Duisburg. Als die Ärzte ihr noch zwei Wochen gaben, rettete eine Organspende das Leben der heute 27-jährigen Daniela Kracht. Ihre Mutter Monika gründete daraufhin den Bundesverband für Organtransplantierte. Jetzt feiert der Verein sein 25-jähriges Jubiläum.

„Ihr Leben hing an einem seidenen Faden“, erinnert sich Monika Kracht. Ihre Tochter Daniela litt seit der Geburt an einer „Gallengangsatresie“. Die Krankheit verhinderte, dass ihre Leber Giftstoffe aus dem Körper filtern konnte. Die ersten Jahre ihres Lebens musste Daniela deshalb im Krankenhaus verbringen.

Die Ärzte rechneten mit einer Lebenserwartung von dreieinhalb bis vier Jahren. Immer wieder brauchte sie Bluttransfusionen. Daniela lag schließlich im Sterben, ohne Aussicht auf Rettung - denn Organspenden waren Ende der Achtziger Jahre in Deutschland noch nicht sehr verbreitet.

Chance auf Transplantation war Zufall

„Was dann kam, waren viele glückliche Zufälle“, so ­Monika Kracht, die auch nach fast 25 Jahren noch nicht ganz glauben kann, was damals passiert ist: Danielas behandelnder Arzt stellte ihnen einen Kollegen vor, der gerade Deutschland besuchte, beruflich in Chicago Transplantationen durchführte und auch Daniela helfen wollte.

Als die Ärzte dem inzwischen vierjährigen Mädchen nur noch zwei bis drei Wochen zu leben gaben, holten die Eltern Daniela nach Hause. „Wir hätten nie gedacht, dass das mit Chicago klappt“, sagt Monika Kracht.

Ein paar Tage später, am 13. Oktober 1987, morgens um halb neun dann der erlösende Anruf aus Chicago: „Ich habe eine Leber für ihre Tochter! Ihr letzter Flieger geht um 14 Uhr.“ Zu diesem Zeitpunkt hatten sie keine Flugtickets, Daniela kein Visum und niemanden, der auf Danielas jüngeren Bruder, gerade einmal ein paar Monate alt, aufpasst. In Windeseile wurden Koffer gepackt, Flugtickets telefonisch geordert, der Ehemann auf der Arbeit angerufen und nach Bonn geschickt, um ein Not-Visum zu holen und der kleine Sohn zur Nachbarin gebracht.

Reise nach Chicago schnell organisiert

Von der Hoffnung getrieben, seine Tochter retten zu können, geriet Danielas Vater prompt in eine Kontrolle der Polizei, die ihm aber nach einigen Erklärungen Begleitschutz bis nach Bonn bot. „Zum Glück wartete auch der Flieger auf uns. Mein Mann kam um 14.25 Uhr am Flughafen an“, erinnert sich Monika Kracht, die alleine mit ihrer Tochter die Reise antrat. Unterwegs verständigte die Stewardess über Funk bereits das Flughafenpersonal in Chicago. „Wir wurden empfangen wie VIPs, überall waren Sicherheitsleute und ein Hubschrauber hat auch schon auf uns gewartet, der uns direkt ins Krankenhaus gebracht hat“, so die 64-Jährige.

Die 18 Stunden, die die Transplantation dauerte, verbrachte Monika Kracht allein in einem kleinen Zimmer. „In dieser Nacht habe ich mir geschworen: Ich helfe anderen Menschen“, sagt sie voller Überzeugung und ergänzt: „Man lebt von der Liebe eines anderen Menschen und entwickelt eine tiefe Dankbarkeit.“

Mutter wollte Erfahrungen weiter geben

Daniela hat die Transplantation gut überstanden und konnte sechs Wochen später zurück nach Deutschland fliegen. Während sie sich zu einer offenen und lebensfrohen jungen Frau entwickelte, gründete ihre Mutter den Verein zur Förderung von Lebertransplantierten, der später mit weiteren Organisationen zum Bundesverband der Organtransplantierten (BDO) zusammengefasst wurde.

Monika Kracht ist nicht nur Gründerin, sondern auch erste Vorsitzende des BDO. Hauptaufgabe des Vereins ist die Aufklärung und Unterstützung von wartenden Patienten und bereits transplantierten. Die Organisation setzt sich zudem intensiv für die Organspende ein und klärt darüber in Kampagnen auf.

Ein völlig normales Leben

Die mittlerweile 27-jährige Daniela lebt ein normales Leben. Sie treibt regelmäßig Sport und darf alles essen. Das einzige, was sie noch an ihre Transplantation erinnert, sind eine Narbe am Bauch und zwei Medikamente, die sie alle zwölf Stunden einnehmen muss. Letztes Jahr ist sie mit ihrem Freund in ihre erste eigene Wohnung gezogen. „Das war ein großer Schritt für mich“, so Daniela, die ihr ganzes Leben in enger Bindung zu ihren Eltern gelebt hat.

Monika Kracht ist stolz auf ihre Tochter: „Daniela ist eine absolute Kämpferin. Auch wenn sie mitbekommen hat, wie andere Kinder aus ihrem Umfeld gestorben sind, ist sie immer fröhlich und zuversichtlich geblieben.“