegen Kälte“, um dem 64-Jährigen ein neues Quartier zu besorgen. Doch der Friedhofsbewohner wollte erst gar nicht umziehen. Sozialbetreuer Dieter Metz und Vorstand Kurt Schreiber überzeugten ihn, sein Leben wieder umzustellen. Zunächst übernachtet er im „Haus am Hafen“. „Eine Wohnung werden wir schon finden“, ist Kurt Schreiber überzeugt.
22 Euro Taschengeld bekommt er jetzt wöchentlich. Der Rentenantrag läuft und zum längst fälligen Besuch beim Zahnarzt will sich Claus Todtenhöfer auch aufraffen. „Ein wehmütiges Gefühl“, gesteht der 64-Jährige, „hatte ich schon, als ich den Friedhof mit einem Kloß im Hals verließ. Zehn Jahre hätte ich bestimmt noch geschafft, erfrieren konnte ich ja nicht.“